Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
^.v"ut Ili. ZZat-üIIc.

Von den zahlreichen Unflätigkette", in welchen sich die sonst mit Recht
gerühmte französische Liebenswürdigkeit und Ritterlichkeit in diesem Buche Luft
macht, wollen wir mir noch die folgende Probe geben: "Lehrt eure Kinder,"
ruft der Verfasser den französischen Frauen zu, "was diese teutonische Horde
ist: hier ein Ölfleck, welcher sich überall langsam und allmählich einsaugt, dort
ein Blutgeschwür, welches sich annage und dann platzt. Erfüllt eure Familien
mit dem Gefühl, daß der neue Krieg ein Vernichtungskampf sein wird, wie man
ihn bisher noch nicht gekannt hat."

Interessanter ist für uns, was der Verfasser seinen Landsleuten, deren
schwerster Fehler nach seiner Ansicht darin besteht, daß sie von sich selbst eine
zu geringe Meinung haben, über unsre Schwächen sagt.

"Der Deutsche hat Pflichtgefühl und Gehorsam, unterwirft sich leicht einer
strengen Disziplin. Aber er ist langsamen, schwerfällige", wenig lebhaften
Geistes. Er ist mehr der Untergebene als der Gefährte seines Offiziers, in
welchem er im Kriege wie im Frieden immer seinen Vorgesetzten erblickt. Er
hat keine kriegerischen Eigenschaften. Der Elan, das heilige Feuer, die Ini¬
tiative fehlen ihm gänzlich. Er geht nicht von selbst vorwärts, sondern mir
wenn die eiserne Hand seiner Vorgesetzten ihn dazu zwingt. Euer Gegner wird
unfähig sein, im gebotenen Augenblick eine Kampfform anzunehmen, welche sich
mit Erfolg derjenigen entgegenstellen konnte, die ihr Franzosen im Feuer von
selbst finden werdet. Darin besteht eure Überlegenheit." Dasselbe gilt von
der deutschen Führung, sie kann nur das, was sie im Frieden mühselig erlernt
oder vorbereitet hat. Das hat sich schon 1870 gezeigt; der Kriegsplan der
Deutschen ging nur bis zur Einschließung von Paris, bis dahin führten sie
ihn Schritt für Schritt aus, dann aber war ihre Weisheit zu Ende. Das
Bischen, was sie können, verdanken sie übrigens den französischen Refugies.
Die schonende Behandlung, welche 1871 Paris zuteil wurde, wird lediglich
unsrer Furchtsamkeit zugeschrieben. "Diese Helden enthielten sich bei ihrem
Einmarsch des Durchzuges unter dem ^ro-ac-lrimrrpllv, weil sie ihn unterminirt
glaubten, ließen sich auf den Champs-Elisoes und dem Coneordienplatz mehr
als Gefangne wie als Sieger Parliren; aus dem Louvre, aus dem Tuilerien-
Gartcn und dem Jnvalidenhotel wiesen wir sie wie Schulbuben aus, unter dem
Vorwande, daß sie nach den Bestimmungen der Konvention dort keinen Zutritt
hätten."

Und vor solchen Gegnern, fragen wir, streckten die französischen Heere,
eines nach dem andern, die Waffen?

Der Verfasser muß von dem Denkvermögen seiner Landsleute eine geringe
Meinung haben, wenn er glaubt, ihr Selbstvertrauen heben zu können, indem
er uns als so verächtliche Gegner hinstellt. Sollte es ihm aber gelingen,
uns könnte es schon recht sein; der Rückschlag würde wie 1870 nicht ausbleiben.
Freilich erinnert alles, was i" dem Buche von Frankreichs Stärke und unsern


^.v»ut Ili. ZZat-üIIc.

Von den zahlreichen Unflätigkette», in welchen sich die sonst mit Recht
gerühmte französische Liebenswürdigkeit und Ritterlichkeit in diesem Buche Luft
macht, wollen wir mir noch die folgende Probe geben: „Lehrt eure Kinder,"
ruft der Verfasser den französischen Frauen zu, „was diese teutonische Horde
ist: hier ein Ölfleck, welcher sich überall langsam und allmählich einsaugt, dort
ein Blutgeschwür, welches sich annage und dann platzt. Erfüllt eure Familien
mit dem Gefühl, daß der neue Krieg ein Vernichtungskampf sein wird, wie man
ihn bisher noch nicht gekannt hat."

Interessanter ist für uns, was der Verfasser seinen Landsleuten, deren
schwerster Fehler nach seiner Ansicht darin besteht, daß sie von sich selbst eine
zu geringe Meinung haben, über unsre Schwächen sagt.

„Der Deutsche hat Pflichtgefühl und Gehorsam, unterwirft sich leicht einer
strengen Disziplin. Aber er ist langsamen, schwerfällige», wenig lebhaften
Geistes. Er ist mehr der Untergebene als der Gefährte seines Offiziers, in
welchem er im Kriege wie im Frieden immer seinen Vorgesetzten erblickt. Er
hat keine kriegerischen Eigenschaften. Der Elan, das heilige Feuer, die Ini¬
tiative fehlen ihm gänzlich. Er geht nicht von selbst vorwärts, sondern mir
wenn die eiserne Hand seiner Vorgesetzten ihn dazu zwingt. Euer Gegner wird
unfähig sein, im gebotenen Augenblick eine Kampfform anzunehmen, welche sich
mit Erfolg derjenigen entgegenstellen konnte, die ihr Franzosen im Feuer von
selbst finden werdet. Darin besteht eure Überlegenheit." Dasselbe gilt von
der deutschen Führung, sie kann nur das, was sie im Frieden mühselig erlernt
oder vorbereitet hat. Das hat sich schon 1870 gezeigt; der Kriegsplan der
Deutschen ging nur bis zur Einschließung von Paris, bis dahin führten sie
ihn Schritt für Schritt aus, dann aber war ihre Weisheit zu Ende. Das
Bischen, was sie können, verdanken sie übrigens den französischen Refugies.
Die schonende Behandlung, welche 1871 Paris zuteil wurde, wird lediglich
unsrer Furchtsamkeit zugeschrieben. „Diese Helden enthielten sich bei ihrem
Einmarsch des Durchzuges unter dem ^ro-ac-lrimrrpllv, weil sie ihn unterminirt
glaubten, ließen sich auf den Champs-Elisoes und dem Coneordienplatz mehr
als Gefangne wie als Sieger Parliren; aus dem Louvre, aus dem Tuilerien-
Gartcn und dem Jnvalidenhotel wiesen wir sie wie Schulbuben aus, unter dem
Vorwande, daß sie nach den Bestimmungen der Konvention dort keinen Zutritt
hätten."

Und vor solchen Gegnern, fragen wir, streckten die französischen Heere,
eines nach dem andern, die Waffen?

Der Verfasser muß von dem Denkvermögen seiner Landsleute eine geringe
Meinung haben, wenn er glaubt, ihr Selbstvertrauen heben zu können, indem
er uns als so verächtliche Gegner hinstellt. Sollte es ihm aber gelingen,
uns könnte es schon recht sein; der Rückschlag würde wie 1870 nicht ausbleiben.
Freilich erinnert alles, was i» dem Buche von Frankreichs Stärke und unsern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198404"/>
          <fw type="header" place="top"> ^.v»ut Ili. ZZat-üIIc.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_945"> Von den zahlreichen Unflätigkette», in welchen sich die sonst mit Recht<lb/>
gerühmte französische Liebenswürdigkeit und Ritterlichkeit in diesem Buche Luft<lb/>
macht, wollen wir mir noch die folgende Probe geben: &#x201E;Lehrt eure Kinder,"<lb/>
ruft der Verfasser den französischen Frauen zu, &#x201E;was diese teutonische Horde<lb/>
ist: hier ein Ölfleck, welcher sich überall langsam und allmählich einsaugt, dort<lb/>
ein Blutgeschwür, welches sich annage und dann platzt. Erfüllt eure Familien<lb/>
mit dem Gefühl, daß der neue Krieg ein Vernichtungskampf sein wird, wie man<lb/>
ihn bisher noch nicht gekannt hat."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_946"> Interessanter ist für uns, was der Verfasser seinen Landsleuten, deren<lb/>
schwerster Fehler nach seiner Ansicht darin besteht, daß sie von sich selbst eine<lb/>
zu geringe Meinung haben, über unsre Schwächen sagt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_947"> &#x201E;Der Deutsche hat Pflichtgefühl und Gehorsam, unterwirft sich leicht einer<lb/>
strengen Disziplin. Aber er ist langsamen, schwerfällige», wenig lebhaften<lb/>
Geistes. Er ist mehr der Untergebene als der Gefährte seines Offiziers, in<lb/>
welchem er im Kriege wie im Frieden immer seinen Vorgesetzten erblickt. Er<lb/>
hat keine kriegerischen Eigenschaften. Der Elan, das heilige Feuer, die Ini¬<lb/>
tiative fehlen ihm gänzlich. Er geht nicht von selbst vorwärts, sondern mir<lb/>
wenn die eiserne Hand seiner Vorgesetzten ihn dazu zwingt. Euer Gegner wird<lb/>
unfähig sein, im gebotenen Augenblick eine Kampfform anzunehmen, welche sich<lb/>
mit Erfolg derjenigen entgegenstellen konnte, die ihr Franzosen im Feuer von<lb/>
selbst finden werdet. Darin besteht eure Überlegenheit." Dasselbe gilt von<lb/>
der deutschen Führung, sie kann nur das, was sie im Frieden mühselig erlernt<lb/>
oder vorbereitet hat. Das hat sich schon 1870 gezeigt; der Kriegsplan der<lb/>
Deutschen ging nur bis zur Einschließung von Paris, bis dahin führten sie<lb/>
ihn Schritt für Schritt aus, dann aber war ihre Weisheit zu Ende. Das<lb/>
Bischen, was sie können, verdanken sie übrigens den französischen Refugies.<lb/>
Die schonende Behandlung, welche 1871 Paris zuteil wurde, wird lediglich<lb/>
unsrer Furchtsamkeit zugeschrieben. &#x201E;Diese Helden enthielten sich bei ihrem<lb/>
Einmarsch des Durchzuges unter dem ^ro-ac-lrimrrpllv, weil sie ihn unterminirt<lb/>
glaubten, ließen sich auf den Champs-Elisoes und dem Coneordienplatz mehr<lb/>
als Gefangne wie als Sieger Parliren; aus dem Louvre, aus dem Tuilerien-<lb/>
Gartcn und dem Jnvalidenhotel wiesen wir sie wie Schulbuben aus, unter dem<lb/>
Vorwande, daß sie nach den Bestimmungen der Konvention dort keinen Zutritt<lb/>
hätten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_948"> Und vor solchen Gegnern, fragen wir, streckten die französischen Heere,<lb/>
eines nach dem andern, die Waffen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_949" next="#ID_950"> Der Verfasser muß von dem Denkvermögen seiner Landsleute eine geringe<lb/>
Meinung haben, wenn er glaubt, ihr Selbstvertrauen heben zu können, indem<lb/>
er uns als so verächtliche Gegner hinstellt. Sollte es ihm aber gelingen,<lb/>
uns könnte es schon recht sein; der Rückschlag würde wie 1870 nicht ausbleiben.<lb/>
Freilich erinnert alles, was i» dem Buche von Frankreichs Stärke und unsern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0338] ^.v»ut Ili. ZZat-üIIc. Von den zahlreichen Unflätigkette», in welchen sich die sonst mit Recht gerühmte französische Liebenswürdigkeit und Ritterlichkeit in diesem Buche Luft macht, wollen wir mir noch die folgende Probe geben: „Lehrt eure Kinder," ruft der Verfasser den französischen Frauen zu, „was diese teutonische Horde ist: hier ein Ölfleck, welcher sich überall langsam und allmählich einsaugt, dort ein Blutgeschwür, welches sich annage und dann platzt. Erfüllt eure Familien mit dem Gefühl, daß der neue Krieg ein Vernichtungskampf sein wird, wie man ihn bisher noch nicht gekannt hat." Interessanter ist für uns, was der Verfasser seinen Landsleuten, deren schwerster Fehler nach seiner Ansicht darin besteht, daß sie von sich selbst eine zu geringe Meinung haben, über unsre Schwächen sagt. „Der Deutsche hat Pflichtgefühl und Gehorsam, unterwirft sich leicht einer strengen Disziplin. Aber er ist langsamen, schwerfällige», wenig lebhaften Geistes. Er ist mehr der Untergebene als der Gefährte seines Offiziers, in welchem er im Kriege wie im Frieden immer seinen Vorgesetzten erblickt. Er hat keine kriegerischen Eigenschaften. Der Elan, das heilige Feuer, die Ini¬ tiative fehlen ihm gänzlich. Er geht nicht von selbst vorwärts, sondern mir wenn die eiserne Hand seiner Vorgesetzten ihn dazu zwingt. Euer Gegner wird unfähig sein, im gebotenen Augenblick eine Kampfform anzunehmen, welche sich mit Erfolg derjenigen entgegenstellen konnte, die ihr Franzosen im Feuer von selbst finden werdet. Darin besteht eure Überlegenheit." Dasselbe gilt von der deutschen Führung, sie kann nur das, was sie im Frieden mühselig erlernt oder vorbereitet hat. Das hat sich schon 1870 gezeigt; der Kriegsplan der Deutschen ging nur bis zur Einschließung von Paris, bis dahin führten sie ihn Schritt für Schritt aus, dann aber war ihre Weisheit zu Ende. Das Bischen, was sie können, verdanken sie übrigens den französischen Refugies. Die schonende Behandlung, welche 1871 Paris zuteil wurde, wird lediglich unsrer Furchtsamkeit zugeschrieben. „Diese Helden enthielten sich bei ihrem Einmarsch des Durchzuges unter dem ^ro-ac-lrimrrpllv, weil sie ihn unterminirt glaubten, ließen sich auf den Champs-Elisoes und dem Coneordienplatz mehr als Gefangne wie als Sieger Parliren; aus dem Louvre, aus dem Tuilerien- Gartcn und dem Jnvalidenhotel wiesen wir sie wie Schulbuben aus, unter dem Vorwande, daß sie nach den Bestimmungen der Konvention dort keinen Zutritt hätten." Und vor solchen Gegnern, fragen wir, streckten die französischen Heere, eines nach dem andern, die Waffen? Der Verfasser muß von dem Denkvermögen seiner Landsleute eine geringe Meinung haben, wenn er glaubt, ihr Selbstvertrauen heben zu können, indem er uns als so verächtliche Gegner hinstellt. Sollte es ihm aber gelingen, uns könnte es schon recht sein; der Rückschlag würde wie 1870 nicht ausbleiben. Freilich erinnert alles, was i» dem Buche von Frankreichs Stärke und unsern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/338
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/338>, abgerufen am 28.08.2024.