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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

vom Rate in Venedig erkannten auch den Wert dieser schwedischen Diversion
Wohl: Farensbach erhielt eine Galeere zur Fahrt nach Zara und das Ehren¬
geschenk einer goldnen Kette von dreihundert Dukaten Gewicht; man ließ es
an keiner Art von Aufmerksamkeit für ihn fehlen. Aus London schrieb Cvn-
tarini, welcher von dem schwedischen Gesandten Svens über alles unterrichtet
war, der König brauche für den Einfall in Deutschland 400 000 Thaler jähr¬
lichen Zuschuß, woran sich Venedig mit 80- bis 100000 Thalern zu beteiligen
haben werde. Weil aber Gustav Adolf erst im nächsten Jahre, 1630, los¬
schlagen konnte, so wollte sich die Republik nicht jetzt schon zu bestimmten
Leistungen verpflichten.

Die Erfolge des Bundes von Susa erweckten nun aber in Wien und
Madrid den festen Entschluß zu kräftiger Gegenwehr. Don Gonzales von
Cordova, der den Waffenstillstand mit Frankreich angenommen hatte, wurde
abgesetzt und an seiner Stelle der bekannte Marchese Spinola zum Statthalter
von Mailand ernannt; die glückliche Ankunft einer Silberflotte aus Peru setzte
Spanien in den Stand, den bewährten Feldherrn reichlich mit Mitteln auszustatten;
er erschien in Mailand mit zwei Millionen Thalern in baarem Gelde und der
Vollmacht, 20 000 Mann anzuwerben. Auch der Kaiser schickte sich zu großen
Anstrengungen an, wobei er freilich dem. heftigen Widersprüche Wallensteins
begegnete. Der Herzog von Friedland war schon früher gegen das italienische Aben¬
teuer gewesen, solange noch Christian IV. von Dänemark im Felde stand; eines jetzt
"gefiel ihm das italienische Wesen nicht"; erhielt es für unmöglich, "an beiden
Seiten zu kriegen"; in einem interessanten Schreiben an Bischof Anton von
Wien, das v. Zwiedinek-Südenhorst zum erstenmale zu veröffentlichen in der
Lage ist, bezeichnete er den Ausbruch des Krieges in Italien "als des Teufels
letztes Sfvrzo," um die Ausrottung der Ketzerei zu verhindern. Denn ohne
diesen Krieg wäre jetzt der Augenblick gekommen gewesen, um den Spaniern
gegen die Niederländer beizustehen und diese endlich niederzuwerfen. Es erschien
ihm unbegreiflich, daß der Kaiser, "der sich zu allen frühern Kriegen habe mit
Gewalt ziehen lassen, jetzt so vorsätzlich eile"; er sprach sein Mißtrauen gegen
die Spanier aus, "welche es doch nie dulden würden, daß der Kaiser sich in
Italien festsetze"; weshalb, das war des Friedländers Gedanke, der seinen ganzen
Gegensatz zu der Lehre von der Solidarität der Casa d'Austria ins Licht setzt,
weshalb für spanische Zwecke österreichisches Blut vergießen? Er behielt aber
doch nicht Recht; schon im September 1629 standen von des Kaisers Heer neun
Regimenter zu Fuß und 18 Kornete Reiterei in Italien, es waren rund
20 000 Mann unter dem Befehle des Generalleutnants Namboldo Collalto,
des Generalwachtmeisters Gallas und des Kommissars Oberst Aldringen; Collalto
traf mit Spinola das Abkommen, daß er selbst gegen Mantua operiren wolle,
während die Spanier und Savoyer, deren Herzog "als Galantuomo" nach
Wallensteins Ausdruck "Heuer zum drittenmale die Partei wechseln wollte," das


Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

vom Rate in Venedig erkannten auch den Wert dieser schwedischen Diversion
Wohl: Farensbach erhielt eine Galeere zur Fahrt nach Zara und das Ehren¬
geschenk einer goldnen Kette von dreihundert Dukaten Gewicht; man ließ es
an keiner Art von Aufmerksamkeit für ihn fehlen. Aus London schrieb Cvn-
tarini, welcher von dem schwedischen Gesandten Svens über alles unterrichtet
war, der König brauche für den Einfall in Deutschland 400 000 Thaler jähr¬
lichen Zuschuß, woran sich Venedig mit 80- bis 100000 Thalern zu beteiligen
haben werde. Weil aber Gustav Adolf erst im nächsten Jahre, 1630, los¬
schlagen konnte, so wollte sich die Republik nicht jetzt schon zu bestimmten
Leistungen verpflichten.

Die Erfolge des Bundes von Susa erweckten nun aber in Wien und
Madrid den festen Entschluß zu kräftiger Gegenwehr. Don Gonzales von
Cordova, der den Waffenstillstand mit Frankreich angenommen hatte, wurde
abgesetzt und an seiner Stelle der bekannte Marchese Spinola zum Statthalter
von Mailand ernannt; die glückliche Ankunft einer Silberflotte aus Peru setzte
Spanien in den Stand, den bewährten Feldherrn reichlich mit Mitteln auszustatten;
er erschien in Mailand mit zwei Millionen Thalern in baarem Gelde und der
Vollmacht, 20 000 Mann anzuwerben. Auch der Kaiser schickte sich zu großen
Anstrengungen an, wobei er freilich dem. heftigen Widersprüche Wallensteins
begegnete. Der Herzog von Friedland war schon früher gegen das italienische Aben¬
teuer gewesen, solange noch Christian IV. von Dänemark im Felde stand; eines jetzt
„gefiel ihm das italienische Wesen nicht"; erhielt es für unmöglich, „an beiden
Seiten zu kriegen"; in einem interessanten Schreiben an Bischof Anton von
Wien, das v. Zwiedinek-Südenhorst zum erstenmale zu veröffentlichen in der
Lage ist, bezeichnete er den Ausbruch des Krieges in Italien „als des Teufels
letztes Sfvrzo," um die Ausrottung der Ketzerei zu verhindern. Denn ohne
diesen Krieg wäre jetzt der Augenblick gekommen gewesen, um den Spaniern
gegen die Niederländer beizustehen und diese endlich niederzuwerfen. Es erschien
ihm unbegreiflich, daß der Kaiser, „der sich zu allen frühern Kriegen habe mit
Gewalt ziehen lassen, jetzt so vorsätzlich eile"; er sprach sein Mißtrauen gegen
die Spanier aus, „welche es doch nie dulden würden, daß der Kaiser sich in
Italien festsetze"; weshalb, das war des Friedländers Gedanke, der seinen ganzen
Gegensatz zu der Lehre von der Solidarität der Casa d'Austria ins Licht setzt,
weshalb für spanische Zwecke österreichisches Blut vergießen? Er behielt aber
doch nicht Recht; schon im September 1629 standen von des Kaisers Heer neun
Regimenter zu Fuß und 18 Kornete Reiterei in Italien, es waren rund
20 000 Mann unter dem Befehle des Generalleutnants Namboldo Collalto,
des Generalwachtmeisters Gallas und des Kommissars Oberst Aldringen; Collalto
traf mit Spinola das Abkommen, daß er selbst gegen Mantua operiren wolle,
während die Spanier und Savoyer, deren Herzog „als Galantuomo" nach
Wallensteins Ausdruck „Heuer zum drittenmale die Partei wechseln wollte," das


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[0182] Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. vom Rate in Venedig erkannten auch den Wert dieser schwedischen Diversion Wohl: Farensbach erhielt eine Galeere zur Fahrt nach Zara und das Ehren¬ geschenk einer goldnen Kette von dreihundert Dukaten Gewicht; man ließ es an keiner Art von Aufmerksamkeit für ihn fehlen. Aus London schrieb Cvn- tarini, welcher von dem schwedischen Gesandten Svens über alles unterrichtet war, der König brauche für den Einfall in Deutschland 400 000 Thaler jähr¬ lichen Zuschuß, woran sich Venedig mit 80- bis 100000 Thalern zu beteiligen haben werde. Weil aber Gustav Adolf erst im nächsten Jahre, 1630, los¬ schlagen konnte, so wollte sich die Republik nicht jetzt schon zu bestimmten Leistungen verpflichten. Die Erfolge des Bundes von Susa erweckten nun aber in Wien und Madrid den festen Entschluß zu kräftiger Gegenwehr. Don Gonzales von Cordova, der den Waffenstillstand mit Frankreich angenommen hatte, wurde abgesetzt und an seiner Stelle der bekannte Marchese Spinola zum Statthalter von Mailand ernannt; die glückliche Ankunft einer Silberflotte aus Peru setzte Spanien in den Stand, den bewährten Feldherrn reichlich mit Mitteln auszustatten; er erschien in Mailand mit zwei Millionen Thalern in baarem Gelde und der Vollmacht, 20 000 Mann anzuwerben. Auch der Kaiser schickte sich zu großen Anstrengungen an, wobei er freilich dem. heftigen Widersprüche Wallensteins begegnete. Der Herzog von Friedland war schon früher gegen das italienische Aben¬ teuer gewesen, solange noch Christian IV. von Dänemark im Felde stand; eines jetzt „gefiel ihm das italienische Wesen nicht"; erhielt es für unmöglich, „an beiden Seiten zu kriegen"; in einem interessanten Schreiben an Bischof Anton von Wien, das v. Zwiedinek-Südenhorst zum erstenmale zu veröffentlichen in der Lage ist, bezeichnete er den Ausbruch des Krieges in Italien „als des Teufels letztes Sfvrzo," um die Ausrottung der Ketzerei zu verhindern. Denn ohne diesen Krieg wäre jetzt der Augenblick gekommen gewesen, um den Spaniern gegen die Niederländer beizustehen und diese endlich niederzuwerfen. Es erschien ihm unbegreiflich, daß der Kaiser, „der sich zu allen frühern Kriegen habe mit Gewalt ziehen lassen, jetzt so vorsätzlich eile"; er sprach sein Mißtrauen gegen die Spanier aus, „welche es doch nie dulden würden, daß der Kaiser sich in Italien festsetze"; weshalb, das war des Friedländers Gedanke, der seinen ganzen Gegensatz zu der Lehre von der Solidarität der Casa d'Austria ins Licht setzt, weshalb für spanische Zwecke österreichisches Blut vergießen? Er behielt aber doch nicht Recht; schon im September 1629 standen von des Kaisers Heer neun Regimenter zu Fuß und 18 Kornete Reiterei in Italien, es waren rund 20 000 Mann unter dem Befehle des Generalleutnants Namboldo Collalto, des Generalwachtmeisters Gallas und des Kommissars Oberst Aldringen; Collalto traf mit Spinola das Abkommen, daß er selbst gegen Mantua operiren wolle, während die Spanier und Savoyer, deren Herzog „als Galantuomo" nach Wallensteins Ausdruck „Heuer zum drittenmale die Partei wechseln wollte," das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/182>, abgerufen am 04.07.2024.