Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie deutschen Schulen in Ungarn.

kounte der Unterrichtsminister Trefort in seinem Bericht schreiben: "Die vierzehn
Schulen mit magyarischer Unterrichtssprache haben sich bis auf 133 vermehrt;
die im Jahre 1869 noch vorhandnen zwei Schulen mit deutscher Unterrichts¬
sprache sind vollständig eingegangen, und die Zahl der magyarisch-deutschen ist
von 28 auf sechs herabgesunken. Auf diesem Gebiete hat das Munizipium der
Hauptstadt ein Resultat erreicht, das den Dank der Nation mit Recht verdient."
Im Pester Kvmitat ist bei mehr als 12,000 schulbesuchenden deutschen Kindern
eine einzige rein deutsche Volksschule, im Temescher Landkreise besteht für 22,949
deutsche Kinder keine einzige deutsche Schule; dasselbe ist der Fall im Vesprimer
Landkreise mit über 6000. im Stuhlweißenbnrger mit über 3000, im Abaujer
und Gömörer mit über je 1000 deutschen Schulkindern der Fall.

Aber selbst den noch vorhandnen deutschen Volksschulen ist die Axt an die
Wurzel gelegt. Denn die Hauptsache für die Schule ist doch der Lehrer. Es
giebt aber in Ungarn (wieder ohne Siebenbürgen) keine einzige deutsche Volks-
schullchrerbildnngsanstalt. Nun mag man sich vorstellen, was für ein deutscher
Unterricht das sei" kann, den ein Lehrer erteilt, welcher, wenn er im besten
Falle eine deutsche Volksschule besucht hat, dann nichts Deutsches weiter für seine
Bildung erhalten hat, bis er selber deutsch unterrichten sollte! Ein einziger
Blick in die im Bruat erscheinende "Neue ungarische Schulzeitung" zeigt die
ganze Trostlosigkeit. Die Zeitung hat das rühmenswerte Bestreben, für die
deutsche Schule einzutreten, aber die wenigsten, die hinein schreiben, können ein
fehlerloses Deutsch schreiben! Uuter solchen Umständen läßt es sich nicht leugnen,
daß Fürst Bismarcks Wort vom Verluste des deutschen Besitzstandes, auf die
Schulen in Ungarn angewendet, seine unanfechtbare Wahrheit hat.

In Siebenbürgen kann man von einem Rückgange der deutschen Schulen,
wenn man bloß die Zahl ins Auge faßt, nicht rede". Die Ursache liegt darin,
daß da die Schule seit uralter Zeit mit der Kirche in Verbindung steht, sie von
ihr erhalten und beschützt wird. Die evangelische Landeskirche Augsburgischen Be¬
kenntnisses in Siebenbürgen, die im wesentlichen zusammenfällt mit dem sächsischen
Volke in Siebenbürgen, erhält sämtliche deutsche Schulen Siebenbürgens, d. h.
die Einzelgemeinde erhält überall die Volksschule, und wo sie nicht allein imstande
ist, das zu thun, tritt die Gesamtkirche helfend ein. Sie hat noch keine einzige
deutsche Dorfschule preisgegeben, und diesem Zusammenhange allein ist es zu
verdanken, daß ein Verlust noch nicht zu verzeichnen ist.

Umso größer aber ist die innere Bedrückung dieser noch vorhandnen deutschen
Schulen. Mit Gesetzen und Verordnungen, und wo diese nicht auszureichen
scheinen, gegen diese Gesetze, wird gegen sie vorgegangen, wie das Gesetz auch
auf audern Gebieten in Ungarn dazu da ist, daß man es in allen den Fällen
übertritt, wo es den nichtmagyarischcn Nationalitäten Schutz gewährt. So
lautet § 17 des 44. Gesetzartikels von 1868 wörtlich: ,,Nachdem(!) der Erfolg
des öffentlichen Unterrichts aus dem Gesichtspunkte der allgemeinen Bildung


Sie deutschen Schulen in Ungarn.

kounte der Unterrichtsminister Trefort in seinem Bericht schreiben: „Die vierzehn
Schulen mit magyarischer Unterrichtssprache haben sich bis auf 133 vermehrt;
die im Jahre 1869 noch vorhandnen zwei Schulen mit deutscher Unterrichts¬
sprache sind vollständig eingegangen, und die Zahl der magyarisch-deutschen ist
von 28 auf sechs herabgesunken. Auf diesem Gebiete hat das Munizipium der
Hauptstadt ein Resultat erreicht, das den Dank der Nation mit Recht verdient."
Im Pester Kvmitat ist bei mehr als 12,000 schulbesuchenden deutschen Kindern
eine einzige rein deutsche Volksschule, im Temescher Landkreise besteht für 22,949
deutsche Kinder keine einzige deutsche Schule; dasselbe ist der Fall im Vesprimer
Landkreise mit über 6000. im Stuhlweißenbnrger mit über 3000, im Abaujer
und Gömörer mit über je 1000 deutschen Schulkindern der Fall.

Aber selbst den noch vorhandnen deutschen Volksschulen ist die Axt an die
Wurzel gelegt. Denn die Hauptsache für die Schule ist doch der Lehrer. Es
giebt aber in Ungarn (wieder ohne Siebenbürgen) keine einzige deutsche Volks-
schullchrerbildnngsanstalt. Nun mag man sich vorstellen, was für ein deutscher
Unterricht das sei» kann, den ein Lehrer erteilt, welcher, wenn er im besten
Falle eine deutsche Volksschule besucht hat, dann nichts Deutsches weiter für seine
Bildung erhalten hat, bis er selber deutsch unterrichten sollte! Ein einziger
Blick in die im Bruat erscheinende „Neue ungarische Schulzeitung" zeigt die
ganze Trostlosigkeit. Die Zeitung hat das rühmenswerte Bestreben, für die
deutsche Schule einzutreten, aber die wenigsten, die hinein schreiben, können ein
fehlerloses Deutsch schreiben! Uuter solchen Umständen läßt es sich nicht leugnen,
daß Fürst Bismarcks Wort vom Verluste des deutschen Besitzstandes, auf die
Schulen in Ungarn angewendet, seine unanfechtbare Wahrheit hat.

In Siebenbürgen kann man von einem Rückgange der deutschen Schulen,
wenn man bloß die Zahl ins Auge faßt, nicht rede«. Die Ursache liegt darin,
daß da die Schule seit uralter Zeit mit der Kirche in Verbindung steht, sie von
ihr erhalten und beschützt wird. Die evangelische Landeskirche Augsburgischen Be¬
kenntnisses in Siebenbürgen, die im wesentlichen zusammenfällt mit dem sächsischen
Volke in Siebenbürgen, erhält sämtliche deutsche Schulen Siebenbürgens, d. h.
die Einzelgemeinde erhält überall die Volksschule, und wo sie nicht allein imstande
ist, das zu thun, tritt die Gesamtkirche helfend ein. Sie hat noch keine einzige
deutsche Dorfschule preisgegeben, und diesem Zusammenhange allein ist es zu
verdanken, daß ein Verlust noch nicht zu verzeichnen ist.

Umso größer aber ist die innere Bedrückung dieser noch vorhandnen deutschen
Schulen. Mit Gesetzen und Verordnungen, und wo diese nicht auszureichen
scheinen, gegen diese Gesetze, wird gegen sie vorgegangen, wie das Gesetz auch
auf audern Gebieten in Ungarn dazu da ist, daß man es in allen den Fällen
übertritt, wo es den nichtmagyarischcn Nationalitäten Schutz gewährt. So
lautet § 17 des 44. Gesetzartikels von 1868 wörtlich: ,,Nachdem(!) der Erfolg
des öffentlichen Unterrichts aus dem Gesichtspunkte der allgemeinen Bildung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198125"/>
          <fw type="header" place="top"> Sie deutschen Schulen in Ungarn.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_169" prev="#ID_168"> kounte der Unterrichtsminister Trefort in seinem Bericht schreiben: &#x201E;Die vierzehn<lb/>
Schulen mit magyarischer Unterrichtssprache haben sich bis auf 133 vermehrt;<lb/>
die im Jahre 1869 noch vorhandnen zwei Schulen mit deutscher Unterrichts¬<lb/>
sprache sind vollständig eingegangen, und die Zahl der magyarisch-deutschen ist<lb/>
von 28 auf sechs herabgesunken. Auf diesem Gebiete hat das Munizipium der<lb/>
Hauptstadt ein Resultat erreicht, das den Dank der Nation mit Recht verdient."<lb/>
Im Pester Kvmitat ist bei mehr als 12,000 schulbesuchenden deutschen Kindern<lb/>
eine einzige rein deutsche Volksschule, im Temescher Landkreise besteht für 22,949<lb/>
deutsche Kinder keine einzige deutsche Schule; dasselbe ist der Fall im Vesprimer<lb/>
Landkreise mit über 6000. im Stuhlweißenbnrger mit über 3000, im Abaujer<lb/>
und Gömörer mit über je 1000 deutschen Schulkindern der Fall.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_170"> Aber selbst den noch vorhandnen deutschen Volksschulen ist die Axt an die<lb/>
Wurzel gelegt. Denn die Hauptsache für die Schule ist doch der Lehrer. Es<lb/>
giebt aber in Ungarn (wieder ohne Siebenbürgen) keine einzige deutsche Volks-<lb/>
schullchrerbildnngsanstalt. Nun mag man sich vorstellen, was für ein deutscher<lb/>
Unterricht das sei» kann, den ein Lehrer erteilt, welcher, wenn er im besten<lb/>
Falle eine deutsche Volksschule besucht hat, dann nichts Deutsches weiter für seine<lb/>
Bildung erhalten hat, bis er selber deutsch unterrichten sollte! Ein einziger<lb/>
Blick in die im Bruat erscheinende &#x201E;Neue ungarische Schulzeitung" zeigt die<lb/>
ganze Trostlosigkeit. Die Zeitung hat das rühmenswerte Bestreben, für die<lb/>
deutsche Schule einzutreten, aber die wenigsten, die hinein schreiben, können ein<lb/>
fehlerloses Deutsch schreiben! Uuter solchen Umständen läßt es sich nicht leugnen,<lb/>
daß Fürst Bismarcks Wort vom Verluste des deutschen Besitzstandes, auf die<lb/>
Schulen in Ungarn angewendet, seine unanfechtbare Wahrheit hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_171"> In Siebenbürgen kann man von einem Rückgange der deutschen Schulen,<lb/>
wenn man bloß die Zahl ins Auge faßt, nicht rede«. Die Ursache liegt darin,<lb/>
daß da die Schule seit uralter Zeit mit der Kirche in Verbindung steht, sie von<lb/>
ihr erhalten und beschützt wird. Die evangelische Landeskirche Augsburgischen Be¬<lb/>
kenntnisses in Siebenbürgen, die im wesentlichen zusammenfällt mit dem sächsischen<lb/>
Volke in Siebenbürgen, erhält sämtliche deutsche Schulen Siebenbürgens, d. h.<lb/>
die Einzelgemeinde erhält überall die Volksschule, und wo sie nicht allein imstande<lb/>
ist, das zu thun, tritt die Gesamtkirche helfend ein. Sie hat noch keine einzige<lb/>
deutsche Dorfschule preisgegeben, und diesem Zusammenhange allein ist es zu<lb/>
verdanken, daß ein Verlust noch nicht zu verzeichnen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_172" next="#ID_173"> Umso größer aber ist die innere Bedrückung dieser noch vorhandnen deutschen<lb/>
Schulen. Mit Gesetzen und Verordnungen, und wo diese nicht auszureichen<lb/>
scheinen, gegen diese Gesetze, wird gegen sie vorgegangen, wie das Gesetz auch<lb/>
auf audern Gebieten in Ungarn dazu da ist, daß man es in allen den Fällen<lb/>
übertritt, wo es den nichtmagyarischcn Nationalitäten Schutz gewährt. So<lb/>
lautet § 17 des 44. Gesetzartikels von 1868 wörtlich: ,,Nachdem(!) der Erfolg<lb/>
des öffentlichen Unterrichts aus dem Gesichtspunkte der allgemeinen Bildung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] Sie deutschen Schulen in Ungarn. kounte der Unterrichtsminister Trefort in seinem Bericht schreiben: „Die vierzehn Schulen mit magyarischer Unterrichtssprache haben sich bis auf 133 vermehrt; die im Jahre 1869 noch vorhandnen zwei Schulen mit deutscher Unterrichts¬ sprache sind vollständig eingegangen, und die Zahl der magyarisch-deutschen ist von 28 auf sechs herabgesunken. Auf diesem Gebiete hat das Munizipium der Hauptstadt ein Resultat erreicht, das den Dank der Nation mit Recht verdient." Im Pester Kvmitat ist bei mehr als 12,000 schulbesuchenden deutschen Kindern eine einzige rein deutsche Volksschule, im Temescher Landkreise besteht für 22,949 deutsche Kinder keine einzige deutsche Schule; dasselbe ist der Fall im Vesprimer Landkreise mit über 6000. im Stuhlweißenbnrger mit über 3000, im Abaujer und Gömörer mit über je 1000 deutschen Schulkindern der Fall. Aber selbst den noch vorhandnen deutschen Volksschulen ist die Axt an die Wurzel gelegt. Denn die Hauptsache für die Schule ist doch der Lehrer. Es giebt aber in Ungarn (wieder ohne Siebenbürgen) keine einzige deutsche Volks- schullchrerbildnngsanstalt. Nun mag man sich vorstellen, was für ein deutscher Unterricht das sei» kann, den ein Lehrer erteilt, welcher, wenn er im besten Falle eine deutsche Volksschule besucht hat, dann nichts Deutsches weiter für seine Bildung erhalten hat, bis er selber deutsch unterrichten sollte! Ein einziger Blick in die im Bruat erscheinende „Neue ungarische Schulzeitung" zeigt die ganze Trostlosigkeit. Die Zeitung hat das rühmenswerte Bestreben, für die deutsche Schule einzutreten, aber die wenigsten, die hinein schreiben, können ein fehlerloses Deutsch schreiben! Uuter solchen Umständen läßt es sich nicht leugnen, daß Fürst Bismarcks Wort vom Verluste des deutschen Besitzstandes, auf die Schulen in Ungarn angewendet, seine unanfechtbare Wahrheit hat. In Siebenbürgen kann man von einem Rückgange der deutschen Schulen, wenn man bloß die Zahl ins Auge faßt, nicht rede«. Die Ursache liegt darin, daß da die Schule seit uralter Zeit mit der Kirche in Verbindung steht, sie von ihr erhalten und beschützt wird. Die evangelische Landeskirche Augsburgischen Be¬ kenntnisses in Siebenbürgen, die im wesentlichen zusammenfällt mit dem sächsischen Volke in Siebenbürgen, erhält sämtliche deutsche Schulen Siebenbürgens, d. h. die Einzelgemeinde erhält überall die Volksschule, und wo sie nicht allein imstande ist, das zu thun, tritt die Gesamtkirche helfend ein. Sie hat noch keine einzige deutsche Dorfschule preisgegeben, und diesem Zusammenhange allein ist es zu verdanken, daß ein Verlust noch nicht zu verzeichnen ist. Umso größer aber ist die innere Bedrückung dieser noch vorhandnen deutschen Schulen. Mit Gesetzen und Verordnungen, und wo diese nicht auszureichen scheinen, gegen diese Gesetze, wird gegen sie vorgegangen, wie das Gesetz auch auf audern Gebieten in Ungarn dazu da ist, daß man es in allen den Fällen übertritt, wo es den nichtmagyarischcn Nationalitäten Schutz gewährt. So lautet § 17 des 44. Gesetzartikels von 1868 wörtlich: ,,Nachdem(!) der Erfolg des öffentlichen Unterrichts aus dem Gesichtspunkte der allgemeinen Bildung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/59
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/59>, abgerufen am 28.12.2024.