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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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eintretenden zu dem Tisch auf dem Herrensitz, welchen er für sie bewahrt hatte,
hindurchzusteueru, Camoens erkannte im Anblicken wohl den Raum, aber kaum
einen der Gäste wieder. Dort im hintern Winkel, bei der Fallthür, die zum
Keller führte, saßen allerdings einige der alten Schiffsgenossen des Wirts, aber
sie waren so dicht von allerhand abenteuernden, fremdem Seevolk umdrängt, daß
Bartolomeo ihnen kaum zu ihrem gewohnten Abendtmuk zu verhelfen vermochte.
Sonst wogte es wie ein Mohnfeld in dem weiten Schenkzimmer, wohl über
hundert rote Schiffermützen und unter ihnen weiurote Gesichter drängten sich
und neigten sich zu einander. Von einem der dicht besetzten Tische erhoben sich,
als Barreto und Camoens vorüberschritten, mehrere kräftige Männergestalten,
Senhor Manuel erkannte die Seeleute, welche ihn unmittelbar vor der ersten
Wiederbegegnung mit Camoens vom Kloster zum heiligen Kreuz bettelnd herab¬
begleitet hatten und einige Tage später im Gefolge des gcilieischen Propheten in.
Palaste eingedrungen waren. Heute hatten sie die alten Lumpen, in denen er
sie zuerst, und die Pilgerkutten, in denen er sie darnach erblickt hatte, von sich
geworfen, in neuen Schifferjacken und mit breiten grell-bunten Schärpen stellten
sie sich dar, rückten die Mützen und riefen den ritterlichen Herren einen fröhlichen
Gruß zu. Über Barretvs vergrämtes Gesicht zuckte doch ein Lächeln, und er
sagte wohlwollend: Nun, Ihr Schelme, ist Euch die Pilgerkutte zu heiß geworden,
habt Ihr Aussicht, wieder an Bord zu kommen?

Wir sind für Seiner Majestät Schiffe geworben -- es wird Ernst, sagte
der älteste und längste der braunen Gesellen mit einem gewissen Stolze. Die
Pilgeret, Senhor, war ein lästiges und schlechtes Gewerbe -- man zerriß sich
die letzten Schuhsohlen, und am Ende sah es aus, als ob man doch nur dem
Galgen zuliefe. Euer Wohl, Herr! wir sind eben dabei, Admiral Casalinhos
Handgeld zu vertrinken.

Laßt's Euch wohl bekommen und thut dann Eure Pflicht, erwiederte
Barreto. Wißt Ihr, wohin der Engelseher und der spanische Mönch gekommen
sind, die Euch in des Königs Saal führten?

Der Matrose verzog das Gesicht: Ich glaube wohl, daß sie glücklich dort
siud, von wo sie hergekommen. Sie haben eine kühle Heimreise gehabt, immer
bei Nacht, und soviel ich weiß, ans einem Klvsterkcller in den andern! Aber
Ihr seht, Senhor, Gott ist mächtig in dem Schwachen; obgleich der Prophet
gewarnt wurde, daß ihn: der König freies Quartier bei der heiligen Inquisition
zudenke, haben doch unsre Buß- und Schlachtlieder das ihrige gethan: der Kreuz-
zug geht bald unter Segel, und diese hier -- er zeigte auf sein und seiner
Kameraden kurze Schwerter -- bekommen hoffentlich gute Arbeit.

Barreto wandte sich ab und stieg ohne zu antworten nach dem Sitze und
Tische hinauf, wo Camoens sich schon niedergelassen hatte. Jetzt, im Lichte der
Lampen, die auf den Herrentischen brannten, nahm er erst wahr, wie bleich und
unruhig Camoens' Gesicht war. Er war indes zu sehr in seinen Gedanken be-


eintretenden zu dem Tisch auf dem Herrensitz, welchen er für sie bewahrt hatte,
hindurchzusteueru, Camoens erkannte im Anblicken wohl den Raum, aber kaum
einen der Gäste wieder. Dort im hintern Winkel, bei der Fallthür, die zum
Keller führte, saßen allerdings einige der alten Schiffsgenossen des Wirts, aber
sie waren so dicht von allerhand abenteuernden, fremdem Seevolk umdrängt, daß
Bartolomeo ihnen kaum zu ihrem gewohnten Abendtmuk zu verhelfen vermochte.
Sonst wogte es wie ein Mohnfeld in dem weiten Schenkzimmer, wohl über
hundert rote Schiffermützen und unter ihnen weiurote Gesichter drängten sich
und neigten sich zu einander. Von einem der dicht besetzten Tische erhoben sich,
als Barreto und Camoens vorüberschritten, mehrere kräftige Männergestalten,
Senhor Manuel erkannte die Seeleute, welche ihn unmittelbar vor der ersten
Wiederbegegnung mit Camoens vom Kloster zum heiligen Kreuz bettelnd herab¬
begleitet hatten und einige Tage später im Gefolge des gcilieischen Propheten in.
Palaste eingedrungen waren. Heute hatten sie die alten Lumpen, in denen er
sie zuerst, und die Pilgerkutten, in denen er sie darnach erblickt hatte, von sich
geworfen, in neuen Schifferjacken und mit breiten grell-bunten Schärpen stellten
sie sich dar, rückten die Mützen und riefen den ritterlichen Herren einen fröhlichen
Gruß zu. Über Barretvs vergrämtes Gesicht zuckte doch ein Lächeln, und er
sagte wohlwollend: Nun, Ihr Schelme, ist Euch die Pilgerkutte zu heiß geworden,
habt Ihr Aussicht, wieder an Bord zu kommen?

Wir sind für Seiner Majestät Schiffe geworben — es wird Ernst, sagte
der älteste und längste der braunen Gesellen mit einem gewissen Stolze. Die
Pilgeret, Senhor, war ein lästiges und schlechtes Gewerbe — man zerriß sich
die letzten Schuhsohlen, und am Ende sah es aus, als ob man doch nur dem
Galgen zuliefe. Euer Wohl, Herr! wir sind eben dabei, Admiral Casalinhos
Handgeld zu vertrinken.

Laßt's Euch wohl bekommen und thut dann Eure Pflicht, erwiederte
Barreto. Wißt Ihr, wohin der Engelseher und der spanische Mönch gekommen
sind, die Euch in des Königs Saal führten?

Der Matrose verzog das Gesicht: Ich glaube wohl, daß sie glücklich dort
siud, von wo sie hergekommen. Sie haben eine kühle Heimreise gehabt, immer
bei Nacht, und soviel ich weiß, ans einem Klvsterkcller in den andern! Aber
Ihr seht, Senhor, Gott ist mächtig in dem Schwachen; obgleich der Prophet
gewarnt wurde, daß ihn: der König freies Quartier bei der heiligen Inquisition
zudenke, haben doch unsre Buß- und Schlachtlieder das ihrige gethan: der Kreuz-
zug geht bald unter Segel, und diese hier — er zeigte auf sein und seiner
Kameraden kurze Schwerter — bekommen hoffentlich gute Arbeit.

Barreto wandte sich ab und stieg ohne zu antworten nach dem Sitze und
Tische hinauf, wo Camoens sich schon niedergelassen hatte. Jetzt, im Lichte der
Lampen, die auf den Herrentischen brannten, nahm er erst wahr, wie bleich und
unruhig Camoens' Gesicht war. Er war indes zu sehr in seinen Gedanken be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/390>, abgerufen am 24.07.2024.