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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Sein System.

So weit sind die Herren im Vorteil: kein Kunstschriftsteller, dem es um
die Sache Ernst ist, wird sich durch dergleichen kindische Angriffe beirren lassen.
Wenn sie etwas Gutes hervorbringen, werden sie Lob ernten, im entgegen¬
gesetzten Falle Tadel, nicht mehr und nicht weniger, als ob die famose Erklärung
ungedruckt geblieben wäre. Und vielleicht hat der Vorfall in andrer Beziehung
sogar sein Gutes. Künstler wie Adolf Menzel, Krams, Schröder, Gussow :c.
werden, wenn ihr Blut sich wieder beruhigt hat, hoffentlich zu der Einsicht
kommen, in wie hohem Grade sie den ernsten, ehrenhaften, unparteiischen Kri¬
tikern, zu denen unbestritten Adolf Rosenberg gehört, verpflichtet sind, wenn
sie die verdiente Anerkennung genießen; sie werden sich sagen, daß ihr Pronun-
zicimento höchstens die Meinung hervorrufen kann, die Hunderte von Berliner
Künstlern, welche nicht mit unterschrieben haben, würden wirklich von Rosen¬
bergs Bemerkungen persönlich getroffen. Und dann werden sie es künftig andern
überlassen, mit der Feder sich zu versuchen, wenn der Pinsel nicht die gewünschten
Dienste leistet.




Sein System.

emeint ist natürlich das System des berühmten Inhabers des Woll¬
regimes, des Herrn Professor Jäger, und zwar -- das ..System."
Ueber die Annehmlichkeit oder den Nutzen der wollenen Kleider wollen
wir nicht streiten, wir haben auf größern Reisen selbst welche ge¬
tragen, und überlassen es jedem, anzuziehen, was er will, und dafür
zu bezahlen, soviel Herr Professor Jäger will. Uns interessirt das
"System," ohne welches in Deutschland nun einmal nicht durchzukommen ist, ohne
welches nicht einmal wollene Unterhosen verkauft werden können. Diesem tiefge¬
fühlten Bedürfnisse nach einen, "System" hat Herr Jäger in einem im vorigen
Jahre erschienenen Buches abgeholfen und uns so den Dienst erwiesen, uus über-
zeugen zu können, welche Dinge man unter dem Titel "wissenschaftliches System"
dem sogenannten gebildeten Publikum in Deutschland bieten darf. Es ist keines¬
wegs unsre Absicht, in nachfolgenden: eine Kritik des der Redaktion allen Ernstes
zur Rezension eingesandten Buches zu liefern oder uns mit dem Verfasser aus¬
einanderzusetzen; wir betrachten die Thatsache, daß ein solches Buch geschrieben, ge¬
druckt und -- gekauft wird, so wie seinerzeit Bamberger die Anomalien in der
Lohnbewegung, lediglich als ein "interessantes Phänomen."



*) Mein System. Zugleich vierte, völlig umgearbeitete Auflage von "Die (von die! sie)
Normnlbckleidung als Gesundheitsschutz." Von Dr. Gustav Jäger. Stuttgart, W. Kohl-
Hammer, I88S.
Sein System.

So weit sind die Herren im Vorteil: kein Kunstschriftsteller, dem es um
die Sache Ernst ist, wird sich durch dergleichen kindische Angriffe beirren lassen.
Wenn sie etwas Gutes hervorbringen, werden sie Lob ernten, im entgegen¬
gesetzten Falle Tadel, nicht mehr und nicht weniger, als ob die famose Erklärung
ungedruckt geblieben wäre. Und vielleicht hat der Vorfall in andrer Beziehung
sogar sein Gutes. Künstler wie Adolf Menzel, Krams, Schröder, Gussow :c.
werden, wenn ihr Blut sich wieder beruhigt hat, hoffentlich zu der Einsicht
kommen, in wie hohem Grade sie den ernsten, ehrenhaften, unparteiischen Kri¬
tikern, zu denen unbestritten Adolf Rosenberg gehört, verpflichtet sind, wenn
sie die verdiente Anerkennung genießen; sie werden sich sagen, daß ihr Pronun-
zicimento höchstens die Meinung hervorrufen kann, die Hunderte von Berliner
Künstlern, welche nicht mit unterschrieben haben, würden wirklich von Rosen¬
bergs Bemerkungen persönlich getroffen. Und dann werden sie es künftig andern
überlassen, mit der Feder sich zu versuchen, wenn der Pinsel nicht die gewünschten
Dienste leistet.




Sein System.

emeint ist natürlich das System des berühmten Inhabers des Woll¬
regimes, des Herrn Professor Jäger, und zwar — das ..System."
Ueber die Annehmlichkeit oder den Nutzen der wollenen Kleider wollen
wir nicht streiten, wir haben auf größern Reisen selbst welche ge¬
tragen, und überlassen es jedem, anzuziehen, was er will, und dafür
zu bezahlen, soviel Herr Professor Jäger will. Uns interessirt das
„System," ohne welches in Deutschland nun einmal nicht durchzukommen ist, ohne
welches nicht einmal wollene Unterhosen verkauft werden können. Diesem tiefge¬
fühlten Bedürfnisse nach einen, „System" hat Herr Jäger in einem im vorigen
Jahre erschienenen Buches abgeholfen und uns so den Dienst erwiesen, uus über-
zeugen zu können, welche Dinge man unter dem Titel „wissenschaftliches System"
dem sogenannten gebildeten Publikum in Deutschland bieten darf. Es ist keines¬
wegs unsre Absicht, in nachfolgenden: eine Kritik des der Redaktion allen Ernstes
zur Rezension eingesandten Buches zu liefern oder uns mit dem Verfasser aus¬
einanderzusetzen; wir betrachten die Thatsache, daß ein solches Buch geschrieben, ge¬
druckt und — gekauft wird, so wie seinerzeit Bamberger die Anomalien in der
Lohnbewegung, lediglich als ein „interessantes Phänomen."



*) Mein System. Zugleich vierte, völlig umgearbeitete Auflage von „Die (von die! sie)
Normnlbckleidung als Gesundheitsschutz." Von Dr. Gustav Jäger. Stuttgart, W. Kohl-
Hammer, I88S.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/182>, abgerufen am 03.07.2024.