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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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(Lamoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung,)
Liftes Aapitel.

o die riesigen Hafcmnancrn von Lissabon nach Süden in einen
langen, immer schmäler werdenden Steindamm ausliefen, der von
einer Rundung mit einem kleinen Wachtturme beschlossen wurde,
einem Turme, auf dem bei Nacht ein Leuchtfeuer entzündet werden
kounte, stand an heißem Augustmittag, auf der Außenseite der
steinernen Rundung, ein ungleiches Paar von Männern und blickte auf das
leicht bewegte Meer hinaus, während der alte Matrose, der hier als Wächter
ergraute, seinen gewohnten schattigen Sitz in der Höhlung des Turmes, zwischen
Thür und Wendeltreppe, ruhig beibehielt. Mochten die beiden Fremden, der
blasse Senhor, der seit Wochen schon beim Morgengrauen und oft noch am
Spätabend hier erschienen, und der ehemalige Steuermann mit dem verstüm¬
melten Arme, welcher heute zum erstenmale mit dem Senhor gekommen war,
über die endlose Flut hinstarren und die Segel am Horizonte zählen -- was
kümmerte es den im Schatten sitzenden? Als der Edelmann mit dem tiefen,
glühenden und dem erloschenen Auge vor etwa einem Monat zum erstenmale
den Steindamm dahergewcmdelt war und bei ihm gerastet hatte, war der Alte
mißtrauisch gewesen. Seit er jedoch wußte, daß sein Besucher nichts wollte,
als die Einfahrt der kleinen Schiffe beobachten, welche in Zwischenräumen vou
mehreren Tagen von Tanger herüberkamen und im Außenhafen Anker warfen,
sah er ihn ruhig kommen und gehen. Die Schiffe hatten, wie selbst der Turm-
Wächter wußte, Boten und Briefe aus Afrika an Bord, ihnen allein galt die
Teilnahme des still Harrenden. So oft von einem dieser Fahrzeuge ein Boot
ausgesetzt ward und dem Jnncnhafen und den großen Quais am Tajo zuruderte,


Grenzboten III. 1836. 24


(Lamoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung,)
Liftes Aapitel.

o die riesigen Hafcmnancrn von Lissabon nach Süden in einen
langen, immer schmäler werdenden Steindamm ausliefen, der von
einer Rundung mit einem kleinen Wachtturme beschlossen wurde,
einem Turme, auf dem bei Nacht ein Leuchtfeuer entzündet werden
kounte, stand an heißem Augustmittag, auf der Außenseite der
steinernen Rundung, ein ungleiches Paar von Männern und blickte auf das
leicht bewegte Meer hinaus, während der alte Matrose, der hier als Wächter
ergraute, seinen gewohnten schattigen Sitz in der Höhlung des Turmes, zwischen
Thür und Wendeltreppe, ruhig beibehielt. Mochten die beiden Fremden, der
blasse Senhor, der seit Wochen schon beim Morgengrauen und oft noch am
Spätabend hier erschienen, und der ehemalige Steuermann mit dem verstüm¬
melten Arme, welcher heute zum erstenmale mit dem Senhor gekommen war,
über die endlose Flut hinstarren und die Segel am Horizonte zählen — was
kümmerte es den im Schatten sitzenden? Als der Edelmann mit dem tiefen,
glühenden und dem erloschenen Auge vor etwa einem Monat zum erstenmale
den Steindamm dahergewcmdelt war und bei ihm gerastet hatte, war der Alte
mißtrauisch gewesen. Seit er jedoch wußte, daß sein Besucher nichts wollte,
als die Einfahrt der kleinen Schiffe beobachten, welche in Zwischenräumen vou
mehreren Tagen von Tanger herüberkamen und im Außenhafen Anker warfen,
sah er ihn ruhig kommen und gehen. Die Schiffe hatten, wie selbst der Turm-
Wächter wußte, Boten und Briefe aus Afrika an Bord, ihnen allein galt die
Teilnahme des still Harrenden. So oft von einem dieser Fahrzeuge ein Boot
ausgesetzt ward und dem Jnncnhafen und den großen Quais am Tajo zuruderte,


Grenzboten III. 1836. 24
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[0193] [Abbildung] (Lamoens. Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung,) Liftes Aapitel. o die riesigen Hafcmnancrn von Lissabon nach Süden in einen langen, immer schmäler werdenden Steindamm ausliefen, der von einer Rundung mit einem kleinen Wachtturme beschlossen wurde, einem Turme, auf dem bei Nacht ein Leuchtfeuer entzündet werden kounte, stand an heißem Augustmittag, auf der Außenseite der steinernen Rundung, ein ungleiches Paar von Männern und blickte auf das leicht bewegte Meer hinaus, während der alte Matrose, der hier als Wächter ergraute, seinen gewohnten schattigen Sitz in der Höhlung des Turmes, zwischen Thür und Wendeltreppe, ruhig beibehielt. Mochten die beiden Fremden, der blasse Senhor, der seit Wochen schon beim Morgengrauen und oft noch am Spätabend hier erschienen, und der ehemalige Steuermann mit dem verstüm¬ melten Arme, welcher heute zum erstenmale mit dem Senhor gekommen war, über die endlose Flut hinstarren und die Segel am Horizonte zählen — was kümmerte es den im Schatten sitzenden? Als der Edelmann mit dem tiefen, glühenden und dem erloschenen Auge vor etwa einem Monat zum erstenmale den Steindamm dahergewcmdelt war und bei ihm gerastet hatte, war der Alte mißtrauisch gewesen. Seit er jedoch wußte, daß sein Besucher nichts wollte, als die Einfahrt der kleinen Schiffe beobachten, welche in Zwischenräumen vou mehreren Tagen von Tanger herüberkamen und im Außenhafen Anker warfen, sah er ihn ruhig kommen und gehen. Die Schiffe hatten, wie selbst der Turm- Wächter wußte, Boten und Briefe aus Afrika an Bord, ihnen allein galt die Teilnahme des still Harrenden. So oft von einem dieser Fahrzeuge ein Boot ausgesetzt ward und dem Jnncnhafen und den großen Quais am Tajo zuruderte, Grenzboten III. 1836. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/193>, abgerufen am 03.07.2024.