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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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die Zustimmung des Vaters zu gewinnen, winde er aber so vollständig getäuscht,
daß er zuletzt resignirte.

Mit dem eben erwähnten Briefe schließt der erste Teil der Jugendbriefe.
Der zweite, mit der Aufschrift "Auszüge aus Briefen an Klara Wieck," stellt
einen neuen Abschnitt in Schumanns Leben dar: das erneuerte Verlöbnis mit
Klara, und beider Kampf um Erreichung des Zieles, ihre endliche Verbindung.
Am 13. September 1837, Klaras Geburtstag, wagte Schumann auf Zureden
seiner Braut den entscheidenden Schritt: er bewarb sich schriftlich bei Wieck um
die Hand feiner Tochter. Die Autwort war gänzlich entmutigend, "so zweifele
haft ablehnend und zugehend, daß ich nun gar nicht weiß, was ich anfangen
soll; gar nicht," schreibt er an seinen treuen Freund F. A. Becker. Das Ver¬
hältnis Schumanns zu Wieck, der zunächst nnr die unsichere Existenz Schu¬
manns als Weigerungsgrund angegeben zu haben scheint, verschlimmerte sich
allmählich, da bei Wieck immer unverhüllter eine feindselige Gesinnung gegen
Schumann zu Tage trat, die sich sowohl in geringschätzigen Urteilen über seine
bisherigen Leistungen, als auch in übertriebenen Anforderungen an die zukünf¬
tigen äußerte.

Schumanns Unwille war gerechtfertigt genug. Es kamen ihm allerlei höh¬
nische Äußerungen Wiecks zu Ohren, wie: "Kein Mensch laufe ja seine Komposi¬
tionen," oder: "er solle nur erst 'mal eine Symphonie zustande bringen," oder:
"wo denn sein Don Juan, sein Freischütz wäre?" Einmal hatte Wieck ihn als
phlegmatisch bezeichnet; das brachte ihn auf, und er schrieb an Klara: "Dein
Vater nennt mich phlegmatisch? Carnaval und phlegmatisch! 1'i8-NvI1-Sonate
und phlegmatisch! Liebe zu einem solchen Mädchen und phlegmatisch! Und das
hörst du ruhig an?" Noch eine andre Äußerung erregte seine Entrüstung; es
ist gleichgültig, ob sie von Wieck oder einem andern herrührt, denn nnr Schu¬
manns Zurückweisung derselben interessirt uns. "In Prag soll ich gesagt haben:
"eine Mozartsche Li-inoU-SymPhonie mache ich im Traum" -- das hat ein Lügner
ersonnen. Du kennst meine Bescheidenheit gegen alles, was Meister heißt."

Daß Schumann und Wieck in ihren Knnstanschannngen erheblich von ein¬
ander abwichen, zeigte sich schon 1831, als Schumann den Unterricht bei Wieck
einstellte, um sich Hummel anzuvertrauen. 1833 schreibt er seiner Mutter, daß
er mit Wieck zwar täglich befreundeter werde, aber "wenig Aussicht habe, in
seiner Knnstnnsicht je mit ihm zusammenzutreffen." Wieck bezeichnete Schumann
gern als seinen "Schüler," "och im Jahre 1835. Später freilich änderte sich
das, und er behauptete auch seiner Tochter gegenüber: in Schumanns Kompo¬
sitionen sei "keine Melodie," worauf sie erwiederte: aber es sei ja "überall
Melodie."*) (Nach Frau Schumanns eigner Mitteilung.)



*) In Bezug auf Wiccks Mitarbeiterschaft ein Schumanns Zeitung bemerkt WasielcwSki
im allen drei Auflagen der Biographie), daß Wieck unter seinem vollen Namen geschrieben

die Zustimmung des Vaters zu gewinnen, winde er aber so vollständig getäuscht,
daß er zuletzt resignirte.

Mit dem eben erwähnten Briefe schließt der erste Teil der Jugendbriefe.
Der zweite, mit der Aufschrift „Auszüge aus Briefen an Klara Wieck," stellt
einen neuen Abschnitt in Schumanns Leben dar: das erneuerte Verlöbnis mit
Klara, und beider Kampf um Erreichung des Zieles, ihre endliche Verbindung.
Am 13. September 1837, Klaras Geburtstag, wagte Schumann auf Zureden
seiner Braut den entscheidenden Schritt: er bewarb sich schriftlich bei Wieck um
die Hand feiner Tochter. Die Autwort war gänzlich entmutigend, „so zweifele
haft ablehnend und zugehend, daß ich nun gar nicht weiß, was ich anfangen
soll; gar nicht," schreibt er an seinen treuen Freund F. A. Becker. Das Ver¬
hältnis Schumanns zu Wieck, der zunächst nnr die unsichere Existenz Schu¬
manns als Weigerungsgrund angegeben zu haben scheint, verschlimmerte sich
allmählich, da bei Wieck immer unverhüllter eine feindselige Gesinnung gegen
Schumann zu Tage trat, die sich sowohl in geringschätzigen Urteilen über seine
bisherigen Leistungen, als auch in übertriebenen Anforderungen an die zukünf¬
tigen äußerte.

Schumanns Unwille war gerechtfertigt genug. Es kamen ihm allerlei höh¬
nische Äußerungen Wiecks zu Ohren, wie: „Kein Mensch laufe ja seine Komposi¬
tionen," oder: „er solle nur erst 'mal eine Symphonie zustande bringen," oder:
„wo denn sein Don Juan, sein Freischütz wäre?" Einmal hatte Wieck ihn als
phlegmatisch bezeichnet; das brachte ihn auf, und er schrieb an Klara: „Dein
Vater nennt mich phlegmatisch? Carnaval und phlegmatisch! 1'i8-NvI1-Sonate
und phlegmatisch! Liebe zu einem solchen Mädchen und phlegmatisch! Und das
hörst du ruhig an?" Noch eine andre Äußerung erregte seine Entrüstung; es
ist gleichgültig, ob sie von Wieck oder einem andern herrührt, denn nnr Schu¬
manns Zurückweisung derselben interessirt uns. „In Prag soll ich gesagt haben:
»eine Mozartsche Li-inoU-SymPhonie mache ich im Traum« — das hat ein Lügner
ersonnen. Du kennst meine Bescheidenheit gegen alles, was Meister heißt."

Daß Schumann und Wieck in ihren Knnstanschannngen erheblich von ein¬
ander abwichen, zeigte sich schon 1831, als Schumann den Unterricht bei Wieck
einstellte, um sich Hummel anzuvertrauen. 1833 schreibt er seiner Mutter, daß
er mit Wieck zwar täglich befreundeter werde, aber „wenig Aussicht habe, in
seiner Knnstnnsicht je mit ihm zusammenzutreffen." Wieck bezeichnete Schumann
gern als seinen „Schüler," »och im Jahre 1835. Später freilich änderte sich
das, und er behauptete auch seiner Tochter gegenüber: in Schumanns Kompo¬
sitionen sei „keine Melodie," worauf sie erwiederte: aber es sei ja „überall
Melodie."*) (Nach Frau Schumanns eigner Mitteilung.)



*) In Bezug auf Wiccks Mitarbeiterschaft ein Schumanns Zeitung bemerkt WasielcwSki
im allen drei Auflagen der Biographie), daß Wieck unter seinem vollen Namen geschrieben
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/279>, abgerufen am 24.07.2024.