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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoöns.

fangen, um eine Frage darnach zu thun. Ihr hört, Lins, wie es steht. Wir
werden morgen dreimal begraben: in der Frühe die kleine Joana, am Nach¬
mittage Dom Antonio, den teuern Helden, und vom Morgen bis zum Abend
unsre letzte Hoffnung, daß die unselige Unternehmung, die den König und Por¬
tugal verderben wird, noch abgewendet werden könne.

Laßt den König ziehen, Manuel! und wenn er selbst sieglos wiederkehrt,
den Maurenfürsten, den Würger, bringt er doch nicht wieder mit! erwiederte
Camoens leisen Tones, aber doch heftig.

Varreto schaute von dem Mahle, das er uoch kaum berührt hatte, auf:
Habt Ihr das aus der Unterredung mit dem Kaplan davongetragen? Ihr
vergeßt, was auf dem Spiele steht, und daß kein Portugiese, der ein Herz in
der Brust und ein Hirn hat, das ihm die Jesuiten nicht umnebelt haben, Dom
Sebastian zu diesem Schritte raten darf! Noch vom Schiffsbord müßte man
den König herabreißen, wenn man die Macht dazu hätte!'

Ich weiß nicht erst seit heute, daß Ihr so denkt! entgegnete Canoeus,
indem er den aufwallenden Unmut bezwang. Und Ihr müßt mir heute wie
immer verzeihen, wenn ich nicht völlig Eure Überzeugung teile!

Barreto aHute nicht, daß der Freund in diesem Augenblicke still bei sich
beschloß, ihm von der Begegnung und Unterredung mit Tellez Alucita nicht
mehr mitzuteilen, als was Barreto wissen mußte, von der Erregung des Zurück--
rittes aus Santa Eufemia aber nichts zu verraten. Wohl fuhr es Camoens
durch den Sinn, daß Barreto es nicht um ihn verdient habe, ihm irgend etwas
zu verschweigen, doch wozu sollte der erneute Zwist über des Königs Pläne
führen? Und was Camoens jetzt den heißen Wunsch hegen ließ, daß Dom
Sebastian fern sei" und auf lange Zeit fern verweilen möge, davon durfte
Barreto zu allerletzt erfahren. So zwang sich der Dichter, einen leichtern Ton
anzuschlagen, zwang sich, selbst der Küche der Frau Barbara Ehre anzuthun
und zwischcndrein zu vernehmen, wie Barreto über den nächsten Tag verfügt
habe. Der Fidalgo wußte bereits jetzt, daß er die Klage wider Mnlei Mu-
hamed erst nach der feierlichen Bestattung des greisen Pacheco erheben könne.
Er setzte voraus, daß Camoens alsbald nach dem Tranergepränge mit Joao
wieder nach Almvcegema zurückkehren werde. Und Camoens widersprach nicht.
So unmöglich es ihm dünkte, Cintra zu verlassen, ohne von Catarina gehört,
ohne sie gesehen zu haben, so war doch die Sehnsucht, mit sich allein zu sein,
so mächtig in ihm, daß er nur sagte: Wenn Ihr sicher seid, Manuel, daß mein
Verweilen Euch nicht nützen kann, so bleibt es bei der Abrede. Morgen Abend
reite ich --

Nicht bei Nacht, siel ihm Barreto ins Wort. Es war gewagt und thöricht,
daß ich Euch heute den Weg von Santa Eufemia her allein zurücklegen ließ,
Ihr bringt morgen die Nacht noch hier am Bord zu und brecht am Samstag
mit dem Frühlicht auf!


Lamoöns.

fangen, um eine Frage darnach zu thun. Ihr hört, Lins, wie es steht. Wir
werden morgen dreimal begraben: in der Frühe die kleine Joana, am Nach¬
mittage Dom Antonio, den teuern Helden, und vom Morgen bis zum Abend
unsre letzte Hoffnung, daß die unselige Unternehmung, die den König und Por¬
tugal verderben wird, noch abgewendet werden könne.

Laßt den König ziehen, Manuel! und wenn er selbst sieglos wiederkehrt,
den Maurenfürsten, den Würger, bringt er doch nicht wieder mit! erwiederte
Camoens leisen Tones, aber doch heftig.

Varreto schaute von dem Mahle, das er uoch kaum berührt hatte, auf:
Habt Ihr das aus der Unterredung mit dem Kaplan davongetragen? Ihr
vergeßt, was auf dem Spiele steht, und daß kein Portugiese, der ein Herz in
der Brust und ein Hirn hat, das ihm die Jesuiten nicht umnebelt haben, Dom
Sebastian zu diesem Schritte raten darf! Noch vom Schiffsbord müßte man
den König herabreißen, wenn man die Macht dazu hätte!'

Ich weiß nicht erst seit heute, daß Ihr so denkt! entgegnete Canoeus,
indem er den aufwallenden Unmut bezwang. Und Ihr müßt mir heute wie
immer verzeihen, wenn ich nicht völlig Eure Überzeugung teile!

Barreto aHute nicht, daß der Freund in diesem Augenblicke still bei sich
beschloß, ihm von der Begegnung und Unterredung mit Tellez Alucita nicht
mehr mitzuteilen, als was Barreto wissen mußte, von der Erregung des Zurück--
rittes aus Santa Eufemia aber nichts zu verraten. Wohl fuhr es Camoens
durch den Sinn, daß Barreto es nicht um ihn verdient habe, ihm irgend etwas
zu verschweigen, doch wozu sollte der erneute Zwist über des Königs Pläne
führen? Und was Camoens jetzt den heißen Wunsch hegen ließ, daß Dom
Sebastian fern sei» und auf lange Zeit fern verweilen möge, davon durfte
Barreto zu allerletzt erfahren. So zwang sich der Dichter, einen leichtern Ton
anzuschlagen, zwang sich, selbst der Küche der Frau Barbara Ehre anzuthun
und zwischcndrein zu vernehmen, wie Barreto über den nächsten Tag verfügt
habe. Der Fidalgo wußte bereits jetzt, daß er die Klage wider Mnlei Mu-
hamed erst nach der feierlichen Bestattung des greisen Pacheco erheben könne.
Er setzte voraus, daß Camoens alsbald nach dem Tranergepränge mit Joao
wieder nach Almvcegema zurückkehren werde. Und Camoens widersprach nicht.
So unmöglich es ihm dünkte, Cintra zu verlassen, ohne von Catarina gehört,
ohne sie gesehen zu haben, so war doch die Sehnsucht, mit sich allein zu sein,
so mächtig in ihm, daß er nur sagte: Wenn Ihr sicher seid, Manuel, daß mein
Verweilen Euch nicht nützen kann, so bleibt es bei der Abrede. Morgen Abend
reite ich —

Nicht bei Nacht, siel ihm Barreto ins Wort. Es war gewagt und thöricht,
daß ich Euch heute den Weg von Santa Eufemia her allein zurücklegen ließ,
Ihr bringt morgen die Nacht noch hier am Bord zu und brecht am Samstag
mit dem Frühlicht auf!


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[0391] Lamoöns. fangen, um eine Frage darnach zu thun. Ihr hört, Lins, wie es steht. Wir werden morgen dreimal begraben: in der Frühe die kleine Joana, am Nach¬ mittage Dom Antonio, den teuern Helden, und vom Morgen bis zum Abend unsre letzte Hoffnung, daß die unselige Unternehmung, die den König und Por¬ tugal verderben wird, noch abgewendet werden könne. Laßt den König ziehen, Manuel! und wenn er selbst sieglos wiederkehrt, den Maurenfürsten, den Würger, bringt er doch nicht wieder mit! erwiederte Camoens leisen Tones, aber doch heftig. Varreto schaute von dem Mahle, das er uoch kaum berührt hatte, auf: Habt Ihr das aus der Unterredung mit dem Kaplan davongetragen? Ihr vergeßt, was auf dem Spiele steht, und daß kein Portugiese, der ein Herz in der Brust und ein Hirn hat, das ihm die Jesuiten nicht umnebelt haben, Dom Sebastian zu diesem Schritte raten darf! Noch vom Schiffsbord müßte man den König herabreißen, wenn man die Macht dazu hätte!' Ich weiß nicht erst seit heute, daß Ihr so denkt! entgegnete Canoeus, indem er den aufwallenden Unmut bezwang. Und Ihr müßt mir heute wie immer verzeihen, wenn ich nicht völlig Eure Überzeugung teile! Barreto aHute nicht, daß der Freund in diesem Augenblicke still bei sich beschloß, ihm von der Begegnung und Unterredung mit Tellez Alucita nicht mehr mitzuteilen, als was Barreto wissen mußte, von der Erregung des Zurück-- rittes aus Santa Eufemia aber nichts zu verraten. Wohl fuhr es Camoens durch den Sinn, daß Barreto es nicht um ihn verdient habe, ihm irgend etwas zu verschweigen, doch wozu sollte der erneute Zwist über des Königs Pläne führen? Und was Camoens jetzt den heißen Wunsch hegen ließ, daß Dom Sebastian fern sei» und auf lange Zeit fern verweilen möge, davon durfte Barreto zu allerletzt erfahren. So zwang sich der Dichter, einen leichtern Ton anzuschlagen, zwang sich, selbst der Küche der Frau Barbara Ehre anzuthun und zwischcndrein zu vernehmen, wie Barreto über den nächsten Tag verfügt habe. Der Fidalgo wußte bereits jetzt, daß er die Klage wider Mnlei Mu- hamed erst nach der feierlichen Bestattung des greisen Pacheco erheben könne. Er setzte voraus, daß Camoens alsbald nach dem Tranergepränge mit Joao wieder nach Almvcegema zurückkehren werde. Und Camoens widersprach nicht. So unmöglich es ihm dünkte, Cintra zu verlassen, ohne von Catarina gehört, ohne sie gesehen zu haben, so war doch die Sehnsucht, mit sich allein zu sein, so mächtig in ihm, daß er nur sagte: Wenn Ihr sicher seid, Manuel, daß mein Verweilen Euch nicht nützen kann, so bleibt es bei der Abrede. Morgen Abend reite ich — Nicht bei Nacht, siel ihm Barreto ins Wort. Es war gewagt und thöricht, daß ich Euch heute den Weg von Santa Eufemia her allein zurücklegen ließ, Ihr bringt morgen die Nacht noch hier am Bord zu und brecht am Samstag mit dem Frühlicht auf!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/391>, abgerufen am 25.07.2024.