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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

fünfzehn verschiedne Bibelausgaben aus ihrem Hause hervorgegangen, während
aus der ganzen Zeit der Verlagsthätigkeit mehr als dreißig Folioausgabcu zu
verzeichnen sind, darunter mehrere vielbändige Bibelwerke.

Die wichtigste Ausgabe aber bleibt die bereits erwähnte deutsche Bibel vou
1483, nicht allein weil sie in der Volkssprache und durch ihre Bilder laut und
annehmlich zu jedermann redete, sondern weil in ihr wenigstens der schüchterne
Versuch gemacht wurde, die Autorität der alleingiltigen Vulgata als nicht über
alle Anfechtung erhaben beiseite zu schieben.

Neben der Verbreitung der Bibel ließ sich Kvberger besonders die Ver¬
vielfältigung der mittelalterlichen Scholastiker und der Kirchenväter angelegen
sein. Er folgte hierin ganz der in Deutschland herrschenden literarischen Richtung,
die sich nur langsam aus den Banden des Scholästizismus freimachte und
zunächst nur mit größter Vorsicht an die Beschäftigung mit den durch den
italienischen Humanismus zu neuem Leben erweckten antiken Klassikern herantrat,
aus Furcht, daß der Geist der alten Heiden zu mächtig werden und daß
das heidnische Wesen die christlichen Tugenden schädigen könnte. Als aber der
Humanismus in deutschen Landen immer mehr erstarkte, wurde auch das Ko-
bergcrsche Geschäft den neueren Anforderungen gerecht, ja selbst den literarischen
Erzeugnissen der Reformation gegenüber verhielt es sich nach anfänglicher Zurück¬
haltung auf die Dauer nicht abwehrend.

Finden wir in dem Anschließen an die literarischen Strömungen der Zeit
auch in jenen Zeiten dieselben Verhältnisse wie in unsern Tagen, so war doch
die Stellung des Verlegers zum Verfasser eiues Werkes eine wesentlich andre
als heute. Eine eigentliche Entschädigung für seine Arbeit hatte der Schrift¬
steller vom Verleger damals nicht zu erwarten; ja es galt sogar, wie wir dies
z. B. von Luther wissen, als Ehrensache, nichts sür dieselbe zu fordern. Gleichwohl
ließ mau sich gern ein Ehrengeschenk in Geld als "Hvnorarium" gefallen und
machte sich darüber ebensowenig Skrupel wie der Gläubiger, der trotz des Ver¬
botes der Kirche von seinem Schuldner Zinse" annahm. Daß derartige rechtlose
Verhältnisse ans die Dauer haltlos wurden, braucht kaum hervorgehoben zu
werden, aber ehe an die Sicherstellung der Autoren gedacht werden konnte,
mußte die der Verleger gegen die Gefährdung vonseiten ihrer Berufsgenossen
erfolgen, mußten sich feste Formen des Buchhandelns ausgebildet haben.

Der Keim fast aller im heutigen Verkehr bestehenden Gebräuche läßt sich
bereits aus dem Betriebe der Kvberger nachweisen. Da in den ersten Zeiten
des Buchdrucks bei ganz wenig Unternehmungen die finanziellen Vorbedingungen
in ausreichender Weise vorhanden waren, machte sich wenigstens bei größern
Werken die Unterstützung durch Freunde der Wissenschaft nötig. Es ließe sich
eine Fülle von Beispielen aufzählen, in denen nicht nur geistliche Orden, damals
noch wahrhaft Förderer der Wissenschaft, sondern auch einzelne reiche Kaufleute
und vornehme Kleriker ihre Mittel in den Dienst der guten Sache stellten.


Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

fünfzehn verschiedne Bibelausgaben aus ihrem Hause hervorgegangen, während
aus der ganzen Zeit der Verlagsthätigkeit mehr als dreißig Folioausgabcu zu
verzeichnen sind, darunter mehrere vielbändige Bibelwerke.

Die wichtigste Ausgabe aber bleibt die bereits erwähnte deutsche Bibel vou
1483, nicht allein weil sie in der Volkssprache und durch ihre Bilder laut und
annehmlich zu jedermann redete, sondern weil in ihr wenigstens der schüchterne
Versuch gemacht wurde, die Autorität der alleingiltigen Vulgata als nicht über
alle Anfechtung erhaben beiseite zu schieben.

Neben der Verbreitung der Bibel ließ sich Kvberger besonders die Ver¬
vielfältigung der mittelalterlichen Scholastiker und der Kirchenväter angelegen
sein. Er folgte hierin ganz der in Deutschland herrschenden literarischen Richtung,
die sich nur langsam aus den Banden des Scholästizismus freimachte und
zunächst nur mit größter Vorsicht an die Beschäftigung mit den durch den
italienischen Humanismus zu neuem Leben erweckten antiken Klassikern herantrat,
aus Furcht, daß der Geist der alten Heiden zu mächtig werden und daß
das heidnische Wesen die christlichen Tugenden schädigen könnte. Als aber der
Humanismus in deutschen Landen immer mehr erstarkte, wurde auch das Ko-
bergcrsche Geschäft den neueren Anforderungen gerecht, ja selbst den literarischen
Erzeugnissen der Reformation gegenüber verhielt es sich nach anfänglicher Zurück¬
haltung auf die Dauer nicht abwehrend.

Finden wir in dem Anschließen an die literarischen Strömungen der Zeit
auch in jenen Zeiten dieselben Verhältnisse wie in unsern Tagen, so war doch
die Stellung des Verlegers zum Verfasser eiues Werkes eine wesentlich andre
als heute. Eine eigentliche Entschädigung für seine Arbeit hatte der Schrift¬
steller vom Verleger damals nicht zu erwarten; ja es galt sogar, wie wir dies
z. B. von Luther wissen, als Ehrensache, nichts sür dieselbe zu fordern. Gleichwohl
ließ mau sich gern ein Ehrengeschenk in Geld als „Hvnorarium" gefallen und
machte sich darüber ebensowenig Skrupel wie der Gläubiger, der trotz des Ver¬
botes der Kirche von seinem Schuldner Zinse» annahm. Daß derartige rechtlose
Verhältnisse ans die Dauer haltlos wurden, braucht kaum hervorgehoben zu
werden, aber ehe an die Sicherstellung der Autoren gedacht werden konnte,
mußte die der Verleger gegen die Gefährdung vonseiten ihrer Berufsgenossen
erfolgen, mußten sich feste Formen des Buchhandelns ausgebildet haben.

Der Keim fast aller im heutigen Verkehr bestehenden Gebräuche läßt sich
bereits aus dem Betriebe der Kvberger nachweisen. Da in den ersten Zeiten
des Buchdrucks bei ganz wenig Unternehmungen die finanziellen Vorbedingungen
in ausreichender Weise vorhanden waren, machte sich wenigstens bei größern
Werken die Unterstützung durch Freunde der Wissenschaft nötig. Es ließe sich
eine Fülle von Beispielen aufzählen, in denen nicht nur geistliche Orden, damals
noch wahrhaft Förderer der Wissenschaft, sondern auch einzelne reiche Kaufleute
und vornehme Kleriker ihre Mittel in den Dienst der guten Sache stellten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/375>, abgerufen am 04.07.2024.