Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.

von einer Reihe andrer Ursachen, wie z. B. von Anleihen, internationalen
Zahlungen und derartigen nichtmerkantilen Operationen wesentlich ab. Außerdem
hält die Entwertung des Papiergeldes keineswegs gleichen Schritt mit dessen
Abnahme an Kaufkraft, sondern eilt der letztern meistens voraus. Daher konnten
russische Produkte nicht so rasch in ihrem in Papierrubelu bezahlten Preise
steigen, als die Billete im Kurs entwertet wurden. Diese Artikel erschienen
vielmehr, in Münze berechnet, als im Preise gesunken, ein Umstand, der bei
manchen vom Auslande bezognen Waaren als Exportprämie wirken mußte.

Wenn aber auch das Ergebnis der Handelsbilanz nicht allein bestimmend
war für den Ab- und Zufluß des Goldes, so bleibt es anderseits doch un¬
bestreitbar, daß die Entwertung der Valuta in derselben teilweise ihren Grund
hatte. Noch sicherer ist, daß das einzig zuverlässige Mittel, den Kurs des Papier¬
rubels wieder zu heben, auf diesem Gebiete internationalen Güteraustausches
liegt und ein regelmäßiger Überschuß des Exports über den Import Rußland
den Metallvvrrat wieder zuführen kann, dessen es zur Einziehung des in, Über¬
maß ausgegebnen Papiergeldes bedarf.

Nicht minder haltlos erscheint die zweite Erklärung, welche den finanziellen
Notstand auf die jährlichen auswärtigen Rentenzahlungen zurückzuführen ver¬
sucht. Diese Zahlungen haben thatsächlich den russischen Staatshaushalt nicht
erschüttert. Denn die zahlreichen Anleihen, welche in den letzten zwei Jahrzehnten
abgeschlossen wurden, boten stets die Mittel zur Zinszahlung an auswärtige
Gläubiger. Die konsolidirte Schuld ist zwar gewachsen. Dies bewirkt aber
an sich nicht ein Sinken des Papierknrses. In Frankreich z. B. hat sich der¬
selbe auch bei den größten Ansprüchen an den öffentlichen Kredit erhalten.
Übrigens läßt es sich in der russischen Finanzgcschichte nachweise", daß der
Rubelkurs gerade dann am stärksten sank, wenn die Mittel zur Zinszahlung
in genügender Weise vorhanden waren. In den sechs Jahren z. B. von 1856
bis 1862 betrug die Rente der auswärtigen Staatsschuld, nach dem Durchschnitts¬
kurse vom 1. Januar 1859 berechnet, nebst einem Prozent zur Tilgung der
Terminschuld jährlich 14 943 182 Rubel, was für die betreffenden sechs Jahre
eine Gesamtausgabe von etwa 90 Mill. ergeben würde. In dem gleichen Zeit¬
raume aber bezog die Staatskasse auf dem Wege auswärtiger Anleihen die
Summe von 15 Mill. Pf. Sterl. oder ungefähr 100 Mill. Rubel. Es stellt
sich sonach, wenn wir die Rente dieser Anleihen und deren jährliche Tilgnugs-
quote zusammen auf 10 Mill. Rubel Silber anschlagen, eine vollständige Bilanz
zwischen den vom Auslande geliehenen Beträgen und den dorthin abgeführten
Rentenzahlungen heraus. Erweitern wir aber diese Berechnung nur um einige
Monate nach beiden Seiten hin, so würden noch die Anleihen vom 26. November
1836 und voni 14. April 1862, welche der Staatskasse etwa 121 Mill. zu¬
führten, unter die Rubrik der Metalleiufnhr fallen, und sich also nach Abzug
der Zinsen für jene vier Monate ein Mehrbetrag der Einfuhr um mindestens


Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.

von einer Reihe andrer Ursachen, wie z. B. von Anleihen, internationalen
Zahlungen und derartigen nichtmerkantilen Operationen wesentlich ab. Außerdem
hält die Entwertung des Papiergeldes keineswegs gleichen Schritt mit dessen
Abnahme an Kaufkraft, sondern eilt der letztern meistens voraus. Daher konnten
russische Produkte nicht so rasch in ihrem in Papierrubelu bezahlten Preise
steigen, als die Billete im Kurs entwertet wurden. Diese Artikel erschienen
vielmehr, in Münze berechnet, als im Preise gesunken, ein Umstand, der bei
manchen vom Auslande bezognen Waaren als Exportprämie wirken mußte.

Wenn aber auch das Ergebnis der Handelsbilanz nicht allein bestimmend
war für den Ab- und Zufluß des Goldes, so bleibt es anderseits doch un¬
bestreitbar, daß die Entwertung der Valuta in derselben teilweise ihren Grund
hatte. Noch sicherer ist, daß das einzig zuverlässige Mittel, den Kurs des Papier¬
rubels wieder zu heben, auf diesem Gebiete internationalen Güteraustausches
liegt und ein regelmäßiger Überschuß des Exports über den Import Rußland
den Metallvvrrat wieder zuführen kann, dessen es zur Einziehung des in, Über¬
maß ausgegebnen Papiergeldes bedarf.

Nicht minder haltlos erscheint die zweite Erklärung, welche den finanziellen
Notstand auf die jährlichen auswärtigen Rentenzahlungen zurückzuführen ver¬
sucht. Diese Zahlungen haben thatsächlich den russischen Staatshaushalt nicht
erschüttert. Denn die zahlreichen Anleihen, welche in den letzten zwei Jahrzehnten
abgeschlossen wurden, boten stets die Mittel zur Zinszahlung an auswärtige
Gläubiger. Die konsolidirte Schuld ist zwar gewachsen. Dies bewirkt aber
an sich nicht ein Sinken des Papierknrses. In Frankreich z. B. hat sich der¬
selbe auch bei den größten Ansprüchen an den öffentlichen Kredit erhalten.
Übrigens läßt es sich in der russischen Finanzgcschichte nachweise», daß der
Rubelkurs gerade dann am stärksten sank, wenn die Mittel zur Zinszahlung
in genügender Weise vorhanden waren. In den sechs Jahren z. B. von 1856
bis 1862 betrug die Rente der auswärtigen Staatsschuld, nach dem Durchschnitts¬
kurse vom 1. Januar 1859 berechnet, nebst einem Prozent zur Tilgung der
Terminschuld jährlich 14 943 182 Rubel, was für die betreffenden sechs Jahre
eine Gesamtausgabe von etwa 90 Mill. ergeben würde. In dem gleichen Zeit¬
raume aber bezog die Staatskasse auf dem Wege auswärtiger Anleihen die
Summe von 15 Mill. Pf. Sterl. oder ungefähr 100 Mill. Rubel. Es stellt
sich sonach, wenn wir die Rente dieser Anleihen und deren jährliche Tilgnugs-
quote zusammen auf 10 Mill. Rubel Silber anschlagen, eine vollständige Bilanz
zwischen den vom Auslande geliehenen Beträgen und den dorthin abgeführten
Rentenzahlungen heraus. Erweitern wir aber diese Berechnung nur um einige
Monate nach beiden Seiten hin, so würden noch die Anleihen vom 26. November
1836 und voni 14. April 1862, welche der Staatskasse etwa 121 Mill. zu¬
führten, unter die Rubrik der Metalleiufnhr fallen, und sich also nach Abzug
der Zinsen für jene vier Monate ein Mehrbetrag der Einfuhr um mindestens


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198578"/>
            <fw type="header" place="top"> Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1462" prev="#ID_1461"> von einer Reihe andrer Ursachen, wie z. B. von Anleihen, internationalen<lb/>
Zahlungen und derartigen nichtmerkantilen Operationen wesentlich ab. Außerdem<lb/>
hält die Entwertung des Papiergeldes keineswegs gleichen Schritt mit dessen<lb/>
Abnahme an Kaufkraft, sondern eilt der letztern meistens voraus. Daher konnten<lb/>
russische Produkte nicht so rasch in ihrem in Papierrubelu bezahlten Preise<lb/>
steigen, als die Billete im Kurs entwertet wurden. Diese Artikel erschienen<lb/>
vielmehr, in Münze berechnet, als im Preise gesunken, ein Umstand, der bei<lb/>
manchen vom Auslande bezognen Waaren als Exportprämie wirken mußte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1463"> Wenn aber auch das Ergebnis der Handelsbilanz nicht allein bestimmend<lb/>
war für den Ab- und Zufluß des Goldes, so bleibt es anderseits doch un¬<lb/>
bestreitbar, daß die Entwertung der Valuta in derselben teilweise ihren Grund<lb/>
hatte. Noch sicherer ist, daß das einzig zuverlässige Mittel, den Kurs des Papier¬<lb/>
rubels wieder zu heben, auf diesem Gebiete internationalen Güteraustausches<lb/>
liegt und ein regelmäßiger Überschuß des Exports über den Import Rußland<lb/>
den Metallvvrrat wieder zuführen kann, dessen es zur Einziehung des in, Über¬<lb/>
maß ausgegebnen Papiergeldes bedarf.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1464" next="#ID_1465"> Nicht minder haltlos erscheint die zweite Erklärung, welche den finanziellen<lb/>
Notstand auf die jährlichen auswärtigen Rentenzahlungen zurückzuführen ver¬<lb/>
sucht. Diese Zahlungen haben thatsächlich den russischen Staatshaushalt nicht<lb/>
erschüttert. Denn die zahlreichen Anleihen, welche in den letzten zwei Jahrzehnten<lb/>
abgeschlossen wurden, boten stets die Mittel zur Zinszahlung an auswärtige<lb/>
Gläubiger. Die konsolidirte Schuld ist zwar gewachsen. Dies bewirkt aber<lb/>
an sich nicht ein Sinken des Papierknrses. In Frankreich z. B. hat sich der¬<lb/>
selbe auch bei den größten Ansprüchen an den öffentlichen Kredit erhalten.<lb/>
Übrigens läßt es sich in der russischen Finanzgcschichte nachweise», daß der<lb/>
Rubelkurs gerade dann am stärksten sank, wenn die Mittel zur Zinszahlung<lb/>
in genügender Weise vorhanden waren. In den sechs Jahren z. B. von 1856<lb/>
bis 1862 betrug die Rente der auswärtigen Staatsschuld, nach dem Durchschnitts¬<lb/>
kurse vom 1. Januar 1859 berechnet, nebst einem Prozent zur Tilgung der<lb/>
Terminschuld jährlich 14 943 182 Rubel, was für die betreffenden sechs Jahre<lb/>
eine Gesamtausgabe von etwa 90 Mill. ergeben würde. In dem gleichen Zeit¬<lb/>
raume aber bezog die Staatskasse auf dem Wege auswärtiger Anleihen die<lb/>
Summe von 15 Mill. Pf. Sterl. oder ungefähr 100 Mill. Rubel. Es stellt<lb/>
sich sonach, wenn wir die Rente dieser Anleihen und deren jährliche Tilgnugs-<lb/>
quote zusammen auf 10 Mill. Rubel Silber anschlagen, eine vollständige Bilanz<lb/>
zwischen den vom Auslande geliehenen Beträgen und den dorthin abgeführten<lb/>
Rentenzahlungen heraus. Erweitern wir aber diese Berechnung nur um einige<lb/>
Monate nach beiden Seiten hin, so würden noch die Anleihen vom 26. November<lb/>
1836 und voni 14. April 1862, welche der Staatskasse etwa 121 Mill. zu¬<lb/>
führten, unter die Rubrik der Metalleiufnhr fallen, und sich also nach Abzug<lb/>
der Zinsen für jene vier Monate ein Mehrbetrag der Einfuhr um mindestens</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0512] Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta. von einer Reihe andrer Ursachen, wie z. B. von Anleihen, internationalen Zahlungen und derartigen nichtmerkantilen Operationen wesentlich ab. Außerdem hält die Entwertung des Papiergeldes keineswegs gleichen Schritt mit dessen Abnahme an Kaufkraft, sondern eilt der letztern meistens voraus. Daher konnten russische Produkte nicht so rasch in ihrem in Papierrubelu bezahlten Preise steigen, als die Billete im Kurs entwertet wurden. Diese Artikel erschienen vielmehr, in Münze berechnet, als im Preise gesunken, ein Umstand, der bei manchen vom Auslande bezognen Waaren als Exportprämie wirken mußte. Wenn aber auch das Ergebnis der Handelsbilanz nicht allein bestimmend war für den Ab- und Zufluß des Goldes, so bleibt es anderseits doch un¬ bestreitbar, daß die Entwertung der Valuta in derselben teilweise ihren Grund hatte. Noch sicherer ist, daß das einzig zuverlässige Mittel, den Kurs des Papier¬ rubels wieder zu heben, auf diesem Gebiete internationalen Güteraustausches liegt und ein regelmäßiger Überschuß des Exports über den Import Rußland den Metallvvrrat wieder zuführen kann, dessen es zur Einziehung des in, Über¬ maß ausgegebnen Papiergeldes bedarf. Nicht minder haltlos erscheint die zweite Erklärung, welche den finanziellen Notstand auf die jährlichen auswärtigen Rentenzahlungen zurückzuführen ver¬ sucht. Diese Zahlungen haben thatsächlich den russischen Staatshaushalt nicht erschüttert. Denn die zahlreichen Anleihen, welche in den letzten zwei Jahrzehnten abgeschlossen wurden, boten stets die Mittel zur Zinszahlung an auswärtige Gläubiger. Die konsolidirte Schuld ist zwar gewachsen. Dies bewirkt aber an sich nicht ein Sinken des Papierknrses. In Frankreich z. B. hat sich der¬ selbe auch bei den größten Ansprüchen an den öffentlichen Kredit erhalten. Übrigens läßt es sich in der russischen Finanzgcschichte nachweise», daß der Rubelkurs gerade dann am stärksten sank, wenn die Mittel zur Zinszahlung in genügender Weise vorhanden waren. In den sechs Jahren z. B. von 1856 bis 1862 betrug die Rente der auswärtigen Staatsschuld, nach dem Durchschnitts¬ kurse vom 1. Januar 1859 berechnet, nebst einem Prozent zur Tilgung der Terminschuld jährlich 14 943 182 Rubel, was für die betreffenden sechs Jahre eine Gesamtausgabe von etwa 90 Mill. ergeben würde. In dem gleichen Zeit¬ raume aber bezog die Staatskasse auf dem Wege auswärtiger Anleihen die Summe von 15 Mill. Pf. Sterl. oder ungefähr 100 Mill. Rubel. Es stellt sich sonach, wenn wir die Rente dieser Anleihen und deren jährliche Tilgnugs- quote zusammen auf 10 Mill. Rubel Silber anschlagen, eine vollständige Bilanz zwischen den vom Auslande geliehenen Beträgen und den dorthin abgeführten Rentenzahlungen heraus. Erweitern wir aber diese Berechnung nur um einige Monate nach beiden Seiten hin, so würden noch die Anleihen vom 26. November 1836 und voni 14. April 1862, welche der Staatskasse etwa 121 Mill. zu¬ führten, unter die Rubrik der Metalleiufnhr fallen, und sich also nach Abzug der Zinsen für jene vier Monate ein Mehrbetrag der Einfuhr um mindestens

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/512
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/512>, abgerufen am 30.06.2024.