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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Gladstones neues Manifest.

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adstone hat sich beeilt, seine Fahne für den herannahenden Wahl-
fcldzug zu entfalten. Sein Manifest an die Wählerschaft von
Midlothian liegt dem englischen Volke seit einer Woche vor. Es
ist kurz, bewegt sich meist in Allgemeinheiten, redet aber eine
entschlossene Sprache, Der Minister nennt die Frage, welche ihn
nochmals vor seine Wähler führt, "die größte und zugleich die einfachste, die in
dem letzten halben Jahrhundert dem Volke zur Beurteilung vorgelegen hat," und
bittet sie pathetisch, ihm "ihre Gunst zuzuwenden in einem Alter, wo die Natur
laut nach Ruhe verlangt." Dann erinnert er daran, daß er bei den letzten
Wahlen seinen Wählern und der Nation die Wichtigkeit des irischen Problems
ans Herz gelegt habe; deshalb habe er auch mit größter Aufmerksamkeit die
Politik verfolgt, zu welcher sich Salisbnrhs Kabinet bekannt habe. Dieses
Kabinet sei zwar schwach, aber hinsichtlich der Behandlung jener Frage vor¬
teilhaft gestellt gewesen, da die Liberalen jeden weise" Lösungsversuch unter¬
stützt haben würden. Im Januar aber habe die konservative Regierung den
Weg einer Zwangspolitik eingeschlagen, und jetzt sei "die Stunde für ihn da¬
gewesen." Er habe ein Ministerium auf der Basis eiuer "Antizwangspvlitik"
gebildet, in welchem niemand von denen, die eine Stelle darin angenommen
hätten, über die Absichten des Leiters im Unklaven gelassen worden wäre. Das
ist aber nicht richtig dargestellt. Das Ministerium Salisbury fiel bei dem
Cvlliugsschen Antrage, der sich nicht um die Union, sondern um die Parole
der Grundbesitzverteiler "Drei Acker und eine Kuh" drehte, und das Gladstonesche
Kabinet wurde auf der Basis "Prüfung und Untersuchung" der irischen Frage
gebildet. Endlich ist der Austritt Chamberlains und Trevelycms doch ein ziemlich
schlagender Beweis dafür, daß von den Kollegen Gladstones anfangs niemand


Grenzbvtim II. 1886. 75


Gladstones neues Manifest.

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adstone hat sich beeilt, seine Fahne für den herannahenden Wahl-
fcldzug zu entfalten. Sein Manifest an die Wählerschaft von
Midlothian liegt dem englischen Volke seit einer Woche vor. Es
ist kurz, bewegt sich meist in Allgemeinheiten, redet aber eine
entschlossene Sprache, Der Minister nennt die Frage, welche ihn
nochmals vor seine Wähler führt, „die größte und zugleich die einfachste, die in
dem letzten halben Jahrhundert dem Volke zur Beurteilung vorgelegen hat," und
bittet sie pathetisch, ihm „ihre Gunst zuzuwenden in einem Alter, wo die Natur
laut nach Ruhe verlangt." Dann erinnert er daran, daß er bei den letzten
Wahlen seinen Wählern und der Nation die Wichtigkeit des irischen Problems
ans Herz gelegt habe; deshalb habe er auch mit größter Aufmerksamkeit die
Politik verfolgt, zu welcher sich Salisbnrhs Kabinet bekannt habe. Dieses
Kabinet sei zwar schwach, aber hinsichtlich der Behandlung jener Frage vor¬
teilhaft gestellt gewesen, da die Liberalen jeden weise» Lösungsversuch unter¬
stützt haben würden. Im Januar aber habe die konservative Regierung den
Weg einer Zwangspolitik eingeschlagen, und jetzt sei „die Stunde für ihn da¬
gewesen." Er habe ein Ministerium auf der Basis eiuer „Antizwangspvlitik"
gebildet, in welchem niemand von denen, die eine Stelle darin angenommen
hätten, über die Absichten des Leiters im Unklaven gelassen worden wäre. Das
ist aber nicht richtig dargestellt. Das Ministerium Salisbury fiel bei dem
Cvlliugsschen Antrage, der sich nicht um die Union, sondern um die Parole
der Grundbesitzverteiler „Drei Acker und eine Kuh" drehte, und das Gladstonesche
Kabinet wurde auf der Basis „Prüfung und Untersuchung" der irischen Frage
gebildet. Endlich ist der Austritt Chamberlains und Trevelycms doch ein ziemlich
schlagender Beweis dafür, daß von den Kollegen Gladstones anfangs niemand


Grenzbvtim II. 1886. 75
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[0601] [Abbildung] Gladstones neues Manifest. l adstone hat sich beeilt, seine Fahne für den herannahenden Wahl- fcldzug zu entfalten. Sein Manifest an die Wählerschaft von Midlothian liegt dem englischen Volke seit einer Woche vor. Es ist kurz, bewegt sich meist in Allgemeinheiten, redet aber eine entschlossene Sprache, Der Minister nennt die Frage, welche ihn nochmals vor seine Wähler führt, „die größte und zugleich die einfachste, die in dem letzten halben Jahrhundert dem Volke zur Beurteilung vorgelegen hat," und bittet sie pathetisch, ihm „ihre Gunst zuzuwenden in einem Alter, wo die Natur laut nach Ruhe verlangt." Dann erinnert er daran, daß er bei den letzten Wahlen seinen Wählern und der Nation die Wichtigkeit des irischen Problems ans Herz gelegt habe; deshalb habe er auch mit größter Aufmerksamkeit die Politik verfolgt, zu welcher sich Salisbnrhs Kabinet bekannt habe. Dieses Kabinet sei zwar schwach, aber hinsichtlich der Behandlung jener Frage vor¬ teilhaft gestellt gewesen, da die Liberalen jeden weise» Lösungsversuch unter¬ stützt haben würden. Im Januar aber habe die konservative Regierung den Weg einer Zwangspolitik eingeschlagen, und jetzt sei „die Stunde für ihn da¬ gewesen." Er habe ein Ministerium auf der Basis eiuer „Antizwangspvlitik" gebildet, in welchem niemand von denen, die eine Stelle darin angenommen hätten, über die Absichten des Leiters im Unklaven gelassen worden wäre. Das ist aber nicht richtig dargestellt. Das Ministerium Salisbury fiel bei dem Cvlliugsschen Antrage, der sich nicht um die Union, sondern um die Parole der Grundbesitzverteiler „Drei Acker und eine Kuh" drehte, und das Gladstonesche Kabinet wurde auf der Basis „Prüfung und Untersuchung" der irischen Frage gebildet. Endlich ist der Austritt Chamberlains und Trevelycms doch ein ziemlich schlagender Beweis dafür, daß von den Kollegen Gladstones anfangs niemand Grenzbvtim II. 1886. 75

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/601>, abgerufen am 02.07.2024.