Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Straßburger verfassungslcbeu. ein förmlicher Handwerkeransstand los. Der Chronist Königshöfen*) erzählt Damit war indessen das "gescheite" nicht beseitigt, vielmehr lastete das Trotz der durch das neue Stadtrecht gegebnen Bedingungen für bessere *) KöuigShvfcn oder - wie er sich selbst nennt - "Jocob von kümgeshoven ein Priester
zu Strosburg," Kanonikus zu Se. Thoman, schrieb seine Chronik, die erste deutsche, jeht genau vor 500 Jahren, in, Jahre 138S. Straßburger verfassungslcbeu. ein förmlicher Handwerkeransstand los. Der Chronist Königshöfen*) erzählt Damit war indessen das „gescheite" nicht beseitigt, vielmehr lastete das Trotz der durch das neue Stadtrecht gegebnen Bedingungen für bessere *) KöuigShvfcn oder - wie er sich selbst nennt - „Jocob von kümgeshoven ein Priester
zu Strosburg," Kanonikus zu Se. Thoman, schrieb seine Chronik, die erste deutsche, jeht genau vor 500 Jahren, in, Jahre 138S. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198373"/> <fw type="header" place="top"> Straßburger verfassungslcbeu.</fw><lb/> <p xml:id="ID_874" prev="#ID_873"> ein förmlicher Handwerkeransstand los. Der Chronist Königshöfen*) erzählt<lb/> über dies „alte gescheite zwüschent den edeln und den autwercken," daß am<lb/> 31. Juli die „antwerg ze Strosburg byenandcr gezert und wol getrunken, und<lb/> meintent das her Claves Zorn der Schultheiße hette in vit wicderdrisses gelon.<lb/> Dernmbe nachdeme sich ein teil von den antwerken uf gar nngestiimerliche und<lb/> wollene zogen zu dem Hohenstege uf die driugstube über den Schultheißen."<lb/> Die Überrumpelung der Adlichen gelang aber nicht; nach kurzem blutigen Straßen-<lb/> kampfe flohen die Handwerker mit Zurücklassung vou sechzehn Toten. Zahl¬<lb/> reiche Verbannungen waren die Folge dieses Aufstandes.</p><lb/> <p xml:id="ID_875"> Damit war indessen das „gescheite" nicht beseitigt, vielmehr lastete das<lb/> Joch der adlichen Herrschaft immer beschwerlicher auf dem Handwerk. „Under<lb/> den adeln, erzählt Königshöfen, wart etlicher so hochtragende, wen ime ein<lb/> snider oder ein schuchmeister oder ein ander antwergman phennige dieses, so<lb/> slug der edelmcm den antwergman und gap ime streiche dran." Diese Roheiten<lb/> des Adels, namentlich der adlichen Jugend, haben übrigens auch nach Zusammen-<lb/> bruch der Adelsherrschaft bis ins 16. Jahrhundert mit zunehmender Heftigkeit<lb/> angedauert. Nur muß man sich vor dem Wahne hüten, als wäre alles, was<lb/> Edelmann hieß, schlecht und nur der Handwerker der tüchtige Mann gewesen.<lb/> In dem nicht zum Handwerkerstande gehörigen Teile der Bevölkerung gab es<lb/> immer noch eine hohe Summe von Bildung und staatsmünnischcr Überlieferung,<lb/> und man darf die Versicherung des Chronisten bei Besprechung der Gewalt¬<lb/> thaten der Adlichen ruhig als thatsächlich und nicht bloß als naive Rand¬<lb/> bemerkung hinnehmen, daß nämlich „doch nit alle sü dotent, wand ir mcmiger<lb/> was, die niemanne keinen gewalt dotent." So zeitigte noch kurz vor dem<lb/> Sturze der Adelsherrlichkeit die in jenen Kreisen aufgespeicherte Bildung ein<lb/> stolzes Werk, das „Stetterecht," eine Snmmlnng und Aufzeichnung der bis<lb/> dahin uur als Überlieferung bestehenden oder verstreut in den Akten herum-<lb/> liegenden rechtlichen Bestimmungen. Zwölf adliche Ratsherren schlössen sich vier<lb/> Wochen lang in das Jvhannesstift ein und arbeiteten unermüdlich an diesem<lb/> wertvollen Gesetzbuch, nach welchem von nun an Recht gesprochen wurde. Gewiß<lb/> eine höchst rühmliche wissenschaftliche That inmitten der Unruhen und Fehden!</p><lb/> <p xml:id="ID_876" next="#ID_877"> Trotz der durch das neue Stadtrecht gegebnen Bedingungen für bessere<lb/> Rechtszustände waren aber die Dinge immer unhaltbarer geworden. Die Hand-<lb/> Werker litten schwer unter dem adlichen Übermute, und je höher ihre Kunst¬<lb/> fertigkeit, ihr durch die eigne Waffentnchtigkeit gehobnes Selbstbewußtsein stieg,<lb/> desto unleidlicher mußte ihnen ihre Lage erscheinen. Wir werden uus denken<lb/> können, daß im Stillen auf den Zuuftstuben Beratungen gepflogen wurden,<lb/> vielleicht unter Beteiligung von Adlichen, welche, der Zorn-Müllnheimschen</p><lb/> <note xml:id="FID_26" place="foot"> *) KöuigShvfcn oder - wie er sich selbst nennt - „Jocob von kümgeshoven ein Priester<lb/> zu Strosburg," Kanonikus zu Se. Thoman, schrieb seine Chronik, die erste deutsche, jeht<lb/> genau vor 500 Jahren, in, Jahre 138S.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
Straßburger verfassungslcbeu.
ein förmlicher Handwerkeransstand los. Der Chronist Königshöfen*) erzählt
über dies „alte gescheite zwüschent den edeln und den autwercken," daß am
31. Juli die „antwerg ze Strosburg byenandcr gezert und wol getrunken, und
meintent das her Claves Zorn der Schultheiße hette in vit wicderdrisses gelon.
Dernmbe nachdeme sich ein teil von den antwerken uf gar nngestiimerliche und
wollene zogen zu dem Hohenstege uf die driugstube über den Schultheißen."
Die Überrumpelung der Adlichen gelang aber nicht; nach kurzem blutigen Straßen-
kampfe flohen die Handwerker mit Zurücklassung vou sechzehn Toten. Zahl¬
reiche Verbannungen waren die Folge dieses Aufstandes.
Damit war indessen das „gescheite" nicht beseitigt, vielmehr lastete das
Joch der adlichen Herrschaft immer beschwerlicher auf dem Handwerk. „Under
den adeln, erzählt Königshöfen, wart etlicher so hochtragende, wen ime ein
snider oder ein schuchmeister oder ein ander antwergman phennige dieses, so
slug der edelmcm den antwergman und gap ime streiche dran." Diese Roheiten
des Adels, namentlich der adlichen Jugend, haben übrigens auch nach Zusammen-
bruch der Adelsherrschaft bis ins 16. Jahrhundert mit zunehmender Heftigkeit
angedauert. Nur muß man sich vor dem Wahne hüten, als wäre alles, was
Edelmann hieß, schlecht und nur der Handwerker der tüchtige Mann gewesen.
In dem nicht zum Handwerkerstande gehörigen Teile der Bevölkerung gab es
immer noch eine hohe Summe von Bildung und staatsmünnischcr Überlieferung,
und man darf die Versicherung des Chronisten bei Besprechung der Gewalt¬
thaten der Adlichen ruhig als thatsächlich und nicht bloß als naive Rand¬
bemerkung hinnehmen, daß nämlich „doch nit alle sü dotent, wand ir mcmiger
was, die niemanne keinen gewalt dotent." So zeitigte noch kurz vor dem
Sturze der Adelsherrlichkeit die in jenen Kreisen aufgespeicherte Bildung ein
stolzes Werk, das „Stetterecht," eine Snmmlnng und Aufzeichnung der bis
dahin uur als Überlieferung bestehenden oder verstreut in den Akten herum-
liegenden rechtlichen Bestimmungen. Zwölf adliche Ratsherren schlössen sich vier
Wochen lang in das Jvhannesstift ein und arbeiteten unermüdlich an diesem
wertvollen Gesetzbuch, nach welchem von nun an Recht gesprochen wurde. Gewiß
eine höchst rühmliche wissenschaftliche That inmitten der Unruhen und Fehden!
Trotz der durch das neue Stadtrecht gegebnen Bedingungen für bessere
Rechtszustände waren aber die Dinge immer unhaltbarer geworden. Die Hand-
Werker litten schwer unter dem adlichen Übermute, und je höher ihre Kunst¬
fertigkeit, ihr durch die eigne Waffentnchtigkeit gehobnes Selbstbewußtsein stieg,
desto unleidlicher mußte ihnen ihre Lage erscheinen. Wir werden uus denken
können, daß im Stillen auf den Zuuftstuben Beratungen gepflogen wurden,
vielleicht unter Beteiligung von Adlichen, welche, der Zorn-Müllnheimschen
*) KöuigShvfcn oder - wie er sich selbst nennt - „Jocob von kümgeshoven ein Priester
zu Strosburg," Kanonikus zu Se. Thoman, schrieb seine Chronik, die erste deutsche, jeht
genau vor 500 Jahren, in, Jahre 138S.
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