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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Unsre Rriegervereine.

Vaterliebe Gesinnung, die Wahrnehmung der allgemeinen Achtung, in der heute
auch der geringste brave Soldat steht, und nicht am letzten auch die Erkenntnis,
daß Ordnung, Reinlichkeit, gute Haltung, körperliche Tüchtigkeit, Kenntnis von
Land und Leuten während des Militärdienstes entschieden gewonnen haben.
So wandelt sich das Wesen des Menschen um; die guten Reminiscenzen und
die guten Einflüsse bleiben lebendig, der ganze Mensch bleibt gleichsam unter
dem Banne der Idee, welche die allgemeine Wehrpflicht geschaffen und durch¬
geführt hat, und das stete Gedenken an die nationale Grundlage des Staats¬
wesens, dem er dient, wird ihm aufgezwungen. Und dies alles geschieht in einer
Form, welche ihm Freude macht. Kameradschaftliche Feste (wie sehr fehlt es
nicht unserm Volke an öffentlichen Festen!), gemütlich und doch von einer Idee
getragen und belebt, finden von Zeit zu Zeit statt; regelmäßige Zusammenkünfte
unterhalten das Gefühl der Zusammengehörigkeit und stellen einen geselligen
Verkehr her, dessen sehr viele sonst entbehren würden; Hilfskassen entfalten ihre
segensreiche Wirksamkeit; feierliche Begleitung bei Beerdigungen hebt das Selbst¬
gefühl; die frühern Offiziere bis zum General hinauf treten als Kameraden in
den Kreis der Vereinsmitglieder -- hier sind sie alle nur ehemalige Krieger.
Wie es sich aber von selbst giebt, daß auch hier Stand und Erziehung eine
Grenze ziehen, die jeder anständige Mensch schon aus eignem Antriebe respektirt,
so trägt auch dies wiederum dazu bei, das Band der Disziplin als ein natur-
notwendigcs erscheinen zu lassen.

So ist hier eine neue Kraft geschaffen. Wird sie stark genug sein, um
einmal in brausenden Stürmen Widerstand zu leisten? Wir müssen es ab¬
warten. Festzuhalten ist, daß wir ja erst im Beginne dieser Entwicklung und
des Einflusses stehen, den dieselbe üben kann, und dieser Einfluß kann ja, wenn
er gesund fein soll, nur ein indirekter sein. Das eigentlich politische Partei-
treibeu muß den Kriegervereinen natürlich fern bleiben; es ist völlig ausreichend,
wenn dieselben (wie es thatsächlich heute schon der Fall ist) an gewissen Voraus¬
setzungen streng festhalten. Die volle Wirkung wird sich erst bei künftigen Gene¬
rationen fühlbar machen. Wenn wir Zeit haben, sie abzuwarten, so dürfte sie
sich wohl einmal als eine sehr bedeutende herausstellen.




Grenzl'oder II. 188".!>
Unsre Rriegervereine.

Vaterliebe Gesinnung, die Wahrnehmung der allgemeinen Achtung, in der heute
auch der geringste brave Soldat steht, und nicht am letzten auch die Erkenntnis,
daß Ordnung, Reinlichkeit, gute Haltung, körperliche Tüchtigkeit, Kenntnis von
Land und Leuten während des Militärdienstes entschieden gewonnen haben.
So wandelt sich das Wesen des Menschen um; die guten Reminiscenzen und
die guten Einflüsse bleiben lebendig, der ganze Mensch bleibt gleichsam unter
dem Banne der Idee, welche die allgemeine Wehrpflicht geschaffen und durch¬
geführt hat, und das stete Gedenken an die nationale Grundlage des Staats¬
wesens, dem er dient, wird ihm aufgezwungen. Und dies alles geschieht in einer
Form, welche ihm Freude macht. Kameradschaftliche Feste (wie sehr fehlt es
nicht unserm Volke an öffentlichen Festen!), gemütlich und doch von einer Idee
getragen und belebt, finden von Zeit zu Zeit statt; regelmäßige Zusammenkünfte
unterhalten das Gefühl der Zusammengehörigkeit und stellen einen geselligen
Verkehr her, dessen sehr viele sonst entbehren würden; Hilfskassen entfalten ihre
segensreiche Wirksamkeit; feierliche Begleitung bei Beerdigungen hebt das Selbst¬
gefühl; die frühern Offiziere bis zum General hinauf treten als Kameraden in
den Kreis der Vereinsmitglieder — hier sind sie alle nur ehemalige Krieger.
Wie es sich aber von selbst giebt, daß auch hier Stand und Erziehung eine
Grenze ziehen, die jeder anständige Mensch schon aus eignem Antriebe respektirt,
so trägt auch dies wiederum dazu bei, das Band der Disziplin als ein natur-
notwendigcs erscheinen zu lassen.

So ist hier eine neue Kraft geschaffen. Wird sie stark genug sein, um
einmal in brausenden Stürmen Widerstand zu leisten? Wir müssen es ab¬
warten. Festzuhalten ist, daß wir ja erst im Beginne dieser Entwicklung und
des Einflusses stehen, den dieselbe üben kann, und dieser Einfluß kann ja, wenn
er gesund fein soll, nur ein indirekter sein. Das eigentlich politische Partei-
treibeu muß den Kriegervereinen natürlich fern bleiben; es ist völlig ausreichend,
wenn dieselben (wie es thatsächlich heute schon der Fall ist) an gewissen Voraus¬
setzungen streng festhalten. Die volle Wirkung wird sich erst bei künftigen Gene¬
rationen fühlbar machen. Wenn wir Zeit haben, sie abzuwarten, so dürfte sie
sich wohl einmal als eine sehr bedeutende herausstellen.




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[0073] Unsre Rriegervereine. Vaterliebe Gesinnung, die Wahrnehmung der allgemeinen Achtung, in der heute auch der geringste brave Soldat steht, und nicht am letzten auch die Erkenntnis, daß Ordnung, Reinlichkeit, gute Haltung, körperliche Tüchtigkeit, Kenntnis von Land und Leuten während des Militärdienstes entschieden gewonnen haben. So wandelt sich das Wesen des Menschen um; die guten Reminiscenzen und die guten Einflüsse bleiben lebendig, der ganze Mensch bleibt gleichsam unter dem Banne der Idee, welche die allgemeine Wehrpflicht geschaffen und durch¬ geführt hat, und das stete Gedenken an die nationale Grundlage des Staats¬ wesens, dem er dient, wird ihm aufgezwungen. Und dies alles geschieht in einer Form, welche ihm Freude macht. Kameradschaftliche Feste (wie sehr fehlt es nicht unserm Volke an öffentlichen Festen!), gemütlich und doch von einer Idee getragen und belebt, finden von Zeit zu Zeit statt; regelmäßige Zusammenkünfte unterhalten das Gefühl der Zusammengehörigkeit und stellen einen geselligen Verkehr her, dessen sehr viele sonst entbehren würden; Hilfskassen entfalten ihre segensreiche Wirksamkeit; feierliche Begleitung bei Beerdigungen hebt das Selbst¬ gefühl; die frühern Offiziere bis zum General hinauf treten als Kameraden in den Kreis der Vereinsmitglieder — hier sind sie alle nur ehemalige Krieger. Wie es sich aber von selbst giebt, daß auch hier Stand und Erziehung eine Grenze ziehen, die jeder anständige Mensch schon aus eignem Antriebe respektirt, so trägt auch dies wiederum dazu bei, das Band der Disziplin als ein natur- notwendigcs erscheinen zu lassen. So ist hier eine neue Kraft geschaffen. Wird sie stark genug sein, um einmal in brausenden Stürmen Widerstand zu leisten? Wir müssen es ab¬ warten. Festzuhalten ist, daß wir ja erst im Beginne dieser Entwicklung und des Einflusses stehen, den dieselbe üben kann, und dieser Einfluß kann ja, wenn er gesund fein soll, nur ein indirekter sein. Das eigentlich politische Partei- treibeu muß den Kriegervereinen natürlich fern bleiben; es ist völlig ausreichend, wenn dieselben (wie es thatsächlich heute schon der Fall ist) an gewissen Voraus¬ setzungen streng festhalten. Die volle Wirkung wird sich erst bei künftigen Gene¬ rationen fühlbar machen. Wenn wir Zeit haben, sie abzuwarten, so dürfte sie sich wohl einmal als eine sehr bedeutende herausstellen. Grenzl'oder II. 188«.!>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/73>, abgerufen am 09.01.2025.