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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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(Lamoens.
Adolf Stern. Roman von
(Fortsetzung.)

amoens empfand aufrichtigen Schmerz um den Tod des greisen
Helden, welcher ihm edle Teilnahme bewährt hatte; er hätte
gern alle seine Gedanken bei der Erinnerung an Pachecos Nuhmes-
thaten festgehalten, aber umsonst kämpfte er gegen die Geister
des verflossenen Abends. Wie er diesen Morgen nur halb bei
der schlichten Bestattung Joanas gewesen war, so fühlte er mich jetzt, daß er
ohne den rechten Anteil in dem endlosen glänzenden Zuge mitschritt. Vor ihm
und über ihm rauschten umflorte Banner, doch ihr Wallen und Wehen führte
seine Seele heute nicht in vergangne Tage zurück. Nicht was gewesen war,
nur was kommen sollte, was die nächste Stunde bringen würde, befing ihn.
Als er bei einer Wendung des Weges die Fidcilgos an sich vorüberschreiten sah,
Barreto und die Brüder Evora erkannte, als er wahrnahm, in welcher Trauer
sie nach dem großen goldnen Kruzifix blickten, das den Wagen überragte, auf
welchem der Sarg des Marschalls stand, da empfand er schmerzliche Scham,
daß er, er mochte wollen oder nicht, eben den Tag herbeisehne, vor welchen,
diese edeln und ernsten Männer heute mehr als je zuvor bangem. Die Zere¬
monie näherte sich rasch ihrem Ende, die Hunderte, welche dem Trauerzuge ge¬
folgt waren, drängten sich um die Kapelle, in welcher nur Dom Sebastian und
seine Umgebung und die vornehmsten der Christnsritter Raum fanden. Camoens
sah und vernahm nicht das mindeste von der feierlichen Übergabe, alles aber, was
in den dichtgedrängten Reihen gesprochen ward, zwischen denen er verschwand, und
was an sein Ohr drang, erfüllte ihn mit tiefem Widerwillen. Das flüsterte,
zischelte, raunte von gleichgiltigen Dingen, von der Sorge um einen guten
Abendtrunk für heute, vom Staube der Straße bis Lissabon, von den sieben¬
hundert fremden Seeleuten und Knechten, die in den letzten Tagen für den


Grmzvotm II. 1886. SS


(Lamoens.
Adolf Stern. Roman von
(Fortsetzung.)

amoens empfand aufrichtigen Schmerz um den Tod des greisen
Helden, welcher ihm edle Teilnahme bewährt hatte; er hätte
gern alle seine Gedanken bei der Erinnerung an Pachecos Nuhmes-
thaten festgehalten, aber umsonst kämpfte er gegen die Geister
des verflossenen Abends. Wie er diesen Morgen nur halb bei
der schlichten Bestattung Joanas gewesen war, so fühlte er mich jetzt, daß er
ohne den rechten Anteil in dem endlosen glänzenden Zuge mitschritt. Vor ihm
und über ihm rauschten umflorte Banner, doch ihr Wallen und Wehen führte
seine Seele heute nicht in vergangne Tage zurück. Nicht was gewesen war,
nur was kommen sollte, was die nächste Stunde bringen würde, befing ihn.
Als er bei einer Wendung des Weges die Fidcilgos an sich vorüberschreiten sah,
Barreto und die Brüder Evora erkannte, als er wahrnahm, in welcher Trauer
sie nach dem großen goldnen Kruzifix blickten, das den Wagen überragte, auf
welchem der Sarg des Marschalls stand, da empfand er schmerzliche Scham,
daß er, er mochte wollen oder nicht, eben den Tag herbeisehne, vor welchen,
diese edeln und ernsten Männer heute mehr als je zuvor bangem. Die Zere¬
monie näherte sich rasch ihrem Ende, die Hunderte, welche dem Trauerzuge ge¬
folgt waren, drängten sich um die Kapelle, in welcher nur Dom Sebastian und
seine Umgebung und die vornehmsten der Christnsritter Raum fanden. Camoens
sah und vernahm nicht das mindeste von der feierlichen Übergabe, alles aber, was
in den dichtgedrängten Reihen gesprochen ward, zwischen denen er verschwand, und
was an sein Ohr drang, erfüllte ihn mit tiefem Widerwillen. Das flüsterte,
zischelte, raunte von gleichgiltigen Dingen, von der Sorge um einen guten
Abendtrunk für heute, vom Staube der Straße bis Lissabon, von den sieben¬
hundert fremden Seeleuten und Knechten, die in den letzten Tagen für den


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[0441] [Abbildung] (Lamoens. Adolf Stern. Roman von (Fortsetzung.) amoens empfand aufrichtigen Schmerz um den Tod des greisen Helden, welcher ihm edle Teilnahme bewährt hatte; er hätte gern alle seine Gedanken bei der Erinnerung an Pachecos Nuhmes- thaten festgehalten, aber umsonst kämpfte er gegen die Geister des verflossenen Abends. Wie er diesen Morgen nur halb bei der schlichten Bestattung Joanas gewesen war, so fühlte er mich jetzt, daß er ohne den rechten Anteil in dem endlosen glänzenden Zuge mitschritt. Vor ihm und über ihm rauschten umflorte Banner, doch ihr Wallen und Wehen führte seine Seele heute nicht in vergangne Tage zurück. Nicht was gewesen war, nur was kommen sollte, was die nächste Stunde bringen würde, befing ihn. Als er bei einer Wendung des Weges die Fidcilgos an sich vorüberschreiten sah, Barreto und die Brüder Evora erkannte, als er wahrnahm, in welcher Trauer sie nach dem großen goldnen Kruzifix blickten, das den Wagen überragte, auf welchem der Sarg des Marschalls stand, da empfand er schmerzliche Scham, daß er, er mochte wollen oder nicht, eben den Tag herbeisehne, vor welchen, diese edeln und ernsten Männer heute mehr als je zuvor bangem. Die Zere¬ monie näherte sich rasch ihrem Ende, die Hunderte, welche dem Trauerzuge ge¬ folgt waren, drängten sich um die Kapelle, in welcher nur Dom Sebastian und seine Umgebung und die vornehmsten der Christnsritter Raum fanden. Camoens sah und vernahm nicht das mindeste von der feierlichen Übergabe, alles aber, was in den dichtgedrängten Reihen gesprochen ward, zwischen denen er verschwand, und was an sein Ohr drang, erfüllte ihn mit tiefem Widerwillen. Das flüsterte, zischelte, raunte von gleichgiltigen Dingen, von der Sorge um einen guten Abendtrunk für heute, vom Staube der Straße bis Lissabon, von den sieben¬ hundert fremden Seeleuten und Knechten, die in den letzten Tagen für den Grmzvotm II. 1886. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/441>, abgerufen am 26.07.2024.