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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Gladstone in Not.

worden, und ihre Verpflichtungen ließen sich nicht ohne weiteres für die Königin
umschreiben, und sie waren nahe daran, zu mentem, als die Regierung auf die
Bedingungen, die sie stellten, einging. Das Recht der Bevölkerung Ulsters (ge¬
nauer Ost-Ulsters) ist aber viel stärker. Sie halten es in jeder Beziehung mit
Großbritannien; denu sie sind durch Abstammung, Überlieferung und Glauben
teils Engländer, teils Schotten, sie sind es anch mit ihrer Genebenhcit, ihrem
Starrsinn, ihrem Gewerbfleiß und ihrem Gedeihen in Geschäftssachen, sie sind
mit hundert Banden der Verwandtschaft, der Verschwägerung, des geschäftlichen
Lebens und der Politik an das Vereinigte Königreich gefesselt und kennen
zwischen sich und diesem keine andre Grenze als die See. Selbst wenn sie an
Gladstones Traum von einem unter der Herrschaft von Bauern und Priestern
glücklicher als bisher lebenden Irland als an eine Wahrscheinlichkeit glauben
könnten, würden sie die Sache als Linsengericht für ihr Erstgeburtsrecht von
sich weisen. Sie sind mit dem Volke im Osten des Gevrgskanals durch und
durch verwachsen, ein Fleisch und Blut mit ihm. Sie haben mit mancherlei
Leistungen, als Krieger und als Beamte, zu seiner Größe beigetragen. Und
jetzt sollen sie von seiner Seite gerissen und von Fremden geknechtet werden,
weil diese, größtenteils aus den ärmsten, elendesten und für den Fortschritt un¬
tauglichsten Bauern der Welt bestehend, ungestüm darnach schreien. Man denkt
unwillkürlich dabei an Lear und seine Töchter. Cordelia wird verstoßen, und der
alte König erklärt sich für Goneril und Regan und teilt sein Reich unter sie aus.

In der That, die Weigerung des östlichen Ulster, sich zur Unterwerfung
unter den Willen Parnells zu bequemen, hat ein sehr ernstes Ansehen. Wir
glauben nicht, daß sofort nach einer Verwirklichung der irischen Absichten Glad¬
stones eine Schaar von Leuten aus Connaught und Münster gen Norden auf¬
brechen würde, um die sezessionistischcn Grafschaften Ulsters für das neue Irland
zu erobern. Mit einer militärischen Organisation des letztern wird es gute
Weile haben. Die Bauern des Südens haben deu uicht beneidenswerten Mut
gehabt, einzelne Gutsherren meuchlerisch niederzustoßen und einsam wohnende
Pächter zu boyeottircn; daß sie zu Soldaten langen, haben sie noch zu beweisen.
Sie haben Überfälle bei Mondschein ausgeführt, aber uoch niemals vor be¬
waffneter Gendarmerie standgehalten. Ulster zu bezwingen, ist mehr erforderlich
als die Courage, die mit einer Schrotflinte hinter einer Hecke hervorschießt. Par-
nell würde schwerlich so bald eine Streitkraft zusammenbringen, welche hinreichte,
um den sezessionistischen Grafschaften sein Joch aufzunötigen, bei ihnen seine
Richter einzusetzen und von ihnen Steuern einzutreiben. Deshalb hat kein Lieb¬
haber des Friedens, wenn man in Ulster daran denkt, sich zu bewaffnen, um
für alle Fälle gerüstet zu sein, viel Ursache, sich zu ängstigen, daß parnellitische
Bataillone versuchen werden, den Bohne zu überschreiten und dem trotzigen
Grimm der strammen Presbhtericmer des Nordens eine Schlacht anzubieten.
Parnell wird kaum geneigt sein, gleich zu Anfang seiner Herrschaft ein Art
Bürgerkrieg anzufachen, der Züge eines Glaubenskrieges zeigen würde. Er wird


Gladstone in Not.

worden, und ihre Verpflichtungen ließen sich nicht ohne weiteres für die Königin
umschreiben, und sie waren nahe daran, zu mentem, als die Regierung auf die
Bedingungen, die sie stellten, einging. Das Recht der Bevölkerung Ulsters (ge¬
nauer Ost-Ulsters) ist aber viel stärker. Sie halten es in jeder Beziehung mit
Großbritannien; denu sie sind durch Abstammung, Überlieferung und Glauben
teils Engländer, teils Schotten, sie sind es anch mit ihrer Genebenhcit, ihrem
Starrsinn, ihrem Gewerbfleiß und ihrem Gedeihen in Geschäftssachen, sie sind
mit hundert Banden der Verwandtschaft, der Verschwägerung, des geschäftlichen
Lebens und der Politik an das Vereinigte Königreich gefesselt und kennen
zwischen sich und diesem keine andre Grenze als die See. Selbst wenn sie an
Gladstones Traum von einem unter der Herrschaft von Bauern und Priestern
glücklicher als bisher lebenden Irland als an eine Wahrscheinlichkeit glauben
könnten, würden sie die Sache als Linsengericht für ihr Erstgeburtsrecht von
sich weisen. Sie sind mit dem Volke im Osten des Gevrgskanals durch und
durch verwachsen, ein Fleisch und Blut mit ihm. Sie haben mit mancherlei
Leistungen, als Krieger und als Beamte, zu seiner Größe beigetragen. Und
jetzt sollen sie von seiner Seite gerissen und von Fremden geknechtet werden,
weil diese, größtenteils aus den ärmsten, elendesten und für den Fortschritt un¬
tauglichsten Bauern der Welt bestehend, ungestüm darnach schreien. Man denkt
unwillkürlich dabei an Lear und seine Töchter. Cordelia wird verstoßen, und der
alte König erklärt sich für Goneril und Regan und teilt sein Reich unter sie aus.

In der That, die Weigerung des östlichen Ulster, sich zur Unterwerfung
unter den Willen Parnells zu bequemen, hat ein sehr ernstes Ansehen. Wir
glauben nicht, daß sofort nach einer Verwirklichung der irischen Absichten Glad¬
stones eine Schaar von Leuten aus Connaught und Münster gen Norden auf¬
brechen würde, um die sezessionistischcn Grafschaften Ulsters für das neue Irland
zu erobern. Mit einer militärischen Organisation des letztern wird es gute
Weile haben. Die Bauern des Südens haben deu uicht beneidenswerten Mut
gehabt, einzelne Gutsherren meuchlerisch niederzustoßen und einsam wohnende
Pächter zu boyeottircn; daß sie zu Soldaten langen, haben sie noch zu beweisen.
Sie haben Überfälle bei Mondschein ausgeführt, aber uoch niemals vor be¬
waffneter Gendarmerie standgehalten. Ulster zu bezwingen, ist mehr erforderlich
als die Courage, die mit einer Schrotflinte hinter einer Hecke hervorschießt. Par-
nell würde schwerlich so bald eine Streitkraft zusammenbringen, welche hinreichte,
um den sezessionistischen Grafschaften sein Joch aufzunötigen, bei ihnen seine
Richter einzusetzen und von ihnen Steuern einzutreiben. Deshalb hat kein Lieb¬
haber des Friedens, wenn man in Ulster daran denkt, sich zu bewaffnen, um
für alle Fälle gerüstet zu sein, viel Ursache, sich zu ängstigen, daß parnellitische
Bataillone versuchen werden, den Bohne zu überschreiten und dem trotzigen
Grimm der strammen Presbhtericmer des Nordens eine Schlacht anzubieten.
Parnell wird kaum geneigt sein, gleich zu Anfang seiner Herrschaft ein Art
Bürgerkrieg anzufachen, der Züge eines Glaubenskrieges zeigen würde. Er wird


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[0439] Gladstone in Not. worden, und ihre Verpflichtungen ließen sich nicht ohne weiteres für die Königin umschreiben, und sie waren nahe daran, zu mentem, als die Regierung auf die Bedingungen, die sie stellten, einging. Das Recht der Bevölkerung Ulsters (ge¬ nauer Ost-Ulsters) ist aber viel stärker. Sie halten es in jeder Beziehung mit Großbritannien; denu sie sind durch Abstammung, Überlieferung und Glauben teils Engländer, teils Schotten, sie sind es anch mit ihrer Genebenhcit, ihrem Starrsinn, ihrem Gewerbfleiß und ihrem Gedeihen in Geschäftssachen, sie sind mit hundert Banden der Verwandtschaft, der Verschwägerung, des geschäftlichen Lebens und der Politik an das Vereinigte Königreich gefesselt und kennen zwischen sich und diesem keine andre Grenze als die See. Selbst wenn sie an Gladstones Traum von einem unter der Herrschaft von Bauern und Priestern glücklicher als bisher lebenden Irland als an eine Wahrscheinlichkeit glauben könnten, würden sie die Sache als Linsengericht für ihr Erstgeburtsrecht von sich weisen. Sie sind mit dem Volke im Osten des Gevrgskanals durch und durch verwachsen, ein Fleisch und Blut mit ihm. Sie haben mit mancherlei Leistungen, als Krieger und als Beamte, zu seiner Größe beigetragen. Und jetzt sollen sie von seiner Seite gerissen und von Fremden geknechtet werden, weil diese, größtenteils aus den ärmsten, elendesten und für den Fortschritt un¬ tauglichsten Bauern der Welt bestehend, ungestüm darnach schreien. Man denkt unwillkürlich dabei an Lear und seine Töchter. Cordelia wird verstoßen, und der alte König erklärt sich für Goneril und Regan und teilt sein Reich unter sie aus. In der That, die Weigerung des östlichen Ulster, sich zur Unterwerfung unter den Willen Parnells zu bequemen, hat ein sehr ernstes Ansehen. Wir glauben nicht, daß sofort nach einer Verwirklichung der irischen Absichten Glad¬ stones eine Schaar von Leuten aus Connaught und Münster gen Norden auf¬ brechen würde, um die sezessionistischcn Grafschaften Ulsters für das neue Irland zu erobern. Mit einer militärischen Organisation des letztern wird es gute Weile haben. Die Bauern des Südens haben deu uicht beneidenswerten Mut gehabt, einzelne Gutsherren meuchlerisch niederzustoßen und einsam wohnende Pächter zu boyeottircn; daß sie zu Soldaten langen, haben sie noch zu beweisen. Sie haben Überfälle bei Mondschein ausgeführt, aber uoch niemals vor be¬ waffneter Gendarmerie standgehalten. Ulster zu bezwingen, ist mehr erforderlich als die Courage, die mit einer Schrotflinte hinter einer Hecke hervorschießt. Par- nell würde schwerlich so bald eine Streitkraft zusammenbringen, welche hinreichte, um den sezessionistischen Grafschaften sein Joch aufzunötigen, bei ihnen seine Richter einzusetzen und von ihnen Steuern einzutreiben. Deshalb hat kein Lieb¬ haber des Friedens, wenn man in Ulster daran denkt, sich zu bewaffnen, um für alle Fälle gerüstet zu sein, viel Ursache, sich zu ängstigen, daß parnellitische Bataillone versuchen werden, den Bohne zu überschreiten und dem trotzigen Grimm der strammen Presbhtericmer des Nordens eine Schlacht anzubieten. Parnell wird kaum geneigt sein, gleich zu Anfang seiner Herrschaft ein Art Bürgerkrieg anzufachen, der Züge eines Glaubenskrieges zeigen würde. Er wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/439>, abgerufen am 25.07.2024.