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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Die russische Raiserfamilie in Palermo. l^8H5--

nicht vergessen, denn Herr von Neues brachte mir den Auftrag, alle Gemächer,
welche die Kaiserin bewohnte, und die Gegenden, welche sie besuchen würde, in
Zeichnungen für ein großes Album darzustellen. General von Rauch sollte
dieserhalb bei der Kaiserin allerdings erst anfragen; dieselbe willigte aber umso
lieber ein, als sie jemand bei sich zu h.aben wünschte, welcher über Palermo und
Sizilien genaue Auskunft zu erteilen vermochte. So kam ich, fast dauernd, in
die unmittelbare Nähe der hohen Frau.

Ich entwarf zuerst ein Aquarell von dem großen Saale neben dem Ka¬
binet der Kaiserin, oft unterbrochen von der Großfürstin Olga, welche gern
das Vorschreiten der Zeichnung kvntivlirte. Auch mußte ich in Betreff der zu
machenden Spazierfahrten mein Gutachten abgeben. Großfürst Konstantin,
welcher später, und zwar am ersten Weihnachtsfeiertage, direkt von England
nach Palermo kam, interessirte sich besonders für die Perspektive und die Kunst,
alle Gegenstände in ihrer natürliche" Größe erscheinen zu lassen.

Das Wetter blieb hell und klar; die Kaiserin war stets bei guter Laune
und erschien nach einigen Wochen sichtbar wohler und gekräftigt. Oft ging sie
des Morgens in den Garten und forderte mich zu einem Umgange auf, um
sie zu unterhalten. Den meisten Stoff bot die schöne Natur dar und die Welt
der Blume", welche uoch täglich neue Blüten trieben. Später mußte ich der
Kaiserin ein Albumblatt mit der Villa und den beiden gewundenen eisernen
Treppen liefern, welche zu den Salons führten. Im ganzen ist das Leben
solcher hohen Herrschaften, trotz aller Abwechslung und Bemühung, neue Unter¬
haltungen aufzutreiben, einförmig, weil ihnen fehlt, was kein Mensch auf die
Dauer entbehren kann -- eine lohnende Arbeit.

Für mich waren alle die kleinen Aufträge zwar sehr ehrenvoll, aber sie
brachten wenig ein und hielten mich von meinen größern Arbeiten ab.

Eines Mittags veranlaßte mich Prinz Albrecht mit den kaiserlichen Herr¬
schaften nach Monreale zu fahren, um ihnen die Kathedrale zu zeigen. Ich
begab mich sofort voraus und brachte die Mönche des Klosters in Bewegung.
Dann eilte ich zum Sindaeo (Bürgermeister), um einen Teil der Bürgergarde
zusammenzutrommeln, welcher die Eingänge der Kirche umstellen und dem An¬
drange der Bettler und Neugierigen wehren sollte. .Kaum war alles fertig, so
traf auch schon der lange Zug der Kaiserin ein. Dieselbe setzte sich in den
Wagenstuhl und rief mich zu sich heran. Ich stellte ihr erst den Generalvikar
Monsignore Taralle vor und diente ihr sodann als Begleiter.

Der Kaiser Nikolaus fragte den Duca Serin ti Falco, woher der Name
Basilika stamme, und wodurch sich eine solche von andern Kirchen unterscheide.
Da die Autwort etwas verworren auffiel, wandte der Kaiser sich zu mir, und ich
gab die gewünschte Aufklärung. So ging es langsam durch die drei Schiffe,
an den schönen Mosaikbildcrn vorüber, nach dem reichen .Klosterhöfe mit seiner
Fontäne und seinen interessanten Skulpturen. Alles war höchlich überrascht


Die russische Raiserfamilie in Palermo. l^8H5—

nicht vergessen, denn Herr von Neues brachte mir den Auftrag, alle Gemächer,
welche die Kaiserin bewohnte, und die Gegenden, welche sie besuchen würde, in
Zeichnungen für ein großes Album darzustellen. General von Rauch sollte
dieserhalb bei der Kaiserin allerdings erst anfragen; dieselbe willigte aber umso
lieber ein, als sie jemand bei sich zu h.aben wünschte, welcher über Palermo und
Sizilien genaue Auskunft zu erteilen vermochte. So kam ich, fast dauernd, in
die unmittelbare Nähe der hohen Frau.

Ich entwarf zuerst ein Aquarell von dem großen Saale neben dem Ka¬
binet der Kaiserin, oft unterbrochen von der Großfürstin Olga, welche gern
das Vorschreiten der Zeichnung kvntivlirte. Auch mußte ich in Betreff der zu
machenden Spazierfahrten mein Gutachten abgeben. Großfürst Konstantin,
welcher später, und zwar am ersten Weihnachtsfeiertage, direkt von England
nach Palermo kam, interessirte sich besonders für die Perspektive und die Kunst,
alle Gegenstände in ihrer natürliche» Größe erscheinen zu lassen.

Das Wetter blieb hell und klar; die Kaiserin war stets bei guter Laune
und erschien nach einigen Wochen sichtbar wohler und gekräftigt. Oft ging sie
des Morgens in den Garten und forderte mich zu einem Umgange auf, um
sie zu unterhalten. Den meisten Stoff bot die schöne Natur dar und die Welt
der Blume«, welche uoch täglich neue Blüten trieben. Später mußte ich der
Kaiserin ein Albumblatt mit der Villa und den beiden gewundenen eisernen
Treppen liefern, welche zu den Salons führten. Im ganzen ist das Leben
solcher hohen Herrschaften, trotz aller Abwechslung und Bemühung, neue Unter¬
haltungen aufzutreiben, einförmig, weil ihnen fehlt, was kein Mensch auf die
Dauer entbehren kann — eine lohnende Arbeit.

Für mich waren alle die kleinen Aufträge zwar sehr ehrenvoll, aber sie
brachten wenig ein und hielten mich von meinen größern Arbeiten ab.

Eines Mittags veranlaßte mich Prinz Albrecht mit den kaiserlichen Herr¬
schaften nach Monreale zu fahren, um ihnen die Kathedrale zu zeigen. Ich
begab mich sofort voraus und brachte die Mönche des Klosters in Bewegung.
Dann eilte ich zum Sindaeo (Bürgermeister), um einen Teil der Bürgergarde
zusammenzutrommeln, welcher die Eingänge der Kirche umstellen und dem An¬
drange der Bettler und Neugierigen wehren sollte. .Kaum war alles fertig, so
traf auch schon der lange Zug der Kaiserin ein. Dieselbe setzte sich in den
Wagenstuhl und rief mich zu sich heran. Ich stellte ihr erst den Generalvikar
Monsignore Taralle vor und diente ihr sodann als Begleiter.

Der Kaiser Nikolaus fragte den Duca Serin ti Falco, woher der Name
Basilika stamme, und wodurch sich eine solche von andern Kirchen unterscheide.
Da die Autwort etwas verworren auffiel, wandte der Kaiser sich zu mir, und ich
gab die gewünschte Aufklärung. So ging es langsam durch die drei Schiffe,
an den schönen Mosaikbildcrn vorüber, nach dem reichen .Klosterhöfe mit seiner
Fontäne und seinen interessanten Skulpturen. Alles war höchlich überrascht


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[0230] Die russische Raiserfamilie in Palermo. l^8H5— nicht vergessen, denn Herr von Neues brachte mir den Auftrag, alle Gemächer, welche die Kaiserin bewohnte, und die Gegenden, welche sie besuchen würde, in Zeichnungen für ein großes Album darzustellen. General von Rauch sollte dieserhalb bei der Kaiserin allerdings erst anfragen; dieselbe willigte aber umso lieber ein, als sie jemand bei sich zu h.aben wünschte, welcher über Palermo und Sizilien genaue Auskunft zu erteilen vermochte. So kam ich, fast dauernd, in die unmittelbare Nähe der hohen Frau. Ich entwarf zuerst ein Aquarell von dem großen Saale neben dem Ka¬ binet der Kaiserin, oft unterbrochen von der Großfürstin Olga, welche gern das Vorschreiten der Zeichnung kvntivlirte. Auch mußte ich in Betreff der zu machenden Spazierfahrten mein Gutachten abgeben. Großfürst Konstantin, welcher später, und zwar am ersten Weihnachtsfeiertage, direkt von England nach Palermo kam, interessirte sich besonders für die Perspektive und die Kunst, alle Gegenstände in ihrer natürliche» Größe erscheinen zu lassen. Das Wetter blieb hell und klar; die Kaiserin war stets bei guter Laune und erschien nach einigen Wochen sichtbar wohler und gekräftigt. Oft ging sie des Morgens in den Garten und forderte mich zu einem Umgange auf, um sie zu unterhalten. Den meisten Stoff bot die schöne Natur dar und die Welt der Blume«, welche uoch täglich neue Blüten trieben. Später mußte ich der Kaiserin ein Albumblatt mit der Villa und den beiden gewundenen eisernen Treppen liefern, welche zu den Salons führten. Im ganzen ist das Leben solcher hohen Herrschaften, trotz aller Abwechslung und Bemühung, neue Unter¬ haltungen aufzutreiben, einförmig, weil ihnen fehlt, was kein Mensch auf die Dauer entbehren kann — eine lohnende Arbeit. Für mich waren alle die kleinen Aufträge zwar sehr ehrenvoll, aber sie brachten wenig ein und hielten mich von meinen größern Arbeiten ab. Eines Mittags veranlaßte mich Prinz Albrecht mit den kaiserlichen Herr¬ schaften nach Monreale zu fahren, um ihnen die Kathedrale zu zeigen. Ich begab mich sofort voraus und brachte die Mönche des Klosters in Bewegung. Dann eilte ich zum Sindaeo (Bürgermeister), um einen Teil der Bürgergarde zusammenzutrommeln, welcher die Eingänge der Kirche umstellen und dem An¬ drange der Bettler und Neugierigen wehren sollte. .Kaum war alles fertig, so traf auch schon der lange Zug der Kaiserin ein. Dieselbe setzte sich in den Wagenstuhl und rief mich zu sich heran. Ich stellte ihr erst den Generalvikar Monsignore Taralle vor und diente ihr sodann als Begleiter. Der Kaiser Nikolaus fragte den Duca Serin ti Falco, woher der Name Basilika stamme, und wodurch sich eine solche von andern Kirchen unterscheide. Da die Autwort etwas verworren auffiel, wandte der Kaiser sich zu mir, und ich gab die gewünschte Aufklärung. So ging es langsam durch die drei Schiffe, an den schönen Mosaikbildcrn vorüber, nach dem reichen .Klosterhöfe mit seiner Fontäne und seinen interessanten Skulpturen. Alles war höchlich überrascht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/230>, abgerufen am 23.07.2024.