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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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In der That kam mir die ganze Sache äußerst verdächtig vor.

Einige Tage darauf zeigte mir mein Freund ein Schreiben des Herrn
v. Chandeau, Inhalts dessen er später durch die kaiserliche Gesandtschaft in
Neapel die allerhöchste Entschließung über sein Manuskript erhalten solle.

Ich gedachte einen Tag vor den kaiserlichen Herrschaften nach Neapel ab¬
zureisen. Ihre Majestät wünschte jedoch noch alle die Aquarellbilder und
Zeichnungen zu sehen, welche ich sür das Album meines Königs vollendet hatte.
Ich fand im Kabinet die Kaiserin, die Großherzogin, die Prinzessin Marie und
die Großfürstin Olga. Es wurde alles mit Interesse durchgesehen. Die Kaiserin
beauftragte mich, die Zeichnung von ihrem eignen Saal und dem ihrer Schwester,
sowie einige Kostümfigureu der griechischen Frauen für sie zu kopiren, indem
sie bemerkte, sie hoffe dieselben in Rom fertig zu finden. Auch wollte sie in
meinem Studio in Rom die angefangenen Ölgemälde von der Vorhalle der
Zisa und dem Mosaikzimmer des Königs Roger, welche sie bestellt hatte, in
Augenschein nehmen.

In Neapel angekommen, sah ich die kaiserlichen Herrschaften nur landen.
Ihr Aufenthalt dauerte hier aber mehrere Wochen. Denn man hatte nach einer
schlaflosen und unruhige" Nacht die Kaiserin, statt ihr Ruhe zu gönnen, sofort
mehrere Stunden nach de>i schönsten Punkten des Golfs umhergefahren, und
zwar bei scharfem Winde und unfreundlichem Himmel. Die Folgen zeigten sich
schon am nächsten Tage. Eine starke Erkältung und eine Gesichtsentzüudung
(Kopfrose) verhinderten die Abreise.

In Rom, wohin ich vorausgefahren war, hofften viele Künstler vergebens
auf die Ankunft der Kaiserin, obwohl sie selbst den lebhaften Wunsch hatte, die
ewige Stadt zu sehen. Nur Herr v. Chandeau kam nach Rom, um die bestellten
Aquarelle in Empfang zu nehmen. Auch sah er sich, an Stelle der Kaiserin,
die beiden angefangenen Ölgemälde an, deren Vollendung ich später nach
Se. Petersburg melden sollte.

Als Grund für das Ausbleiben der kaiserlichen Herrschaften wurden die
in Rom herrschenden Masern ausgegeben, welche die Großfürstin Olga noch
nicht gehabt hätte. Der wahre Grund war ein andrer. Der Kaiser Nikolaus
hatte bei seiner Anwesenheit in Rom vom Papst Gregor XVI. sehr bittere
Wahrheiten zu hören bekommen über die Unterdrückung der römischen Katholiken
in Rußland und Polen.

Und in Wahrheit, Menschenfurcht hat man den römischen Päpsten noch
niemals nachsagen können.

Am zweiten April empfing ich mich ein Schreiben von meinem griechischen
Freunde Schirü, worin er mir meldete, daß er von der kaiserlichen Gesandtschaft in
Neapel, mit der Erlaubnis der Dedikation an Ihre Majestät die Kaiserin, auch
sein Manuskript glücklich wiedererhalten habe. Später sei ihm durch den Staats¬
rath v. Chandeau, im Namen der Kaiserin, noch ein Brillantring mit einem


In der That kam mir die ganze Sache äußerst verdächtig vor.

Einige Tage darauf zeigte mir mein Freund ein Schreiben des Herrn
v. Chandeau, Inhalts dessen er später durch die kaiserliche Gesandtschaft in
Neapel die allerhöchste Entschließung über sein Manuskript erhalten solle.

Ich gedachte einen Tag vor den kaiserlichen Herrschaften nach Neapel ab¬
zureisen. Ihre Majestät wünschte jedoch noch alle die Aquarellbilder und
Zeichnungen zu sehen, welche ich sür das Album meines Königs vollendet hatte.
Ich fand im Kabinet die Kaiserin, die Großherzogin, die Prinzessin Marie und
die Großfürstin Olga. Es wurde alles mit Interesse durchgesehen. Die Kaiserin
beauftragte mich, die Zeichnung von ihrem eignen Saal und dem ihrer Schwester,
sowie einige Kostümfigureu der griechischen Frauen für sie zu kopiren, indem
sie bemerkte, sie hoffe dieselben in Rom fertig zu finden. Auch wollte sie in
meinem Studio in Rom die angefangenen Ölgemälde von der Vorhalle der
Zisa und dem Mosaikzimmer des Königs Roger, welche sie bestellt hatte, in
Augenschein nehmen.

In Neapel angekommen, sah ich die kaiserlichen Herrschaften nur landen.
Ihr Aufenthalt dauerte hier aber mehrere Wochen. Denn man hatte nach einer
schlaflosen und unruhige» Nacht die Kaiserin, statt ihr Ruhe zu gönnen, sofort
mehrere Stunden nach de>i schönsten Punkten des Golfs umhergefahren, und
zwar bei scharfem Winde und unfreundlichem Himmel. Die Folgen zeigten sich
schon am nächsten Tage. Eine starke Erkältung und eine Gesichtsentzüudung
(Kopfrose) verhinderten die Abreise.

In Rom, wohin ich vorausgefahren war, hofften viele Künstler vergebens
auf die Ankunft der Kaiserin, obwohl sie selbst den lebhaften Wunsch hatte, die
ewige Stadt zu sehen. Nur Herr v. Chandeau kam nach Rom, um die bestellten
Aquarelle in Empfang zu nehmen. Auch sah er sich, an Stelle der Kaiserin,
die beiden angefangenen Ölgemälde an, deren Vollendung ich später nach
Se. Petersburg melden sollte.

Als Grund für das Ausbleiben der kaiserlichen Herrschaften wurden die
in Rom herrschenden Masern ausgegeben, welche die Großfürstin Olga noch
nicht gehabt hätte. Der wahre Grund war ein andrer. Der Kaiser Nikolaus
hatte bei seiner Anwesenheit in Rom vom Papst Gregor XVI. sehr bittere
Wahrheiten zu hören bekommen über die Unterdrückung der römischen Katholiken
in Rußland und Polen.

Und in Wahrheit, Menschenfurcht hat man den römischen Päpsten noch
niemals nachsagen können.

Am zweiten April empfing ich mich ein Schreiben von meinem griechischen
Freunde Schirü, worin er mir meldete, daß er von der kaiserlichen Gesandtschaft in
Neapel, mit der Erlaubnis der Dedikation an Ihre Majestät die Kaiserin, auch
sein Manuskript glücklich wiedererhalten habe. Später sei ihm durch den Staats¬
rath v. Chandeau, im Namen der Kaiserin, noch ein Brillantring mit einem


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[0238] In der That kam mir die ganze Sache äußerst verdächtig vor. Einige Tage darauf zeigte mir mein Freund ein Schreiben des Herrn v. Chandeau, Inhalts dessen er später durch die kaiserliche Gesandtschaft in Neapel die allerhöchste Entschließung über sein Manuskript erhalten solle. Ich gedachte einen Tag vor den kaiserlichen Herrschaften nach Neapel ab¬ zureisen. Ihre Majestät wünschte jedoch noch alle die Aquarellbilder und Zeichnungen zu sehen, welche ich sür das Album meines Königs vollendet hatte. Ich fand im Kabinet die Kaiserin, die Großherzogin, die Prinzessin Marie und die Großfürstin Olga. Es wurde alles mit Interesse durchgesehen. Die Kaiserin beauftragte mich, die Zeichnung von ihrem eignen Saal und dem ihrer Schwester, sowie einige Kostümfigureu der griechischen Frauen für sie zu kopiren, indem sie bemerkte, sie hoffe dieselben in Rom fertig zu finden. Auch wollte sie in meinem Studio in Rom die angefangenen Ölgemälde von der Vorhalle der Zisa und dem Mosaikzimmer des Königs Roger, welche sie bestellt hatte, in Augenschein nehmen. In Neapel angekommen, sah ich die kaiserlichen Herrschaften nur landen. Ihr Aufenthalt dauerte hier aber mehrere Wochen. Denn man hatte nach einer schlaflosen und unruhige» Nacht die Kaiserin, statt ihr Ruhe zu gönnen, sofort mehrere Stunden nach de>i schönsten Punkten des Golfs umhergefahren, und zwar bei scharfem Winde und unfreundlichem Himmel. Die Folgen zeigten sich schon am nächsten Tage. Eine starke Erkältung und eine Gesichtsentzüudung (Kopfrose) verhinderten die Abreise. In Rom, wohin ich vorausgefahren war, hofften viele Künstler vergebens auf die Ankunft der Kaiserin, obwohl sie selbst den lebhaften Wunsch hatte, die ewige Stadt zu sehen. Nur Herr v. Chandeau kam nach Rom, um die bestellten Aquarelle in Empfang zu nehmen. Auch sah er sich, an Stelle der Kaiserin, die beiden angefangenen Ölgemälde an, deren Vollendung ich später nach Se. Petersburg melden sollte. Als Grund für das Ausbleiben der kaiserlichen Herrschaften wurden die in Rom herrschenden Masern ausgegeben, welche die Großfürstin Olga noch nicht gehabt hätte. Der wahre Grund war ein andrer. Der Kaiser Nikolaus hatte bei seiner Anwesenheit in Rom vom Papst Gregor XVI. sehr bittere Wahrheiten zu hören bekommen über die Unterdrückung der römischen Katholiken in Rußland und Polen. Und in Wahrheit, Menschenfurcht hat man den römischen Päpsten noch niemals nachsagen können. Am zweiten April empfing ich mich ein Schreiben von meinem griechischen Freunde Schirü, worin er mir meldete, daß er von der kaiserlichen Gesandtschaft in Neapel, mit der Erlaubnis der Dedikation an Ihre Majestät die Kaiserin, auch sein Manuskript glücklich wiedererhalten habe. Später sei ihm durch den Staats¬ rath v. Chandeau, im Namen der Kaiserin, noch ein Brillantring mit einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/238>, abgerufen am 01.07.2024.