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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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"Lamoens.

wackere Edelmann hatte auf dem Wege bis in das letzte der mäßig erhellten
Zimmer manchen ehemaligen Kampfgefährten, manchen Gutsnachbar begrüßt,
der gleichfalls Luft schöpfe" wollte. Wenn er dennoch allein zu sein strebte,
so war es nur, um den Fragen nach dem Freunde auszuweichen, der vor einer
Stunde mit ihm in den Königssaal eingetreten war und den er umsonst mit
sich aus dem Glänze und Geschwirr der großen Versammlung in diese Ein¬
samkeit zu ziehen versucht hatte.

Beide Freunde hatten vorhin den König und die Gräfin Palmeirim seit
dem Morgen bei Joanas Hütte zum erstenmale wiedergesehen, Dom Sebastian
hatte Barreto mit kühler Gelassenheit, Camoens jedoch mit seinem gnädigsten
Kopfnicken begrüßt und noch während des Handkusses lachend zu dem Dichter
gesagt: Du siehst, Senhor Luis, ich habe Donna Catarina glücklich durch alle
Wetter heimgcleitet. Man hat mir berichtet, daß du während des schlimmen
Nachmittages aus Sorge um die Gräfin schier von Sinnen gewesen bist! Dort
ist sie -- schöner als je, also entrunzle deine Stirn und bringe ihr deine
Huldigung! Dabei hatte der König auf das schöne Mädchen gedeutet, das,
wiederum an der Seite der Herzogin, in der ersten Reihe der Damen saß,
Camoens hatte ohne Zögern Catarina begrüßt und dann atemlos ihrer Er¬
zählung von dem Heimritt gelauscht. Er war so in dem Augenblicke befangen
gewesen, daß erst der hinzutretende Barreto die Nächstliegende Frage nach Esmahs
Ergehen gethan hatte. Auch dann war es Barreto nicht gelungen, Camoens
von den Augen Catarinas loszureißen, wieder und wieder hatte es den Dichter
in die Nähe der Gräfin gezogen, und noch eben jetzt hatte er die Aufforderung
Barretos: Kommt, kommt, Luis -- laßt uns einen frischen Atemzug thun! voll¬
ständig überhört. Senhor Manuel hatte sich unmutig und allein nach den
Hinterzimmern am Hofe der Trabanten begeben und lauschte nun hier bald auf
das Rauschen des Brunnens draußen, bald auf das gleichmäßige Geräusch ferner
Stimmen und auf die vereinzelten Schritte, welche über die Marmorfnßböden
der benachbarten Gemächer klangen. In der Stille, die um ihn herrschte, sann
er über die jüngsten Erlebnisse nach und gestand sich mit Sorge, daß ihm seit
Jahren die nächste Zukunft nicht so dunkel erschienen sei als heute.

Viel Zeit ward Manuel Barreto in dieser Stille nicht gegönnt. Indem
er, auf den plätschernden Brunnen hinausblickend, noch darüber nachsann, ob
der heutige Abend wohl geeignet sei, sich die Erlaubnis zu seiner Heimkehr vom
Könige zu erbitten, vernahm er hinter sich Stimmen, von denen er wenigstens
die eine, die des Priors von Belem, Wohl kannte. Dom Joao erschien mit Tellez
Alucita und mehreren andern Priestern des königlichen Haushaltes und mit
einem Edelmanne, den Barreto gleichfalls schon in der Umgebung Dom Se¬
bastians gesehen zu haben glaubte. Wenige Schritte von der Schwelle blieb
der Prior stehen, sein mißmutiges Gesicht und ein paar flüchtige Worte zu
seinen Begleiter" verrieten, daß er darauf gerechnet hatte, dieses Gemach leer


«Lamoens.

wackere Edelmann hatte auf dem Wege bis in das letzte der mäßig erhellten
Zimmer manchen ehemaligen Kampfgefährten, manchen Gutsnachbar begrüßt,
der gleichfalls Luft schöpfe» wollte. Wenn er dennoch allein zu sein strebte,
so war es nur, um den Fragen nach dem Freunde auszuweichen, der vor einer
Stunde mit ihm in den Königssaal eingetreten war und den er umsonst mit
sich aus dem Glänze und Geschwirr der großen Versammlung in diese Ein¬
samkeit zu ziehen versucht hatte.

Beide Freunde hatten vorhin den König und die Gräfin Palmeirim seit
dem Morgen bei Joanas Hütte zum erstenmale wiedergesehen, Dom Sebastian
hatte Barreto mit kühler Gelassenheit, Camoens jedoch mit seinem gnädigsten
Kopfnicken begrüßt und noch während des Handkusses lachend zu dem Dichter
gesagt: Du siehst, Senhor Luis, ich habe Donna Catarina glücklich durch alle
Wetter heimgcleitet. Man hat mir berichtet, daß du während des schlimmen
Nachmittages aus Sorge um die Gräfin schier von Sinnen gewesen bist! Dort
ist sie — schöner als je, also entrunzle deine Stirn und bringe ihr deine
Huldigung! Dabei hatte der König auf das schöne Mädchen gedeutet, das,
wiederum an der Seite der Herzogin, in der ersten Reihe der Damen saß,
Camoens hatte ohne Zögern Catarina begrüßt und dann atemlos ihrer Er¬
zählung von dem Heimritt gelauscht. Er war so in dem Augenblicke befangen
gewesen, daß erst der hinzutretende Barreto die Nächstliegende Frage nach Esmahs
Ergehen gethan hatte. Auch dann war es Barreto nicht gelungen, Camoens
von den Augen Catarinas loszureißen, wieder und wieder hatte es den Dichter
in die Nähe der Gräfin gezogen, und noch eben jetzt hatte er die Aufforderung
Barretos: Kommt, kommt, Luis — laßt uns einen frischen Atemzug thun! voll¬
ständig überhört. Senhor Manuel hatte sich unmutig und allein nach den
Hinterzimmern am Hofe der Trabanten begeben und lauschte nun hier bald auf
das Rauschen des Brunnens draußen, bald auf das gleichmäßige Geräusch ferner
Stimmen und auf die vereinzelten Schritte, welche über die Marmorfnßböden
der benachbarten Gemächer klangen. In der Stille, die um ihn herrschte, sann
er über die jüngsten Erlebnisse nach und gestand sich mit Sorge, daß ihm seit
Jahren die nächste Zukunft nicht so dunkel erschienen sei als heute.

Viel Zeit ward Manuel Barreto in dieser Stille nicht gegönnt. Indem
er, auf den plätschernden Brunnen hinausblickend, noch darüber nachsann, ob
der heutige Abend wohl geeignet sei, sich die Erlaubnis zu seiner Heimkehr vom
Könige zu erbitten, vernahm er hinter sich Stimmen, von denen er wenigstens
die eine, die des Priors von Belem, Wohl kannte. Dom Joao erschien mit Tellez
Alucita und mehreren andern Priestern des königlichen Haushaltes und mit
einem Edelmanne, den Barreto gleichfalls schon in der Umgebung Dom Se¬
bastians gesehen zu haben glaubte. Wenige Schritte von der Schwelle blieb
der Prior stehen, sein mißmutiges Gesicht und ein paar flüchtige Worte zu
seinen Begleiter» verrieten, daß er darauf gerechnet hatte, dieses Gemach leer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/94>, abgerufen am 30.06.2024.