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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Robert Schumann in seinen Jugendbriefen.

sein Schaffen überhaupt und einzelne seiner Werke ausläßt. Man kann nicht
klarer über sich urteilen, "Ich kann nur vier Ziele haben: Kapellmeister, Musik¬
lehrer, Virtuos und Komponist, Bei Hummel ist z, B, alles vereint. Bei mir
wirds wohl bei deu beiden letzten sich bewenden" (1831). Die spätere Zeit be¬
stätigte, daß ihm die eigentlichen Dirigenten- und Lehrergaben versagt waren.
Obwohl vou regem Lerntrieb beseelt, fühlte er sich doch von jeder Art schul¬
meisterlicher Pedanterie abgestoßen; im Grunde ist er immer Autodidakt gewesen.
In einem Briefe an die Mutter (1832) sagt er: "Du schreibst: "suche eiuen
würdigen Mann, der dich beurteilen kann, nähere dich ihm mit Vertraue" und
bitte denselben, dich zu leiten." Ach, liebe Mutter! ich habe dies immer gethan, fand
aber, daß dann alles schief ging, noch dazu auf Kosten meiner Selbständigkeit; ich
folge meinem moralischen Instinkt, höre das Urteil erfahrungsreicher Männer
gewiß gern und bescheiden an, aber erkenne es nicht blindlings san^." "Ich muß
mich immer von einigen Menschen mit hinaufziehen lassen; unter Leuten meines
gleichen oder gar unter solchen, deuen ich kein Urteil über mich gestatten kann,
werd' ich leicht stolz und ironisch," "Ich halte die Musik noch sür die veredelte
Sprache der Seele; andre finden in ihr einen Ohreurausch, andre ein Rechen-
exempel und üben sie in dieser Weise aus. Du schreibst sehr richtig: "jeder
Mensch muß auf das Allgemeine, Nützliche hin wirken" -- mir nicht auf das
Verflachende, setz' ich hinzu. Durch Steigen kommt man auf die Spitze der
Leiter, Ich möchte nicht einmal, daß mich alle Menschen verstünden,"

Den Mangel frühzeitigen systematischen Unterrichts einPfand Schumann
wohl, und er mag an seine eigne Jugend gedacht haben, wenn er (18 3?) einmal
die Künstler glücklich pries, die schon "im Kindestraum Regel und Gesetz ein¬
sogen," die schon "beim ersten erwachenden Bewußtsein sich als Glieder der große"
Familie der Künstler fühlten, in die andre sich oft erst mit so zahllosen Opfern
einkaufen müssen." Ähnlich spricht er sich 1838 gegen Klara Wieck aus in einem
Briefe, der nach mehreren Richtungen hin besonders interessirt: "Zu Mendels¬
sohn bin ich wenig gekommen, er wohl mehr zu mir. Er bleibt doch der
eminenteste Mensch, der mir bisher vorgekommen. Man sagt mir, er meine es
nicht aufrichtig mit mir. Es würde mich das schmerzen, da ich mir einer edeln
Gesinnung gegen ihn bewußt bin und sie bewährt habe. Sage mir es aber
gelegentlich, was du weißt; man wird dann wenigstens vorsichtig, und verschwende"
will ich nichts, wo mir etwa übel nachgeredet wird. Wie ich mich als Musiker
zu ihm verhalte, weiß ich aufs Haar und könnte noch Jahre bei ihm lernen.
Dann aber auch er einiges von mir. In ähnlichen Verhältnissen wie er auf¬
gewachsen, von Kindheit zur Musik bestimmt, würde ich auch samt und sonders
überflügeln -- das fühle ich an der Energie meiner Empfindungen. Nun, jeder
Lebensgang hat sein besondres, und auch über meinen will ich mich nicht beklagen."

Das Freundschaftsverhältnis zwischen Schumann und Mendelssohn scheint
übrigens keinerlei Trübung erlitten zu haben. Acht Tage nach seiner Rückkehr


Robert Schumann in seinen Jugendbriefen.

sein Schaffen überhaupt und einzelne seiner Werke ausläßt. Man kann nicht
klarer über sich urteilen, „Ich kann nur vier Ziele haben: Kapellmeister, Musik¬
lehrer, Virtuos und Komponist, Bei Hummel ist z, B, alles vereint. Bei mir
wirds wohl bei deu beiden letzten sich bewenden" (1831). Die spätere Zeit be¬
stätigte, daß ihm die eigentlichen Dirigenten- und Lehrergaben versagt waren.
Obwohl vou regem Lerntrieb beseelt, fühlte er sich doch von jeder Art schul¬
meisterlicher Pedanterie abgestoßen; im Grunde ist er immer Autodidakt gewesen.
In einem Briefe an die Mutter (1832) sagt er: „Du schreibst: »suche eiuen
würdigen Mann, der dich beurteilen kann, nähere dich ihm mit Vertraue» und
bitte denselben, dich zu leiten.« Ach, liebe Mutter! ich habe dies immer gethan, fand
aber, daß dann alles schief ging, noch dazu auf Kosten meiner Selbständigkeit; ich
folge meinem moralischen Instinkt, höre das Urteil erfahrungsreicher Männer
gewiß gern und bescheiden an, aber erkenne es nicht blindlings san^." „Ich muß
mich immer von einigen Menschen mit hinaufziehen lassen; unter Leuten meines
gleichen oder gar unter solchen, deuen ich kein Urteil über mich gestatten kann,
werd' ich leicht stolz und ironisch," „Ich halte die Musik noch sür die veredelte
Sprache der Seele; andre finden in ihr einen Ohreurausch, andre ein Rechen-
exempel und üben sie in dieser Weise aus. Du schreibst sehr richtig: »jeder
Mensch muß auf das Allgemeine, Nützliche hin wirken« — mir nicht auf das
Verflachende, setz' ich hinzu. Durch Steigen kommt man auf die Spitze der
Leiter, Ich möchte nicht einmal, daß mich alle Menschen verstünden,"

Den Mangel frühzeitigen systematischen Unterrichts einPfand Schumann
wohl, und er mag an seine eigne Jugend gedacht haben, wenn er (18 3?) einmal
die Künstler glücklich pries, die schon „im Kindestraum Regel und Gesetz ein¬
sogen," die schon „beim ersten erwachenden Bewußtsein sich als Glieder der große«
Familie der Künstler fühlten, in die andre sich oft erst mit so zahllosen Opfern
einkaufen müssen." Ähnlich spricht er sich 1838 gegen Klara Wieck aus in einem
Briefe, der nach mehreren Richtungen hin besonders interessirt: „Zu Mendels¬
sohn bin ich wenig gekommen, er wohl mehr zu mir. Er bleibt doch der
eminenteste Mensch, der mir bisher vorgekommen. Man sagt mir, er meine es
nicht aufrichtig mit mir. Es würde mich das schmerzen, da ich mir einer edeln
Gesinnung gegen ihn bewußt bin und sie bewährt habe. Sage mir es aber
gelegentlich, was du weißt; man wird dann wenigstens vorsichtig, und verschwende»
will ich nichts, wo mir etwa übel nachgeredet wird. Wie ich mich als Musiker
zu ihm verhalte, weiß ich aufs Haar und könnte noch Jahre bei ihm lernen.
Dann aber auch er einiges von mir. In ähnlichen Verhältnissen wie er auf¬
gewachsen, von Kindheit zur Musik bestimmt, würde ich auch samt und sonders
überflügeln — das fühle ich an der Energie meiner Empfindungen. Nun, jeder
Lebensgang hat sein besondres, und auch über meinen will ich mich nicht beklagen."

Das Freundschaftsverhältnis zwischen Schumann und Mendelssohn scheint
übrigens keinerlei Trübung erlitten zu haben. Acht Tage nach seiner Rückkehr


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[0282] Robert Schumann in seinen Jugendbriefen. sein Schaffen überhaupt und einzelne seiner Werke ausläßt. Man kann nicht klarer über sich urteilen, „Ich kann nur vier Ziele haben: Kapellmeister, Musik¬ lehrer, Virtuos und Komponist, Bei Hummel ist z, B, alles vereint. Bei mir wirds wohl bei deu beiden letzten sich bewenden" (1831). Die spätere Zeit be¬ stätigte, daß ihm die eigentlichen Dirigenten- und Lehrergaben versagt waren. Obwohl vou regem Lerntrieb beseelt, fühlte er sich doch von jeder Art schul¬ meisterlicher Pedanterie abgestoßen; im Grunde ist er immer Autodidakt gewesen. In einem Briefe an die Mutter (1832) sagt er: „Du schreibst: »suche eiuen würdigen Mann, der dich beurteilen kann, nähere dich ihm mit Vertraue» und bitte denselben, dich zu leiten.« Ach, liebe Mutter! ich habe dies immer gethan, fand aber, daß dann alles schief ging, noch dazu auf Kosten meiner Selbständigkeit; ich folge meinem moralischen Instinkt, höre das Urteil erfahrungsreicher Männer gewiß gern und bescheiden an, aber erkenne es nicht blindlings san^." „Ich muß mich immer von einigen Menschen mit hinaufziehen lassen; unter Leuten meines gleichen oder gar unter solchen, deuen ich kein Urteil über mich gestatten kann, werd' ich leicht stolz und ironisch," „Ich halte die Musik noch sür die veredelte Sprache der Seele; andre finden in ihr einen Ohreurausch, andre ein Rechen- exempel und üben sie in dieser Weise aus. Du schreibst sehr richtig: »jeder Mensch muß auf das Allgemeine, Nützliche hin wirken« — mir nicht auf das Verflachende, setz' ich hinzu. Durch Steigen kommt man auf die Spitze der Leiter, Ich möchte nicht einmal, daß mich alle Menschen verstünden," Den Mangel frühzeitigen systematischen Unterrichts einPfand Schumann wohl, und er mag an seine eigne Jugend gedacht haben, wenn er (18 3?) einmal die Künstler glücklich pries, die schon „im Kindestraum Regel und Gesetz ein¬ sogen," die schon „beim ersten erwachenden Bewußtsein sich als Glieder der große« Familie der Künstler fühlten, in die andre sich oft erst mit so zahllosen Opfern einkaufen müssen." Ähnlich spricht er sich 1838 gegen Klara Wieck aus in einem Briefe, der nach mehreren Richtungen hin besonders interessirt: „Zu Mendels¬ sohn bin ich wenig gekommen, er wohl mehr zu mir. Er bleibt doch der eminenteste Mensch, der mir bisher vorgekommen. Man sagt mir, er meine es nicht aufrichtig mit mir. Es würde mich das schmerzen, da ich mir einer edeln Gesinnung gegen ihn bewußt bin und sie bewährt habe. Sage mir es aber gelegentlich, was du weißt; man wird dann wenigstens vorsichtig, und verschwende» will ich nichts, wo mir etwa übel nachgeredet wird. Wie ich mich als Musiker zu ihm verhalte, weiß ich aufs Haar und könnte noch Jahre bei ihm lernen. Dann aber auch er einiges von mir. In ähnlichen Verhältnissen wie er auf¬ gewachsen, von Kindheit zur Musik bestimmt, würde ich auch samt und sonders überflügeln — das fühle ich an der Energie meiner Empfindungen. Nun, jeder Lebensgang hat sein besondres, und auch über meinen will ich mich nicht beklagen." Das Freundschaftsverhältnis zwischen Schumann und Mendelssohn scheint übrigens keinerlei Trübung erlitten zu haben. Acht Tage nach seiner Rückkehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/282>, abgerufen am 25.07.2024.