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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Camoens.

du Senhor Manuel zuletzt gesehen, und wie ergeht es ihm und seiner jungen
Gemahlin?

Ich denke glücklich, Senhor! rief der junge Soldat lachend. Vor einem
Vierteljahre, da ich Pencdo verließ, hatten wir ein seltenes Fest: Omar, der
stumme Mohr des Marokkoprinzen, mit welchem wir drüben ins Feld ziehen
werden, hatte einen Anfall auf Donna Esmah, unsers Herrn schöne junge Frau,
unternommen, und Senhor Manuel ließ den schwarzen Schuft an die dürre
Korkeiche hangen, welche an der Straße nach Cintra steht! Seitdem ist die
Schloßherrin sicher und Senhor Manuel vergnügt. Doch Ihr seht, Herr, die
Bootsleute werden ungeduldig!

schwatz du und der Teufel! sagte der Hauptmann des Trupps, der mit
entblößtem Degen die Einschiffung seiner Leute überwachte und dem redseligen
Fernau einen leichten Schlag mit der flachen Klinge versetzte. Steig ein, Bursche,
und du dahinten gleichfalls. Wir müssen rasch hinweg, dort kommen die
Schaluppen, die Seine Majestät und ihr Gefolge zum Hauptschiffe hinüberführen
sollen!

Camoens nickte dem jungen Krieger noch einmal freundlich zu, eine Mi¬
nute später stießen die gefüllten Boote schon ab, wahrend andre, die mit den
besten Bootsleuten der Flotte besetzt waren, zur Aufnahme des Königs und
seiner glänzenden Umgebung an die große mittlere. Ufertreppe heranführen.
Camoens wollte des Augenblicks, in welchem der König den Fuß vom Boden
seines Landes hinwegsetzte, nicht verlustig gehen, besann sich auch, daß er Tellez
Alucita Lebewohl zu sagen habe. Die dunkle Ordenstracht des Priesters hatte
er schon längst zwischen den prächtig leuchtenden Wämsern und den hellblitzenden
Harnischen entdeckt, die den König umringten. Er trat von dem erhöhten
Steine, auf dem er gestanden, herab und legte die wenigen Schritte bis in die
Nähe des Königs und seines Kreises ungehindert zurück. Die Augen der Tau¬
sende von Zuschauern waren, in atemloser Spannung, alle auf die Gruppe ge¬
richtet, welcher der Dichter zustrebte. Der Lärm, der Camoens umbraust hatte,
verstummte mit einemmale, ein Schauer der Stille ging durch die erregten
Massen, selbst auf den Schiffen der Flotte schwieg das Getöse, ehrfurchtsvoll
entblößten sich Tausende von Häuptern. Auch Camoens hatte den Hut ab¬
genommen und hob die Hand zum Auge, um sich vor dem blendenden Lichte
zu schützen; er merkte erst jetzt, in diesem feierliche" Schweigen, daß die
Sonne heiß brenne und er todmatt sei. Sein Blick suchte Tellez Alucita
lind kehrte doch wieder rasch zum König zurück, auf dessen Gesicht der
träumerisch glückliche Ausdruck noch sichtbar war, welchen Camoens vorhin
wahrgenommen hatte. Indem Dom Sebastian ins Boot stieg, ans welchem
ihm Admiral Casalinho, der das Königsschiff der Flotte führte, die Hand reichte,
wandte er sich noch einmal nach dem Ufer, um deu tausendstimmiger Zurufen
zu danken, welche jetzt von allen Seiten lenkt wurden. Ungeduldig gab er zu-


Camoens.

du Senhor Manuel zuletzt gesehen, und wie ergeht es ihm und seiner jungen
Gemahlin?

Ich denke glücklich, Senhor! rief der junge Soldat lachend. Vor einem
Vierteljahre, da ich Pencdo verließ, hatten wir ein seltenes Fest: Omar, der
stumme Mohr des Marokkoprinzen, mit welchem wir drüben ins Feld ziehen
werden, hatte einen Anfall auf Donna Esmah, unsers Herrn schöne junge Frau,
unternommen, und Senhor Manuel ließ den schwarzen Schuft an die dürre
Korkeiche hangen, welche an der Straße nach Cintra steht! Seitdem ist die
Schloßherrin sicher und Senhor Manuel vergnügt. Doch Ihr seht, Herr, die
Bootsleute werden ungeduldig!

schwatz du und der Teufel! sagte der Hauptmann des Trupps, der mit
entblößtem Degen die Einschiffung seiner Leute überwachte und dem redseligen
Fernau einen leichten Schlag mit der flachen Klinge versetzte. Steig ein, Bursche,
und du dahinten gleichfalls. Wir müssen rasch hinweg, dort kommen die
Schaluppen, die Seine Majestät und ihr Gefolge zum Hauptschiffe hinüberführen
sollen!

Camoens nickte dem jungen Krieger noch einmal freundlich zu, eine Mi¬
nute später stießen die gefüllten Boote schon ab, wahrend andre, die mit den
besten Bootsleuten der Flotte besetzt waren, zur Aufnahme des Königs und
seiner glänzenden Umgebung an die große mittlere. Ufertreppe heranführen.
Camoens wollte des Augenblicks, in welchem der König den Fuß vom Boden
seines Landes hinwegsetzte, nicht verlustig gehen, besann sich auch, daß er Tellez
Alucita Lebewohl zu sagen habe. Die dunkle Ordenstracht des Priesters hatte
er schon längst zwischen den prächtig leuchtenden Wämsern und den hellblitzenden
Harnischen entdeckt, die den König umringten. Er trat von dem erhöhten
Steine, auf dem er gestanden, herab und legte die wenigen Schritte bis in die
Nähe des Königs und seines Kreises ungehindert zurück. Die Augen der Tau¬
sende von Zuschauern waren, in atemloser Spannung, alle auf die Gruppe ge¬
richtet, welcher der Dichter zustrebte. Der Lärm, der Camoens umbraust hatte,
verstummte mit einemmale, ein Schauer der Stille ging durch die erregten
Massen, selbst auf den Schiffen der Flotte schwieg das Getöse, ehrfurchtsvoll
entblößten sich Tausende von Häuptern. Auch Camoens hatte den Hut ab¬
genommen und hob die Hand zum Auge, um sich vor dem blendenden Lichte
zu schützen; er merkte erst jetzt, in diesem feierliche» Schweigen, daß die
Sonne heiß brenne und er todmatt sei. Sein Blick suchte Tellez Alucita
lind kehrte doch wieder rasch zum König zurück, auf dessen Gesicht der
träumerisch glückliche Ausdruck noch sichtbar war, welchen Camoens vorhin
wahrgenommen hatte. Indem Dom Sebastian ins Boot stieg, ans welchem
ihm Admiral Casalinho, der das Königsschiff der Flotte führte, die Hand reichte,
wandte er sich noch einmal nach dem Ufer, um deu tausendstimmiger Zurufen
zu danken, welche jetzt von allen Seiten lenkt wurden. Ungeduldig gab er zu-


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[0146] Camoens. du Senhor Manuel zuletzt gesehen, und wie ergeht es ihm und seiner jungen Gemahlin? Ich denke glücklich, Senhor! rief der junge Soldat lachend. Vor einem Vierteljahre, da ich Pencdo verließ, hatten wir ein seltenes Fest: Omar, der stumme Mohr des Marokkoprinzen, mit welchem wir drüben ins Feld ziehen werden, hatte einen Anfall auf Donna Esmah, unsers Herrn schöne junge Frau, unternommen, und Senhor Manuel ließ den schwarzen Schuft an die dürre Korkeiche hangen, welche an der Straße nach Cintra steht! Seitdem ist die Schloßherrin sicher und Senhor Manuel vergnügt. Doch Ihr seht, Herr, die Bootsleute werden ungeduldig! schwatz du und der Teufel! sagte der Hauptmann des Trupps, der mit entblößtem Degen die Einschiffung seiner Leute überwachte und dem redseligen Fernau einen leichten Schlag mit der flachen Klinge versetzte. Steig ein, Bursche, und du dahinten gleichfalls. Wir müssen rasch hinweg, dort kommen die Schaluppen, die Seine Majestät und ihr Gefolge zum Hauptschiffe hinüberführen sollen! Camoens nickte dem jungen Krieger noch einmal freundlich zu, eine Mi¬ nute später stießen die gefüllten Boote schon ab, wahrend andre, die mit den besten Bootsleuten der Flotte besetzt waren, zur Aufnahme des Königs und seiner glänzenden Umgebung an die große mittlere. Ufertreppe heranführen. Camoens wollte des Augenblicks, in welchem der König den Fuß vom Boden seines Landes hinwegsetzte, nicht verlustig gehen, besann sich auch, daß er Tellez Alucita Lebewohl zu sagen habe. Die dunkle Ordenstracht des Priesters hatte er schon längst zwischen den prächtig leuchtenden Wämsern und den hellblitzenden Harnischen entdeckt, die den König umringten. Er trat von dem erhöhten Steine, auf dem er gestanden, herab und legte die wenigen Schritte bis in die Nähe des Königs und seines Kreises ungehindert zurück. Die Augen der Tau¬ sende von Zuschauern waren, in atemloser Spannung, alle auf die Gruppe ge¬ richtet, welcher der Dichter zustrebte. Der Lärm, der Camoens umbraust hatte, verstummte mit einemmale, ein Schauer der Stille ging durch die erregten Massen, selbst auf den Schiffen der Flotte schwieg das Getöse, ehrfurchtsvoll entblößten sich Tausende von Häuptern. Auch Camoens hatte den Hut ab¬ genommen und hob die Hand zum Auge, um sich vor dem blendenden Lichte zu schützen; er merkte erst jetzt, in diesem feierliche» Schweigen, daß die Sonne heiß brenne und er todmatt sei. Sein Blick suchte Tellez Alucita lind kehrte doch wieder rasch zum König zurück, auf dessen Gesicht der träumerisch glückliche Ausdruck noch sichtbar war, welchen Camoens vorhin wahrgenommen hatte. Indem Dom Sebastian ins Boot stieg, ans welchem ihm Admiral Casalinho, der das Königsschiff der Flotte führte, die Hand reichte, wandte er sich noch einmal nach dem Ufer, um deu tausendstimmiger Zurufen zu danken, welche jetzt von allen Seiten lenkt wurden. Ungeduldig gab er zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/146>, abgerufen am 22.07.2024.