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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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(Lamoens.

er einen Augenblick in der Hand, aber er zerriß sie nicht, sondern schob sie
sorgfältig in den Band mit der Handschrift der Lusiaden. Joao erschien auf
Barretos ersten Ruf, und ehe eine Viertelstunde verging, war der Tisch zwischen
ihnen mit Wein und köstlichem Wasser, mit Brot und Früchten besetzt. Barreto
schenkte sich und Camoens aus den Steinkrügen ein und lächelte dem Freunde
ermutigend zu, als dieser sich noch einmal abwandte und sich die friedliche
Rast des Augenblicks versagen zu wollen schien.

Kommt, kommt, Luis, sagte er, der Tag war heiß bis auf die letzte Stunde,
der Abend soll und will uns entschädigen. Die Sonne schickt uns noch einen
Gruß, wie ich ihn liebe, man wird des Lichtes und der Kühlung zugleich froh --
laßt also die Abende, nach denen wir seither umsonst verlangt haben, gleich
heute beginnen.

In der That bot jetzt der viereckige Hof von Almvcegcma einen entzückenden
Anblick. Das Stück Abendhimmel über demselben glich einem farbigen Baldachin
mit purpurnen und lichtgoldncn Streifen, im Hofe selbst und unter deu Arkaden
herrschte ein Halbdunkel, in welchem nur noch die schäumenden Wasserstrahlen
des Brunnens Heller erglänzten. Aus dem Schlosse und deu Gärten jenseits
drang kein Laut, seit die Schritte Joavs und der Diener verhallt waren. Bar¬
reto überließ Camoens noch einige Minuten seinen Gedanken und begann dann
wieder: Ich hoffte, als Ihr hierher kamt, Luis, daß Ihr an diesem Platze Wurzel
schlagen solltet, wie ich es gethan habe. Ich weiß nicht, ob der Emir, der den
Hof und den Brunnen dort für sich errichten ließ, mit seinem Geiste in der
Wassersäule geblieben ist, aber ich habe um tausend Abenden das Wehen dieses
Geistes verspürt. Der Friede dieser Stelle dünkt mich wünschenswerter als
alles sonst in der Welt.

Ihr wollt mich weise machen, wie Ihr seid, Manuel! anwortete Camoens,
sich zu einem heitern Tone zwingend. Ich fürchte, dem Heiden, der Euer Schloß
erbanen und Euern Brunnen fassen ließ, hat Eure heitere Lebensweisheit nicht
genügt, sicher saß er unter diesen Bogen nicht allein.

Nun in das Alleinsein bin ich eben auch hineingewachsen und habe es nicht
gewählt, versetzte der Fidalgv gutmütig. Als ich von Indien zurückkam, be¬
dachte ich mich noch manchen Monat, ob ich nicht eine junge Hausfrau dort
drüben in die Frauengemächer einführen sollte, in deren Arabesken die Koran¬
sprüche noch gemalt stehen. Als ich jedoch über dem Nachsinnen mein Haar
täglich grauer werden sah, fand ich mich lachend mit meinem Glückstranme ab
und bin nicht schlimmer dabei gefahren. Glaubt Ihr nicht, daß dem Schiffer,
der am Abend nach Wetter und wilden Stürmen überschaut, was er am Ufer
geborgen hat, wohler sein kann als dem, der am Morgen mit vollen Segeln
in die hohe See steuert?

Nein, Manuel, nein! rief Camoens. Ich fühle anders als Ihr! Wer ge¬
scheitert ist, mag mit den letzten Planken, die ihm bleiben, lieber ein neues


(Lamoens.

er einen Augenblick in der Hand, aber er zerriß sie nicht, sondern schob sie
sorgfältig in den Band mit der Handschrift der Lusiaden. Joao erschien auf
Barretos ersten Ruf, und ehe eine Viertelstunde verging, war der Tisch zwischen
ihnen mit Wein und köstlichem Wasser, mit Brot und Früchten besetzt. Barreto
schenkte sich und Camoens aus den Steinkrügen ein und lächelte dem Freunde
ermutigend zu, als dieser sich noch einmal abwandte und sich die friedliche
Rast des Augenblicks versagen zu wollen schien.

Kommt, kommt, Luis, sagte er, der Tag war heiß bis auf die letzte Stunde,
der Abend soll und will uns entschädigen. Die Sonne schickt uns noch einen
Gruß, wie ich ihn liebe, man wird des Lichtes und der Kühlung zugleich froh —
laßt also die Abende, nach denen wir seither umsonst verlangt haben, gleich
heute beginnen.

In der That bot jetzt der viereckige Hof von Almvcegcma einen entzückenden
Anblick. Das Stück Abendhimmel über demselben glich einem farbigen Baldachin
mit purpurnen und lichtgoldncn Streifen, im Hofe selbst und unter deu Arkaden
herrschte ein Halbdunkel, in welchem nur noch die schäumenden Wasserstrahlen
des Brunnens Heller erglänzten. Aus dem Schlosse und deu Gärten jenseits
drang kein Laut, seit die Schritte Joavs und der Diener verhallt waren. Bar¬
reto überließ Camoens noch einige Minuten seinen Gedanken und begann dann
wieder: Ich hoffte, als Ihr hierher kamt, Luis, daß Ihr an diesem Platze Wurzel
schlagen solltet, wie ich es gethan habe. Ich weiß nicht, ob der Emir, der den
Hof und den Brunnen dort für sich errichten ließ, mit seinem Geiste in der
Wassersäule geblieben ist, aber ich habe um tausend Abenden das Wehen dieses
Geistes verspürt. Der Friede dieser Stelle dünkt mich wünschenswerter als
alles sonst in der Welt.

Ihr wollt mich weise machen, wie Ihr seid, Manuel! anwortete Camoens,
sich zu einem heitern Tone zwingend. Ich fürchte, dem Heiden, der Euer Schloß
erbanen und Euern Brunnen fassen ließ, hat Eure heitere Lebensweisheit nicht
genügt, sicher saß er unter diesen Bogen nicht allein.

Nun in das Alleinsein bin ich eben auch hineingewachsen und habe es nicht
gewählt, versetzte der Fidalgv gutmütig. Als ich von Indien zurückkam, be¬
dachte ich mich noch manchen Monat, ob ich nicht eine junge Hausfrau dort
drüben in die Frauengemächer einführen sollte, in deren Arabesken die Koran¬
sprüche noch gemalt stehen. Als ich jedoch über dem Nachsinnen mein Haar
täglich grauer werden sah, fand ich mich lachend mit meinem Glückstranme ab
und bin nicht schlimmer dabei gefahren. Glaubt Ihr nicht, daß dem Schiffer,
der am Abend nach Wetter und wilden Stürmen überschaut, was er am Ufer
geborgen hat, wohler sein kann als dem, der am Morgen mit vollen Segeln
in die hohe See steuert?

Nein, Manuel, nein! rief Camoens. Ich fühle anders als Ihr! Wer ge¬
scheitert ist, mag mit den letzten Planken, die ihm bleiben, lieber ein neues


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/592>, abgerufen am 28.12.2024.