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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Einfamilienhäuser und großstädtische Villen.

Speicher- und Kelleranlage, hübschen, vollständig bepflanzten Gärten u, s. w.
für 15 000 Mark hergestellt werde"; jetzt freilich würde dies nicht mehr möglich
sein, aber Friedenau ist auch der entschieden am meisten Annehmlichkeiten und
Vorteile bietende und weitaus nächste Villenvorort bei Berlin. Wer bekommt
in den bessern Teilen Berlins eine derartige Wohnung für weniger als tausend
Mark? Je höher hinauf, desto leichter gestaltet sich die Sache. Wer in unsern
Großstädten eine Miete von 1800 bis 2400 Mark zahlt und dafür zehn bis
zwölf Zimmer in zweiter Etage hat (in Berlin bekommt er für diesen Preis
kaum in dritter Etage und in Straßen zweiten bis dritten Ranges eine solche
Wohnung!), der kann für das entsprechende Kapital von 30--33 000 Mark
eine stattliche Villa mit großem Garten kaufen oder errichten (in Berlin muß
er dann freilich schon in den zweiten bis dritten Vorortring hinaus, oder er
muß mit einer bedeutend bescheidenem Villa vorlieb nehmen). Durchaus möglich
ist die Sache also, und auch die Geldbeschaffung wird meist nicht zu schwer sein.
Allerdings nimmt man an, daß ein Mann, der sich in ein derartiges Unter¬
nehmen einläßt, über einen kleinen Baarfonds verfüge und auch während der
Bauperiode aus eignem noch einige Zuschüsse leisten könne; selbst bei dem
Arbeiter setzt man dies voraus, und mit Recht. Wer stets nur knapp aus¬
gekommen und ganz und gar nicht imstande gewesen ist, etwas anzusammeln, möge
dies eigne Schuld sein oder wirklich in absolutem Zwang der Umstände seine
Rechtfertigung finden, für den ist diese Sache nicht. Wir unserseits sind freilich
der Meinung, daß, sofern der Gedanke an spätere Erwerbung eines kleinen Heims
einen Anreiz zum sparen bildet, der sonst nicht vorhanden gewesen wäre, dies
nnr zur weitern Empfehlung der ganzen Idee dienen könnte, und daß trotz
allem viele Leute, wenn sie nur recht ernstlich wollten, auch können würden.
Eine Schwierigkeit liegt auch hier in den Entfernungen; für mittlere Beamte
und Leute in ähnlicher Lebenslage würde meist die Zumutung, eine halbe bis drei¬
viertel Stunde täglich zweimal zu Fuß zurückzulegen (oder gar, wenn man durch¬
aus nicht imstande ist, sich an die einzig zweckmäßige englische Einteilung des TageL
zu gewöhnen, viermal), zu groß sein. Indessen wo eine allgemeine Strömung aus
den Mietkasernen hinaus in die Umgebung der Städte stattfindet, da werden
sich meist auch Pferdebahnen und ähnliche Verkchrsgclegcnheiten schnell genug
einstellen, und wer weiß? vielleicht entwickelt sich die Nadreiterci (zu deutsch
Velocipcdsport) noch in einer Weise, welche diese Schwierigkeit auf ein Minimum
reduzirt. Was vollends die nötigsten Handwerke sowie Viktualienhandlnngen
u. dergl. betrifft, so pflegen dieselben den Villenbesitzern meist schneller und
ausgiebiger zu folgen, als diesen lieb ist. Wer freilich das Umherflaniren auf
den Trottoirs für eine der ersten Bedingungen menschenwürdigen Daseins hält,
dem ist auf diesem Wege nicht zu helfen.

Ohne Zweifel liegt für viele Leute ein Bedenken darin, daß sie sich nicht dnrch
Grundbesitz zu sehr an einen Ort binden wollen, weil im Fall eines möglichen


Einfamilienhäuser und großstädtische Villen.

Speicher- und Kelleranlage, hübschen, vollständig bepflanzten Gärten u, s. w.
für 15 000 Mark hergestellt werde»; jetzt freilich würde dies nicht mehr möglich
sein, aber Friedenau ist auch der entschieden am meisten Annehmlichkeiten und
Vorteile bietende und weitaus nächste Villenvorort bei Berlin. Wer bekommt
in den bessern Teilen Berlins eine derartige Wohnung für weniger als tausend
Mark? Je höher hinauf, desto leichter gestaltet sich die Sache. Wer in unsern
Großstädten eine Miete von 1800 bis 2400 Mark zahlt und dafür zehn bis
zwölf Zimmer in zweiter Etage hat (in Berlin bekommt er für diesen Preis
kaum in dritter Etage und in Straßen zweiten bis dritten Ranges eine solche
Wohnung!), der kann für das entsprechende Kapital von 30—33 000 Mark
eine stattliche Villa mit großem Garten kaufen oder errichten (in Berlin muß
er dann freilich schon in den zweiten bis dritten Vorortring hinaus, oder er
muß mit einer bedeutend bescheidenem Villa vorlieb nehmen). Durchaus möglich
ist die Sache also, und auch die Geldbeschaffung wird meist nicht zu schwer sein.
Allerdings nimmt man an, daß ein Mann, der sich in ein derartiges Unter¬
nehmen einläßt, über einen kleinen Baarfonds verfüge und auch während der
Bauperiode aus eignem noch einige Zuschüsse leisten könne; selbst bei dem
Arbeiter setzt man dies voraus, und mit Recht. Wer stets nur knapp aus¬
gekommen und ganz und gar nicht imstande gewesen ist, etwas anzusammeln, möge
dies eigne Schuld sein oder wirklich in absolutem Zwang der Umstände seine
Rechtfertigung finden, für den ist diese Sache nicht. Wir unserseits sind freilich
der Meinung, daß, sofern der Gedanke an spätere Erwerbung eines kleinen Heims
einen Anreiz zum sparen bildet, der sonst nicht vorhanden gewesen wäre, dies
nnr zur weitern Empfehlung der ganzen Idee dienen könnte, und daß trotz
allem viele Leute, wenn sie nur recht ernstlich wollten, auch können würden.
Eine Schwierigkeit liegt auch hier in den Entfernungen; für mittlere Beamte
und Leute in ähnlicher Lebenslage würde meist die Zumutung, eine halbe bis drei¬
viertel Stunde täglich zweimal zu Fuß zurückzulegen (oder gar, wenn man durch¬
aus nicht imstande ist, sich an die einzig zweckmäßige englische Einteilung des TageL
zu gewöhnen, viermal), zu groß sein. Indessen wo eine allgemeine Strömung aus
den Mietkasernen hinaus in die Umgebung der Städte stattfindet, da werden
sich meist auch Pferdebahnen und ähnliche Verkchrsgclegcnheiten schnell genug
einstellen, und wer weiß? vielleicht entwickelt sich die Nadreiterci (zu deutsch
Velocipcdsport) noch in einer Weise, welche diese Schwierigkeit auf ein Minimum
reduzirt. Was vollends die nötigsten Handwerke sowie Viktualienhandlnngen
u. dergl. betrifft, so pflegen dieselben den Villenbesitzern meist schneller und
ausgiebiger zu folgen, als diesen lieb ist. Wer freilich das Umherflaniren auf
den Trottoirs für eine der ersten Bedingungen menschenwürdigen Daseins hält,
dem ist auf diesem Wege nicht zu helfen.

Ohne Zweifel liegt für viele Leute ein Bedenken darin, daß sie sich nicht dnrch
Grundbesitz zu sehr an einen Ort binden wollen, weil im Fall eines möglichen


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[0123] Einfamilienhäuser und großstädtische Villen. Speicher- und Kelleranlage, hübschen, vollständig bepflanzten Gärten u, s. w. für 15 000 Mark hergestellt werde»; jetzt freilich würde dies nicht mehr möglich sein, aber Friedenau ist auch der entschieden am meisten Annehmlichkeiten und Vorteile bietende und weitaus nächste Villenvorort bei Berlin. Wer bekommt in den bessern Teilen Berlins eine derartige Wohnung für weniger als tausend Mark? Je höher hinauf, desto leichter gestaltet sich die Sache. Wer in unsern Großstädten eine Miete von 1800 bis 2400 Mark zahlt und dafür zehn bis zwölf Zimmer in zweiter Etage hat (in Berlin bekommt er für diesen Preis kaum in dritter Etage und in Straßen zweiten bis dritten Ranges eine solche Wohnung!), der kann für das entsprechende Kapital von 30—33 000 Mark eine stattliche Villa mit großem Garten kaufen oder errichten (in Berlin muß er dann freilich schon in den zweiten bis dritten Vorortring hinaus, oder er muß mit einer bedeutend bescheidenem Villa vorlieb nehmen). Durchaus möglich ist die Sache also, und auch die Geldbeschaffung wird meist nicht zu schwer sein. Allerdings nimmt man an, daß ein Mann, der sich in ein derartiges Unter¬ nehmen einläßt, über einen kleinen Baarfonds verfüge und auch während der Bauperiode aus eignem noch einige Zuschüsse leisten könne; selbst bei dem Arbeiter setzt man dies voraus, und mit Recht. Wer stets nur knapp aus¬ gekommen und ganz und gar nicht imstande gewesen ist, etwas anzusammeln, möge dies eigne Schuld sein oder wirklich in absolutem Zwang der Umstände seine Rechtfertigung finden, für den ist diese Sache nicht. Wir unserseits sind freilich der Meinung, daß, sofern der Gedanke an spätere Erwerbung eines kleinen Heims einen Anreiz zum sparen bildet, der sonst nicht vorhanden gewesen wäre, dies nnr zur weitern Empfehlung der ganzen Idee dienen könnte, und daß trotz allem viele Leute, wenn sie nur recht ernstlich wollten, auch können würden. Eine Schwierigkeit liegt auch hier in den Entfernungen; für mittlere Beamte und Leute in ähnlicher Lebenslage würde meist die Zumutung, eine halbe bis drei¬ viertel Stunde täglich zweimal zu Fuß zurückzulegen (oder gar, wenn man durch¬ aus nicht imstande ist, sich an die einzig zweckmäßige englische Einteilung des TageL zu gewöhnen, viermal), zu groß sein. Indessen wo eine allgemeine Strömung aus den Mietkasernen hinaus in die Umgebung der Städte stattfindet, da werden sich meist auch Pferdebahnen und ähnliche Verkchrsgclegcnheiten schnell genug einstellen, und wer weiß? vielleicht entwickelt sich die Nadreiterci (zu deutsch Velocipcdsport) noch in einer Weise, welche diese Schwierigkeit auf ein Minimum reduzirt. Was vollends die nötigsten Handwerke sowie Viktualienhandlnngen u. dergl. betrifft, so pflegen dieselben den Villenbesitzern meist schneller und ausgiebiger zu folgen, als diesen lieb ist. Wer freilich das Umherflaniren auf den Trottoirs für eine der ersten Bedingungen menschenwürdigen Daseins hält, dem ist auf diesem Wege nicht zu helfen. Ohne Zweifel liegt für viele Leute ein Bedenken darin, daß sie sich nicht dnrch Grundbesitz zu sehr an einen Ort binden wollen, weil im Fall eines möglichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/123>, abgerufen am 22.07.2024.