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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

der Buchdruckerkunst und ihre ersten Erzeugnisse zu betrachten und die Wege
zu verfolgen, auf denen sich die neue Erfindung mit staunenswerter Schnellig¬
keit verbreitet hat. Und muß nicht die Ausdehnung und der Einfluß des Buch¬
gewerbes in der Gegenwart von selbst ans den Wunsch führen, näheres über
seinen Ursprung und die frühesten Formen seines Auftretens zu erfahren?

An Hilfsmitteln für diesen Zweck fehlt es in der That nicht; doch mag
mancher davor zurückschrecken, eines der dickleibigen Handbücher über die Ge¬
schichte der Vuchdrnckcrknnst zur Hand zu nehmen, und wird es daher vorziehen,
das Leben und Wirken eines hervorragenden Druckers und Verlegers aus der
Frühzeit kennen zu lernen, um sich auf diese Weise über die in Rede stehenden
Dinge zu belehren. Für diesen Fall können wir ihm mir raten, zu dem vor
kurzer Zeit veröffentlichten Buche Oskar Hases über die Koberger^) zu
greifen, da in diesem fast alle Fragen, welche sich über die Anfänge des Buch¬
drucks und Buchhandels erheben, berührt und in lichtvoller, anschaulicher Weise
beantwortet werden.

Die Familie der Kvbergcr gehört einem alten angesehenen Geschlechte Nürn¬
bergs an. Der erste Kvberger, von dem wir Kunde haben, taucht im Jahre 1349
auf; wir hören, daß er, obwohl seines Zeichens Bäcker, es bis zum Bürger¬
meister brachte, da er in den Rat der Aufstündigen gewählt wurde, welche gegen
die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Adelsregieruug der Nürnberger Ge¬
schlechter stürzten. Die Koberger waren also ein aufstrebendes Geschlecht, das sich
ähnlich wie in Augsburg die Fugger zu immer größerer Bedeutung aufschwang
und schließlich zu den hervorragendsten der Stadt zählte. Der Hauptträger
des Namens aber, dessen Ruhm den des ganzen Geschlechtes begründet hat, ist
Anthoni Koberger. Von Hause aus Goldschmied, begann er etwa seit dem Jahre
1470 sich der neu erfundnen Kunst des Buchdrucks zu widmen und rief bald
darauf einen für jene Zeit erstaunlich großartigen Buchhandel ins Leben. Er
galt als der "König der Buchhändler" und wurde gelegentlich einmal von
Kaiser Maximilian I. als "Unser und des Reiches lieber getreuer Anthoni
Koburger" bezeichnet. Aber nicht nur als Geschäftsmann verdiente er die all¬
gemeine Achtung, die er genoß, er verdiente sie auch als ein Mann von Treu und
Glauben um seiner geraden, ehrlichen Gesinnung willen, die er mit einer unge¬
wöhnlichen Findigkeit und Klugheit im Verfolgen seiner Ziele zu verbinden wußte.
Geboren wahrscheinlich in den Jahren zwischen 1440 und 1450, starb Anthoni
Koberger noch vollauf bei Kräften am 3. Oktober 1513. Er war zweimal ver¬
heiratet gewesen und erfreute sich mit seinen beiden Frauen eines reichen Kinder¬
segens, wie er in jenen Zeiten häufig war. Aber auch die Kehrseite dieser



*) Die Koberger. Eine Darstellung des buchhiindlerischm Gcschttftsbetriebes in der
Zeit des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit. Von Dr. Oskar Hase. 2. neugearbeitete
Auslage. Leipzig, Breitkopf und HKrtel, 1885.
Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

der Buchdruckerkunst und ihre ersten Erzeugnisse zu betrachten und die Wege
zu verfolgen, auf denen sich die neue Erfindung mit staunenswerter Schnellig¬
keit verbreitet hat. Und muß nicht die Ausdehnung und der Einfluß des Buch¬
gewerbes in der Gegenwart von selbst ans den Wunsch führen, näheres über
seinen Ursprung und die frühesten Formen seines Auftretens zu erfahren?

An Hilfsmitteln für diesen Zweck fehlt es in der That nicht; doch mag
mancher davor zurückschrecken, eines der dickleibigen Handbücher über die Ge¬
schichte der Vuchdrnckcrknnst zur Hand zu nehmen, und wird es daher vorziehen,
das Leben und Wirken eines hervorragenden Druckers und Verlegers aus der
Frühzeit kennen zu lernen, um sich auf diese Weise über die in Rede stehenden
Dinge zu belehren. Für diesen Fall können wir ihm mir raten, zu dem vor
kurzer Zeit veröffentlichten Buche Oskar Hases über die Koberger^) zu
greifen, da in diesem fast alle Fragen, welche sich über die Anfänge des Buch¬
drucks und Buchhandels erheben, berührt und in lichtvoller, anschaulicher Weise
beantwortet werden.

Die Familie der Kvbergcr gehört einem alten angesehenen Geschlechte Nürn¬
bergs an. Der erste Kvberger, von dem wir Kunde haben, taucht im Jahre 1349
auf; wir hören, daß er, obwohl seines Zeichens Bäcker, es bis zum Bürger¬
meister brachte, da er in den Rat der Aufstündigen gewählt wurde, welche gegen
die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Adelsregieruug der Nürnberger Ge¬
schlechter stürzten. Die Koberger waren also ein aufstrebendes Geschlecht, das sich
ähnlich wie in Augsburg die Fugger zu immer größerer Bedeutung aufschwang
und schließlich zu den hervorragendsten der Stadt zählte. Der Hauptträger
des Namens aber, dessen Ruhm den des ganzen Geschlechtes begründet hat, ist
Anthoni Koberger. Von Hause aus Goldschmied, begann er etwa seit dem Jahre
1470 sich der neu erfundnen Kunst des Buchdrucks zu widmen und rief bald
darauf einen für jene Zeit erstaunlich großartigen Buchhandel ins Leben. Er
galt als der „König der Buchhändler" und wurde gelegentlich einmal von
Kaiser Maximilian I. als „Unser und des Reiches lieber getreuer Anthoni
Koburger" bezeichnet. Aber nicht nur als Geschäftsmann verdiente er die all¬
gemeine Achtung, die er genoß, er verdiente sie auch als ein Mann von Treu und
Glauben um seiner geraden, ehrlichen Gesinnung willen, die er mit einer unge¬
wöhnlichen Findigkeit und Klugheit im Verfolgen seiner Ziele zu verbinden wußte.
Geboren wahrscheinlich in den Jahren zwischen 1440 und 1450, starb Anthoni
Koberger noch vollauf bei Kräften am 3. Oktober 1513. Er war zweimal ver¬
heiratet gewesen und erfreute sich mit seinen beiden Frauen eines reichen Kinder¬
segens, wie er in jenen Zeiten häufig war. Aber auch die Kehrseite dieser



*) Die Koberger. Eine Darstellung des buchhiindlerischm Gcschttftsbetriebes in der
Zeit des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit. Von Dr. Oskar Hase. 2. neugearbeitete
Auslage. Leipzig, Breitkopf und HKrtel, 1885.
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[0368] Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert. der Buchdruckerkunst und ihre ersten Erzeugnisse zu betrachten und die Wege zu verfolgen, auf denen sich die neue Erfindung mit staunenswerter Schnellig¬ keit verbreitet hat. Und muß nicht die Ausdehnung und der Einfluß des Buch¬ gewerbes in der Gegenwart von selbst ans den Wunsch führen, näheres über seinen Ursprung und die frühesten Formen seines Auftretens zu erfahren? An Hilfsmitteln für diesen Zweck fehlt es in der That nicht; doch mag mancher davor zurückschrecken, eines der dickleibigen Handbücher über die Ge¬ schichte der Vuchdrnckcrknnst zur Hand zu nehmen, und wird es daher vorziehen, das Leben und Wirken eines hervorragenden Druckers und Verlegers aus der Frühzeit kennen zu lernen, um sich auf diese Weise über die in Rede stehenden Dinge zu belehren. Für diesen Fall können wir ihm mir raten, zu dem vor kurzer Zeit veröffentlichten Buche Oskar Hases über die Koberger^) zu greifen, da in diesem fast alle Fragen, welche sich über die Anfänge des Buch¬ drucks und Buchhandels erheben, berührt und in lichtvoller, anschaulicher Weise beantwortet werden. Die Familie der Kvbergcr gehört einem alten angesehenen Geschlechte Nürn¬ bergs an. Der erste Kvberger, von dem wir Kunde haben, taucht im Jahre 1349 auf; wir hören, daß er, obwohl seines Zeichens Bäcker, es bis zum Bürger¬ meister brachte, da er in den Rat der Aufstündigen gewählt wurde, welche gegen die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Adelsregieruug der Nürnberger Ge¬ schlechter stürzten. Die Koberger waren also ein aufstrebendes Geschlecht, das sich ähnlich wie in Augsburg die Fugger zu immer größerer Bedeutung aufschwang und schließlich zu den hervorragendsten der Stadt zählte. Der Hauptträger des Namens aber, dessen Ruhm den des ganzen Geschlechtes begründet hat, ist Anthoni Koberger. Von Hause aus Goldschmied, begann er etwa seit dem Jahre 1470 sich der neu erfundnen Kunst des Buchdrucks zu widmen und rief bald darauf einen für jene Zeit erstaunlich großartigen Buchhandel ins Leben. Er galt als der „König der Buchhändler" und wurde gelegentlich einmal von Kaiser Maximilian I. als „Unser und des Reiches lieber getreuer Anthoni Koburger" bezeichnet. Aber nicht nur als Geschäftsmann verdiente er die all¬ gemeine Achtung, die er genoß, er verdiente sie auch als ein Mann von Treu und Glauben um seiner geraden, ehrlichen Gesinnung willen, die er mit einer unge¬ wöhnlichen Findigkeit und Klugheit im Verfolgen seiner Ziele zu verbinden wußte. Geboren wahrscheinlich in den Jahren zwischen 1440 und 1450, starb Anthoni Koberger noch vollauf bei Kräften am 3. Oktober 1513. Er war zweimal ver¬ heiratet gewesen und erfreute sich mit seinen beiden Frauen eines reichen Kinder¬ segens, wie er in jenen Zeiten häufig war. Aber auch die Kehrseite dieser *) Die Koberger. Eine Darstellung des buchhiindlerischm Gcschttftsbetriebes in der Zeit des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit. Von Dr. Oskar Hase. 2. neugearbeitete Auslage. Leipzig, Breitkopf und HKrtel, 1885.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/368>, abgerufen am 25.07.2024.