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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Einfamilienhäuser und großstädtische Villen.

Besitztum zu, so steigert sich diese Wirkung natürlich, je höher die gesellschaft¬
liche Stufe und je wertvoller das in Frage stehende Eigentum wird. Es trifft
ja leider nur zu oft zu, daß zwischen den gesellschaftlichen Ansprüchen vieler
Leute -- so namentlich der mittleren Beamtenklassen -- und ihrer wirklichen
pekuniären Lage eine unbehagliche Differenz obwaltet, die recht häufig auch bitter
empfunden und in allerhand gesellschaftlichen Scheidungen ?c. zum Ausdrucke
gebracht wird, ohne daß ein Mensch hieran sonderliche Freude hätte. Ein
sicherer Besitz würde diese Differenz sehr mildern und die Beziehungen dieser
Leute zu den ortsansässigen Bürgern und Bauern -- die nun doch einmal,
möge man sich zuweilen noch so sehr in geringschätzigen Äußerungen über sie
ergehen, kommunal und gesellschaftlich das Heft in der Hand zu haben pflegen --
ganz anders gestalten. Welcher Segen es für die Kinder dieser Klasse von Leuten
wäre, auf ein gesichertes, ja meist im Werte steigendes Erbe rechnen zu dürfen,
braucht Wohl nur angedeutet zu werden. Die Probe auf das Exempel stimmt
also; das Einfamilienhaus würde, sowohl für die Arbeiter wie für viele besser
situirteu Familien, in allen den Punkten schwerwiegende Vorteile an die Hand
geben, in denen die Mietkaserne nachteilige Wirkungen entfaltet. Die Frage ist
nun nur noch: Ist die Sache möglich, und inwieweit ist sie es?

Um ausführbar zu sein, muß das Einfamilienhaus im bestimmten Falle
folgenden Aufforderungen entsprechen: es muß für einen Preis herstellbar sein,
der mindestens nicht höher ist, als die Kapitalisiruug des bisher bezahlten Miet¬
preises ausmacht, und in den Zinsen muß dann sogar noch eine nicht zu
niedrige Amortisationsquote stecken; es muß eine Lage haben, die den Er-
werbern die Gelangung zu ihren regelmäßigen Arbeitsstätten nicht zu sehr er¬
schwert; niemand muß sich beteiligen, dem die Lust und Liebe zu eignem
Hause und Garten und die Fähigkeit oder Neigung, sich den hiermit verbundnen
Geschäften widmen zu können, gänzlich mangelt; es muß überhaupt eine gewisse
allgemeine Strömung der Sache entgegen kommen, da sonst die zweckmäßigste
Art der Anlage sich zu schwer ausbildet, die nötigen Kapitalien sich nur sehr
mühsam auftreiben lassen, die Verbindungen zu mangelhaft bleiben, auch die
Wertstcigeruug (ein wichtiger Faktor wegen der Eigenschaft als Erbe, die das
zu schaffende Besitztum haben soll) sich zu langsam vollzieht. Betrachten wir
diese Punkte der Reihe nach, wobei es jedoch unvermeidlich ist, die Betrachtung
mehrfach auf andre Punkte überspringen zu lassen.

Der Mietpreis ist ja in den verschiednen Städten und Gegenden Deutsch¬
lands ein außerordentlich verschiedner, indessen läßt sich für unsre größern Städte,
sowie unsre Jndustriebezirke ein Durchschnittssatz herausfinden, welcher genügen
dürfte, um damit zu operiren. Der niedrigste Mietpreis für Familien, welche für
den großen sozialen Schritt zu eignem Heim qualifizirt siud, mag auf 150--180
Mark angenommen werden. Es müßte hiernach also für 3000 Mark ein ge¬
eignetes Grundstück (doch nicht weniger als Morgen) erworben und ein kleines


Grenzboten NI, 1836. 15
Einfamilienhäuser und großstädtische Villen.

Besitztum zu, so steigert sich diese Wirkung natürlich, je höher die gesellschaft¬
liche Stufe und je wertvoller das in Frage stehende Eigentum wird. Es trifft
ja leider nur zu oft zu, daß zwischen den gesellschaftlichen Ansprüchen vieler
Leute — so namentlich der mittleren Beamtenklassen — und ihrer wirklichen
pekuniären Lage eine unbehagliche Differenz obwaltet, die recht häufig auch bitter
empfunden und in allerhand gesellschaftlichen Scheidungen ?c. zum Ausdrucke
gebracht wird, ohne daß ein Mensch hieran sonderliche Freude hätte. Ein
sicherer Besitz würde diese Differenz sehr mildern und die Beziehungen dieser
Leute zu den ortsansässigen Bürgern und Bauern — die nun doch einmal,
möge man sich zuweilen noch so sehr in geringschätzigen Äußerungen über sie
ergehen, kommunal und gesellschaftlich das Heft in der Hand zu haben pflegen —
ganz anders gestalten. Welcher Segen es für die Kinder dieser Klasse von Leuten
wäre, auf ein gesichertes, ja meist im Werte steigendes Erbe rechnen zu dürfen,
braucht Wohl nur angedeutet zu werden. Die Probe auf das Exempel stimmt
also; das Einfamilienhaus würde, sowohl für die Arbeiter wie für viele besser
situirteu Familien, in allen den Punkten schwerwiegende Vorteile an die Hand
geben, in denen die Mietkaserne nachteilige Wirkungen entfaltet. Die Frage ist
nun nur noch: Ist die Sache möglich, und inwieweit ist sie es?

Um ausführbar zu sein, muß das Einfamilienhaus im bestimmten Falle
folgenden Aufforderungen entsprechen: es muß für einen Preis herstellbar sein,
der mindestens nicht höher ist, als die Kapitalisiruug des bisher bezahlten Miet¬
preises ausmacht, und in den Zinsen muß dann sogar noch eine nicht zu
niedrige Amortisationsquote stecken; es muß eine Lage haben, die den Er-
werbern die Gelangung zu ihren regelmäßigen Arbeitsstätten nicht zu sehr er¬
schwert; niemand muß sich beteiligen, dem die Lust und Liebe zu eignem
Hause und Garten und die Fähigkeit oder Neigung, sich den hiermit verbundnen
Geschäften widmen zu können, gänzlich mangelt; es muß überhaupt eine gewisse
allgemeine Strömung der Sache entgegen kommen, da sonst die zweckmäßigste
Art der Anlage sich zu schwer ausbildet, die nötigen Kapitalien sich nur sehr
mühsam auftreiben lassen, die Verbindungen zu mangelhaft bleiben, auch die
Wertstcigeruug (ein wichtiger Faktor wegen der Eigenschaft als Erbe, die das
zu schaffende Besitztum haben soll) sich zu langsam vollzieht. Betrachten wir
diese Punkte der Reihe nach, wobei es jedoch unvermeidlich ist, die Betrachtung
mehrfach auf andre Punkte überspringen zu lassen.

Der Mietpreis ist ja in den verschiednen Städten und Gegenden Deutsch¬
lands ein außerordentlich verschiedner, indessen läßt sich für unsre größern Städte,
sowie unsre Jndustriebezirke ein Durchschnittssatz herausfinden, welcher genügen
dürfte, um damit zu operiren. Der niedrigste Mietpreis für Familien, welche für
den großen sozialen Schritt zu eignem Heim qualifizirt siud, mag auf 150—180
Mark angenommen werden. Es müßte hiernach also für 3000 Mark ein ge¬
eignetes Grundstück (doch nicht weniger als Morgen) erworben und ein kleines


Grenzboten NI, 1836. 15
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[0121] Einfamilienhäuser und großstädtische Villen. Besitztum zu, so steigert sich diese Wirkung natürlich, je höher die gesellschaft¬ liche Stufe und je wertvoller das in Frage stehende Eigentum wird. Es trifft ja leider nur zu oft zu, daß zwischen den gesellschaftlichen Ansprüchen vieler Leute — so namentlich der mittleren Beamtenklassen — und ihrer wirklichen pekuniären Lage eine unbehagliche Differenz obwaltet, die recht häufig auch bitter empfunden und in allerhand gesellschaftlichen Scheidungen ?c. zum Ausdrucke gebracht wird, ohne daß ein Mensch hieran sonderliche Freude hätte. Ein sicherer Besitz würde diese Differenz sehr mildern und die Beziehungen dieser Leute zu den ortsansässigen Bürgern und Bauern — die nun doch einmal, möge man sich zuweilen noch so sehr in geringschätzigen Äußerungen über sie ergehen, kommunal und gesellschaftlich das Heft in der Hand zu haben pflegen — ganz anders gestalten. Welcher Segen es für die Kinder dieser Klasse von Leuten wäre, auf ein gesichertes, ja meist im Werte steigendes Erbe rechnen zu dürfen, braucht Wohl nur angedeutet zu werden. Die Probe auf das Exempel stimmt also; das Einfamilienhaus würde, sowohl für die Arbeiter wie für viele besser situirteu Familien, in allen den Punkten schwerwiegende Vorteile an die Hand geben, in denen die Mietkaserne nachteilige Wirkungen entfaltet. Die Frage ist nun nur noch: Ist die Sache möglich, und inwieweit ist sie es? Um ausführbar zu sein, muß das Einfamilienhaus im bestimmten Falle folgenden Aufforderungen entsprechen: es muß für einen Preis herstellbar sein, der mindestens nicht höher ist, als die Kapitalisiruug des bisher bezahlten Miet¬ preises ausmacht, und in den Zinsen muß dann sogar noch eine nicht zu niedrige Amortisationsquote stecken; es muß eine Lage haben, die den Er- werbern die Gelangung zu ihren regelmäßigen Arbeitsstätten nicht zu sehr er¬ schwert; niemand muß sich beteiligen, dem die Lust und Liebe zu eignem Hause und Garten und die Fähigkeit oder Neigung, sich den hiermit verbundnen Geschäften widmen zu können, gänzlich mangelt; es muß überhaupt eine gewisse allgemeine Strömung der Sache entgegen kommen, da sonst die zweckmäßigste Art der Anlage sich zu schwer ausbildet, die nötigen Kapitalien sich nur sehr mühsam auftreiben lassen, die Verbindungen zu mangelhaft bleiben, auch die Wertstcigeruug (ein wichtiger Faktor wegen der Eigenschaft als Erbe, die das zu schaffende Besitztum haben soll) sich zu langsam vollzieht. Betrachten wir diese Punkte der Reihe nach, wobei es jedoch unvermeidlich ist, die Betrachtung mehrfach auf andre Punkte überspringen zu lassen. Der Mietpreis ist ja in den verschiednen Städten und Gegenden Deutsch¬ lands ein außerordentlich verschiedner, indessen läßt sich für unsre größern Städte, sowie unsre Jndustriebezirke ein Durchschnittssatz herausfinden, welcher genügen dürfte, um damit zu operiren. Der niedrigste Mietpreis für Familien, welche für den großen sozialen Schritt zu eignem Heim qualifizirt siud, mag auf 150—180 Mark angenommen werden. Es müßte hiernach also für 3000 Mark ein ge¬ eignetes Grundstück (doch nicht weniger als Morgen) erworben und ein kleines Grenzboten NI, 1836. 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/121>, abgerufen am 22.07.2024.