Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Gladstono in Not.

nähmen. Sollte sich eine Mehrheit des Unterhcinses gegen die zweite Lesung
der irischen Bill Gladstones ergeben, so würde der natürliche Verlnnf in einem
neuen englischen Parlamente, das eine Menge wichtiger Geschäfte vor sich sähe,
der sein, daß Lord Hartingtou, der Führer der erfolgreichen Bewegung unter
den Liberalen, von der Königin berufen würde, ein neues Kabinet zu bilde",
und daß er diesem Rufe Folge leistete. Gleichwohl könnte er zögern, und zwar
aus guten Gründen. Es fragt sich sehr, ob die Anhänger Gladstones diesem
Ministerium, obwohl es einen liberalen Charakter Hütte, billige Unterstützung
gewähren oder sich lieber mit deu Homernlern zusammenthun würden, um es
zu hemmen und zu bekämpfen. Es würde wünschenswert sein, dem neuen Kabi¬
nette die Gaben zu gewinnen, deren Besitz Lord Roseberry in der auswärtigen
Politik an den Tag gelegt hat. Dasselbe gilt von der Vestätignng einiger
andern Mitglieder der jetzigen Regierung. Aber von allen ist zu bezweifeln,
daß sie zu haben sein würden. Die Konservativen würden dagegen nicht zau¬
dern, Hartington ihren Beistand zu leihen, dafür birgt die ganze Haltung ihres
Führers Salisbnrh während der jetzigen Krisis; aber die Aussichten Harting-
tvns ans ein erfolgreiches Regiment blieben trotzdem keine glänzenden. Eine
andre Möglichkeit, die sich vielleicht verwirklichen würde, wenn Hartington sich
endgiltig weigerte, die Erbschaft Gladstones anzutreten, ist ein konservatives
Ministerium, gestützt auf das Versprechen der unionistischen Liberalen, ihm
im großen und gauzeu zur Seite zu stehen. Aber auch eine solche Negie¬
rung würde unaufhörlich in Gefahr schweben, wenn die separatistischen
Liberalen, mit den Homernlern Hand in Hand gehend, sichs angelegen sein
ließen, in Westminster und in Irland Störung und Verwirrung hervor¬
zurufen. Überdies aber ist anzunehmen, daß Lord Salisbnrh, der hierbei als
Premier zu denken wäre, wenigstens für einige Zeit genug von der falschen
Stellung hat, in welche ihn die letzten Wählen versetzten, und aus welcher er
sich durch den bekannten Cvllingsschen Antrag gewiß weniger verdrängt als
erlöst sah. So bleibt nur noch eine dritte Möglichkeit übrig: die Idee eines
Koalitionsministeriums, gegen die man hie und da den ziemlich thörichten Ein¬
wand erhebt, England liebe keine Koalition, als ob nicht alles von ihrem Wesen
und den Umständen abhinge, unter denen sie zustande kommt. Immerhin aber
hat jene Behauptung einigen Sinn, wenn man daran denkt, daß die Parteien
bei solchen Kompromissen in gewissem Maße gegenseitig ihren Meinungen ent¬
sagen, und innerhalb eines bestimmten Kreises von Fragen die Gesetzgebung in
ihrem Gange unterbrochen wird. Vielleicht war es eine Ahnung von allen
diesen Schlvierigkeiten, wenn neulich der Vorschlag laut wurde: sollte Gladstones
Home-Unke-Bill verworfen oder zurückgezogen werden, so könnte das Unterhaus
sich einigen, dem Ministerium Gladstone in einem Votum sein Vertrauen aus-
zusprechen, dem selbst Hartington sich vielleicht anschließen würde. Eine solche
Auffassung der Lage und der Rat, irgendetwas für eine günstige Abstimmung
zu thun und dann die Bill zu suspendiren, stammen aus dem Kreise politischer


Gladstono in Not.

nähmen. Sollte sich eine Mehrheit des Unterhcinses gegen die zweite Lesung
der irischen Bill Gladstones ergeben, so würde der natürliche Verlnnf in einem
neuen englischen Parlamente, das eine Menge wichtiger Geschäfte vor sich sähe,
der sein, daß Lord Hartingtou, der Führer der erfolgreichen Bewegung unter
den Liberalen, von der Königin berufen würde, ein neues Kabinet zu bilde»,
und daß er diesem Rufe Folge leistete. Gleichwohl könnte er zögern, und zwar
aus guten Gründen. Es fragt sich sehr, ob die Anhänger Gladstones diesem
Ministerium, obwohl es einen liberalen Charakter Hütte, billige Unterstützung
gewähren oder sich lieber mit deu Homernlern zusammenthun würden, um es
zu hemmen und zu bekämpfen. Es würde wünschenswert sein, dem neuen Kabi¬
nette die Gaben zu gewinnen, deren Besitz Lord Roseberry in der auswärtigen
Politik an den Tag gelegt hat. Dasselbe gilt von der Vestätignng einiger
andern Mitglieder der jetzigen Regierung. Aber von allen ist zu bezweifeln,
daß sie zu haben sein würden. Die Konservativen würden dagegen nicht zau¬
dern, Hartington ihren Beistand zu leihen, dafür birgt die ganze Haltung ihres
Führers Salisbnrh während der jetzigen Krisis; aber die Aussichten Harting-
tvns ans ein erfolgreiches Regiment blieben trotzdem keine glänzenden. Eine
andre Möglichkeit, die sich vielleicht verwirklichen würde, wenn Hartington sich
endgiltig weigerte, die Erbschaft Gladstones anzutreten, ist ein konservatives
Ministerium, gestützt auf das Versprechen der unionistischen Liberalen, ihm
im großen und gauzeu zur Seite zu stehen. Aber auch eine solche Negie¬
rung würde unaufhörlich in Gefahr schweben, wenn die separatistischen
Liberalen, mit den Homernlern Hand in Hand gehend, sichs angelegen sein
ließen, in Westminster und in Irland Störung und Verwirrung hervor¬
zurufen. Überdies aber ist anzunehmen, daß Lord Salisbnrh, der hierbei als
Premier zu denken wäre, wenigstens für einige Zeit genug von der falschen
Stellung hat, in welche ihn die letzten Wählen versetzten, und aus welcher er
sich durch den bekannten Cvllingsschen Antrag gewiß weniger verdrängt als
erlöst sah. So bleibt nur noch eine dritte Möglichkeit übrig: die Idee eines
Koalitionsministeriums, gegen die man hie und da den ziemlich thörichten Ein¬
wand erhebt, England liebe keine Koalition, als ob nicht alles von ihrem Wesen
und den Umständen abhinge, unter denen sie zustande kommt. Immerhin aber
hat jene Behauptung einigen Sinn, wenn man daran denkt, daß die Parteien
bei solchen Kompromissen in gewissem Maße gegenseitig ihren Meinungen ent¬
sagen, und innerhalb eines bestimmten Kreises von Fragen die Gesetzgebung in
ihrem Gange unterbrochen wird. Vielleicht war es eine Ahnung von allen
diesen Schlvierigkeiten, wenn neulich der Vorschlag laut wurde: sollte Gladstones
Home-Unke-Bill verworfen oder zurückgezogen werden, so könnte das Unterhaus
sich einigen, dem Ministerium Gladstone in einem Votum sein Vertrauen aus-
zusprechen, dem selbst Hartington sich vielleicht anschließen würde. Eine solche
Auffassung der Lage und der Rat, irgendetwas für eine günstige Abstimmung
zu thun und dann die Bill zu suspendiren, stammen aus dem Kreise politischer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198502"/>
          <fw type="header" place="top"> Gladstono in Not.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1263" prev="#ID_1262" next="#ID_1264"> nähmen. Sollte sich eine Mehrheit des Unterhcinses gegen die zweite Lesung<lb/>
der irischen Bill Gladstones ergeben, so würde der natürliche Verlnnf in einem<lb/>
neuen englischen Parlamente, das eine Menge wichtiger Geschäfte vor sich sähe,<lb/>
der sein, daß Lord Hartingtou, der Führer der erfolgreichen Bewegung unter<lb/>
den Liberalen, von der Königin berufen würde, ein neues Kabinet zu bilde»,<lb/>
und daß er diesem Rufe Folge leistete. Gleichwohl könnte er zögern, und zwar<lb/>
aus guten Gründen. Es fragt sich sehr, ob die Anhänger Gladstones diesem<lb/>
Ministerium, obwohl es einen liberalen Charakter Hütte, billige Unterstützung<lb/>
gewähren oder sich lieber mit deu Homernlern zusammenthun würden, um es<lb/>
zu hemmen und zu bekämpfen. Es würde wünschenswert sein, dem neuen Kabi¬<lb/>
nette die Gaben zu gewinnen, deren Besitz Lord Roseberry in der auswärtigen<lb/>
Politik an den Tag gelegt hat. Dasselbe gilt von der Vestätignng einiger<lb/>
andern Mitglieder der jetzigen Regierung. Aber von allen ist zu bezweifeln,<lb/>
daß sie zu haben sein würden. Die Konservativen würden dagegen nicht zau¬<lb/>
dern, Hartington ihren Beistand zu leihen, dafür birgt die ganze Haltung ihres<lb/>
Führers Salisbnrh während der jetzigen Krisis; aber die Aussichten Harting-<lb/>
tvns ans ein erfolgreiches Regiment blieben trotzdem keine glänzenden. Eine<lb/>
andre Möglichkeit, die sich vielleicht verwirklichen würde, wenn Hartington sich<lb/>
endgiltig weigerte, die Erbschaft Gladstones anzutreten, ist ein konservatives<lb/>
Ministerium, gestützt auf das Versprechen der unionistischen Liberalen, ihm<lb/>
im großen und gauzeu zur Seite zu stehen. Aber auch eine solche Negie¬<lb/>
rung würde unaufhörlich in Gefahr schweben, wenn die separatistischen<lb/>
Liberalen, mit den Homernlern Hand in Hand gehend, sichs angelegen sein<lb/>
ließen, in Westminster und in Irland Störung und Verwirrung hervor¬<lb/>
zurufen. Überdies aber ist anzunehmen, daß Lord Salisbnrh, der hierbei als<lb/>
Premier zu denken wäre, wenigstens für einige Zeit genug von der falschen<lb/>
Stellung hat, in welche ihn die letzten Wählen versetzten, und aus welcher er<lb/>
sich durch den bekannten Cvllingsschen Antrag gewiß weniger verdrängt als<lb/>
erlöst sah. So bleibt nur noch eine dritte Möglichkeit übrig: die Idee eines<lb/>
Koalitionsministeriums, gegen die man hie und da den ziemlich thörichten Ein¬<lb/>
wand erhebt, England liebe keine Koalition, als ob nicht alles von ihrem Wesen<lb/>
und den Umständen abhinge, unter denen sie zustande kommt. Immerhin aber<lb/>
hat jene Behauptung einigen Sinn, wenn man daran denkt, daß die Parteien<lb/>
bei solchen Kompromissen in gewissem Maße gegenseitig ihren Meinungen ent¬<lb/>
sagen, und innerhalb eines bestimmten Kreises von Fragen die Gesetzgebung in<lb/>
ihrem Gange unterbrochen wird. Vielleicht war es eine Ahnung von allen<lb/>
diesen Schlvierigkeiten, wenn neulich der Vorschlag laut wurde: sollte Gladstones<lb/>
Home-Unke-Bill verworfen oder zurückgezogen werden, so könnte das Unterhaus<lb/>
sich einigen, dem Ministerium Gladstone in einem Votum sein Vertrauen aus-<lb/>
zusprechen, dem selbst Hartington sich vielleicht anschließen würde. Eine solche<lb/>
Auffassung der Lage und der Rat, irgendetwas für eine günstige Abstimmung<lb/>
zu thun und dann die Bill zu suspendiren, stammen aus dem Kreise politischer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0436] Gladstono in Not. nähmen. Sollte sich eine Mehrheit des Unterhcinses gegen die zweite Lesung der irischen Bill Gladstones ergeben, so würde der natürliche Verlnnf in einem neuen englischen Parlamente, das eine Menge wichtiger Geschäfte vor sich sähe, der sein, daß Lord Hartingtou, der Führer der erfolgreichen Bewegung unter den Liberalen, von der Königin berufen würde, ein neues Kabinet zu bilde», und daß er diesem Rufe Folge leistete. Gleichwohl könnte er zögern, und zwar aus guten Gründen. Es fragt sich sehr, ob die Anhänger Gladstones diesem Ministerium, obwohl es einen liberalen Charakter Hütte, billige Unterstützung gewähren oder sich lieber mit deu Homernlern zusammenthun würden, um es zu hemmen und zu bekämpfen. Es würde wünschenswert sein, dem neuen Kabi¬ nette die Gaben zu gewinnen, deren Besitz Lord Roseberry in der auswärtigen Politik an den Tag gelegt hat. Dasselbe gilt von der Vestätignng einiger andern Mitglieder der jetzigen Regierung. Aber von allen ist zu bezweifeln, daß sie zu haben sein würden. Die Konservativen würden dagegen nicht zau¬ dern, Hartington ihren Beistand zu leihen, dafür birgt die ganze Haltung ihres Führers Salisbnrh während der jetzigen Krisis; aber die Aussichten Harting- tvns ans ein erfolgreiches Regiment blieben trotzdem keine glänzenden. Eine andre Möglichkeit, die sich vielleicht verwirklichen würde, wenn Hartington sich endgiltig weigerte, die Erbschaft Gladstones anzutreten, ist ein konservatives Ministerium, gestützt auf das Versprechen der unionistischen Liberalen, ihm im großen und gauzeu zur Seite zu stehen. Aber auch eine solche Negie¬ rung würde unaufhörlich in Gefahr schweben, wenn die separatistischen Liberalen, mit den Homernlern Hand in Hand gehend, sichs angelegen sein ließen, in Westminster und in Irland Störung und Verwirrung hervor¬ zurufen. Überdies aber ist anzunehmen, daß Lord Salisbnrh, der hierbei als Premier zu denken wäre, wenigstens für einige Zeit genug von der falschen Stellung hat, in welche ihn die letzten Wählen versetzten, und aus welcher er sich durch den bekannten Cvllingsschen Antrag gewiß weniger verdrängt als erlöst sah. So bleibt nur noch eine dritte Möglichkeit übrig: die Idee eines Koalitionsministeriums, gegen die man hie und da den ziemlich thörichten Ein¬ wand erhebt, England liebe keine Koalition, als ob nicht alles von ihrem Wesen und den Umständen abhinge, unter denen sie zustande kommt. Immerhin aber hat jene Behauptung einigen Sinn, wenn man daran denkt, daß die Parteien bei solchen Kompromissen in gewissem Maße gegenseitig ihren Meinungen ent¬ sagen, und innerhalb eines bestimmten Kreises von Fragen die Gesetzgebung in ihrem Gange unterbrochen wird. Vielleicht war es eine Ahnung von allen diesen Schlvierigkeiten, wenn neulich der Vorschlag laut wurde: sollte Gladstones Home-Unke-Bill verworfen oder zurückgezogen werden, so könnte das Unterhaus sich einigen, dem Ministerium Gladstone in einem Votum sein Vertrauen aus- zusprechen, dem selbst Hartington sich vielleicht anschließen würde. Eine solche Auffassung der Lage und der Rat, irgendetwas für eine günstige Abstimmung zu thun und dann die Bill zu suspendiren, stammen aus dem Kreise politischer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/436
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/436>, abgerufen am 27.12.2024.