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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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still, so haltet mich nicht für mißvergnügt oder melancholisch; ich spreche wenig,
wenn ich in einen Gedanken, ein Buch, ein Herz recht versenkt bin." Schön
spricht er sich gegen Klara ans: "Noch möchte ich dir manches über mich und
meinen Charakter vertrauen, wie man oft nicht klug aus mir wird, wie ich oft
die innigsten Liebeszeichen mit Kälte und Znriickhaltnng annehme und oft gerade
die, die es am liebsten mit mir meinen, beleidige und zurücksetze. So oft habe
ich mich deshalb befragt und mir Vorwürfe gemacht, denn innerlich erkenne ich
auch die kleinste Gabe an, verstehe ich jeden Augenwink, jeden leisen Zug im
Herzen des andern; und doch fehle ich noch so oft in den Worten und in der
Form. Du wirft mich aber schou zu nehmen wissen und verzeihst gewiß.
Denn ich habe kein böses Herz und liebe das Gute und Schöne mit tiefster
Seele. Nun genug, es überkommt mich nnr manchmal, an unsre Zukunft zu
denken, und ich möchte, daß sich unsre Herzen offen fanden wie die von ein paar
Kindern, die kein Hehl haben voreinander." Höflichkcitsrcdensarten, leere Artig¬
keiten oder wohl gar Unterwürfigkeit gegen Höhere sind nie seine Sache gewesen,
"Ich bin sehr gern in vornehmen und adlichen Kreisen, sobald sie nicht mehr
als ein höfliches Benehmen von mir fordern. Schmeicheln und mich unauf¬
hörlich verbeugen kann ich freilich nicht, wie ich denn auch nichts von gewissen
Salvnfeinheiten besitze. Wo aber schlichte Küustlersitte geduldet wird, besage
ich mich wohl und weiß mich auch recht leidlich auszudrücken." "Hofluft ist mir
Stickluft." Eine andre Seite seines Wesens tritt in der Äußerung: "Ich bin
überhaupt oft recht ledern, trocken, unangenehm und lache viel inwendig" hervor:
schalkhafter Humor. Seine Reisebriefe sind voll davon. Auch was er (im De¬
zember 1830) seiner Mutter über die Komposition einer Oper Hamlet schreibt,
gehört dahin, die Mystifikation ist deutlich genug, da er sich als "unendlich
bleich und garstig aussehend" schildert. Schumann wäre wohl auch der letzte
gewesen, aus dem Dänenprinzen einen Opcrnhelden zu machen. Das in den
Briefen der ersten Jahre oft wiederkehrende Thema "Geld" variirt der zum
Sparen wenig geschickte Studiosus sehr verschieden -- ernsthaft, wenn er sich
an seinen gestrengen Vormund wendet, höchst launig, wenn er seiner gutherzigen
Mutter etwas abschmeicheln möchte.

Überhaupt sind die Briefe als Selbstschilderungeu Schumanns ganz un¬
schätzbar, da man überall die Überzeugung gewinnt, daß sie auf vollster Wahr¬
haftigkeit beruhen. Schwerlich dürfte sein tiefstes Wesen anschaulicher und
wahrer gezeichnet werden können, als es von ihm selbst geschehen ist, vorzüglich
in den Briefen an Klara. Es ist wunderbar, wie der sonst so schweigsame
Maun in dem Augenblicke, wo er die Feder zur Hand nahm, seinen Gedanken
immer den treffenden und schönsten Ausdruck zu geben wußte. Von Verstellung
war ja keine Spur in ihm; hier aber, in den Briefen an feine Braut, liegt
seine ganze Seele offen und klar vor uns.

Ein gesteigertes Interesse erregen diejenigen Briefe, in denen er sich über


Grimzbvten II. I88ö. 3S

still, so haltet mich nicht für mißvergnügt oder melancholisch; ich spreche wenig,
wenn ich in einen Gedanken, ein Buch, ein Herz recht versenkt bin." Schön
spricht er sich gegen Klara ans: „Noch möchte ich dir manches über mich und
meinen Charakter vertrauen, wie man oft nicht klug aus mir wird, wie ich oft
die innigsten Liebeszeichen mit Kälte und Znriickhaltnng annehme und oft gerade
die, die es am liebsten mit mir meinen, beleidige und zurücksetze. So oft habe
ich mich deshalb befragt und mir Vorwürfe gemacht, denn innerlich erkenne ich
auch die kleinste Gabe an, verstehe ich jeden Augenwink, jeden leisen Zug im
Herzen des andern; und doch fehle ich noch so oft in den Worten und in der
Form. Du wirft mich aber schou zu nehmen wissen und verzeihst gewiß.
Denn ich habe kein böses Herz und liebe das Gute und Schöne mit tiefster
Seele. Nun genug, es überkommt mich nnr manchmal, an unsre Zukunft zu
denken, und ich möchte, daß sich unsre Herzen offen fanden wie die von ein paar
Kindern, die kein Hehl haben voreinander." Höflichkcitsrcdensarten, leere Artig¬
keiten oder wohl gar Unterwürfigkeit gegen Höhere sind nie seine Sache gewesen,
„Ich bin sehr gern in vornehmen und adlichen Kreisen, sobald sie nicht mehr
als ein höfliches Benehmen von mir fordern. Schmeicheln und mich unauf¬
hörlich verbeugen kann ich freilich nicht, wie ich denn auch nichts von gewissen
Salvnfeinheiten besitze. Wo aber schlichte Küustlersitte geduldet wird, besage
ich mich wohl und weiß mich auch recht leidlich auszudrücken." „Hofluft ist mir
Stickluft." Eine andre Seite seines Wesens tritt in der Äußerung: „Ich bin
überhaupt oft recht ledern, trocken, unangenehm und lache viel inwendig" hervor:
schalkhafter Humor. Seine Reisebriefe sind voll davon. Auch was er (im De¬
zember 1830) seiner Mutter über die Komposition einer Oper Hamlet schreibt,
gehört dahin, die Mystifikation ist deutlich genug, da er sich als „unendlich
bleich und garstig aussehend" schildert. Schumann wäre wohl auch der letzte
gewesen, aus dem Dänenprinzen einen Opcrnhelden zu machen. Das in den
Briefen der ersten Jahre oft wiederkehrende Thema „Geld" variirt der zum
Sparen wenig geschickte Studiosus sehr verschieden — ernsthaft, wenn er sich
an seinen gestrengen Vormund wendet, höchst launig, wenn er seiner gutherzigen
Mutter etwas abschmeicheln möchte.

Überhaupt sind die Briefe als Selbstschilderungeu Schumanns ganz un¬
schätzbar, da man überall die Überzeugung gewinnt, daß sie auf vollster Wahr¬
haftigkeit beruhen. Schwerlich dürfte sein tiefstes Wesen anschaulicher und
wahrer gezeichnet werden können, als es von ihm selbst geschehen ist, vorzüglich
in den Briefen an Klara. Es ist wunderbar, wie der sonst so schweigsame
Maun in dem Augenblicke, wo er die Feder zur Hand nahm, seinen Gedanken
immer den treffenden und schönsten Ausdruck zu geben wußte. Von Verstellung
war ja keine Spur in ihm; hier aber, in den Briefen an feine Braut, liegt
seine ganze Seele offen und klar vor uns.

Ein gesteigertes Interesse erregen diejenigen Briefe, in denen er sich über


Grimzbvten II. I88ö. 3S
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/281>, abgerufen am 25.07.2024.