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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Gladstones Aussichten in Sachen Irlands.

Nach dein Gesagten darf es nicht Wunder nehmen, wenn Gladstones Home-
Nnle-Plan im Unterhause starker Opposition begegnete und selbst von den Libe¬
ralen nnr wenige sich bewogen fanden, für denselben in die Schranken zu treten.
Ähnliches gilt von der Presse. Alle großen Blätter, die liberalen nicht minder
wie die konservativen, bekämpfen Tag für Tag die Absichten des Premiers, selbst
die radikaleNg.I1 (?!^ot,es sagt ihm ab, ja sogar sein bisheriges Leiborgan,
die I>!>ü,v Uvvs, läßt ihn im Stiche oder verzweifelt wenigstens an seinem
Erfolge, wenn sie sagt: "Selten geschieht es, daß ein mit einer wichtigen Ma߬
regel betrauter Staatsmann sich in so ernster Verlegenheit befindet, wie jetzt
Herr Gladstone. Verlassen von einigen seiner geschätztesten Amtsgenossen, ent¬
behrt er offenbar jener Unterstützung der öffentlichen Meinung, die ihm früher
so viel Ermutigung gewährte und stets die Vorlänfcrin des Erfolges war. Es
ist eine ganz unbestreitbare Thatsache, daß es im Verlause der gegenwärtigen
Krisis schwer halten würde, eine Volksversammlung zustande zu bringen, die
sich zu Gunsten des irischen Home Rule äußerte. Wir sehen uns genötigt, die
Überzeugung auszusprechen, daß das Land dafür noch nicht reif ist." Weit
bitterer äußerten sich andre Zeitungen in der Sache. Die 'limss spottete: "Die
vorgeschlagene irische Verfassung gleicht der Nachbildung einer Eisenbahn, die
vor einigen Jahren von chinesischen Künstlern angefertigt wurde. Jede Einzel¬
heit war äußerlich dem Original säuberlich nachgemacht, nur die Bewegkraft
und das Zusammenwirken der verschiednen Stücke fehlte. Ebenso verhält sichs
mit dem ganzen Plunder der Bürgschaften und Einschränkungen Gladstones."
Nach der Meinung des vküls lelvgriipli ist der Gesetzentwurf bereits verurteilt.
Er kaun, darf und wird nicht durchgehen, hat aber das Reich in seinen Grund-
vesten erschüttert und dem Bedürfnis nach Versöhnung, gesicherter Ordnung und
Frieden gegenüber mehr geschadet, als Jahre weiser Negierung wieder gut macheu
tonnen. "Wir müssen -- so heißt es weiter -- der uns ans Leben gehenden
Gefahr ohne Verzug den Garaus machen. Wenn der Widerspruch den Sturz
des verehrenswertcu Ministers und sein endgiltiges Abtreten von dem Schauplatze
so vieler denkwürdigen Erfolge herbeiführt, so müssen trotzdem die Vertreter des
Vereinigten Königreiches sofort einem so undurchführbaren und bedauerlichen
Plane sich widersetzen und es ablehnen, Gladstones ruhmvolle Wirksamkeit mit
dem Beginne der Auflösung des Reiches zu krönen." Die englische liberale
Presse besitzt aber weit mehr als die Blätter des deutschen Liberalismus Staats¬
sinn und Nationalgefühl, und dazu kommt uoch der Umstand, daß in deu letzten
Jahrzehnten mancherlei geschehen ist, was den Engländern die Befürchtung ein¬
flößen kann, es nahe der Zeitpunkt, wo es mit dem Ansehen und der Macht
Englands rasch bergab gehen werde. Die mächtige Entwicklung Nordamerikas,
das Vordringen Rußlands in Mittelasien, die Nebenbuhlerschaft Frankreichs
an der afrikanischen Küste des Mittelmeeres, in Madagaskar, Hinterindien und
China lassen die englischen Patrioten mit Besorgnis in die Zukunft blicken, und


Gladstones Aussichten in Sachen Irlands.

Nach dein Gesagten darf es nicht Wunder nehmen, wenn Gladstones Home-
Nnle-Plan im Unterhause starker Opposition begegnete und selbst von den Libe¬
ralen nnr wenige sich bewogen fanden, für denselben in die Schranken zu treten.
Ähnliches gilt von der Presse. Alle großen Blätter, die liberalen nicht minder
wie die konservativen, bekämpfen Tag für Tag die Absichten des Premiers, selbst
die radikaleNg.I1 (?!^ot,es sagt ihm ab, ja sogar sein bisheriges Leiborgan,
die I>!>ü,v Uvvs, läßt ihn im Stiche oder verzweifelt wenigstens an seinem
Erfolge, wenn sie sagt: „Selten geschieht es, daß ein mit einer wichtigen Ma߬
regel betrauter Staatsmann sich in so ernster Verlegenheit befindet, wie jetzt
Herr Gladstone. Verlassen von einigen seiner geschätztesten Amtsgenossen, ent¬
behrt er offenbar jener Unterstützung der öffentlichen Meinung, die ihm früher
so viel Ermutigung gewährte und stets die Vorlänfcrin des Erfolges war. Es
ist eine ganz unbestreitbare Thatsache, daß es im Verlause der gegenwärtigen
Krisis schwer halten würde, eine Volksversammlung zustande zu bringen, die
sich zu Gunsten des irischen Home Rule äußerte. Wir sehen uns genötigt, die
Überzeugung auszusprechen, daß das Land dafür noch nicht reif ist." Weit
bitterer äußerten sich andre Zeitungen in der Sache. Die 'limss spottete: „Die
vorgeschlagene irische Verfassung gleicht der Nachbildung einer Eisenbahn, die
vor einigen Jahren von chinesischen Künstlern angefertigt wurde. Jede Einzel¬
heit war äußerlich dem Original säuberlich nachgemacht, nur die Bewegkraft
und das Zusammenwirken der verschiednen Stücke fehlte. Ebenso verhält sichs
mit dem ganzen Plunder der Bürgschaften und Einschränkungen Gladstones."
Nach der Meinung des vküls lelvgriipli ist der Gesetzentwurf bereits verurteilt.
Er kaun, darf und wird nicht durchgehen, hat aber das Reich in seinen Grund-
vesten erschüttert und dem Bedürfnis nach Versöhnung, gesicherter Ordnung und
Frieden gegenüber mehr geschadet, als Jahre weiser Negierung wieder gut macheu
tonnen. „Wir müssen — so heißt es weiter — der uns ans Leben gehenden
Gefahr ohne Verzug den Garaus machen. Wenn der Widerspruch den Sturz
des verehrenswertcu Ministers und sein endgiltiges Abtreten von dem Schauplatze
so vieler denkwürdigen Erfolge herbeiführt, so müssen trotzdem die Vertreter des
Vereinigten Königreiches sofort einem so undurchführbaren und bedauerlichen
Plane sich widersetzen und es ablehnen, Gladstones ruhmvolle Wirksamkeit mit
dem Beginne der Auflösung des Reiches zu krönen." Die englische liberale
Presse besitzt aber weit mehr als die Blätter des deutschen Liberalismus Staats¬
sinn und Nationalgefühl, und dazu kommt uoch der Umstand, daß in deu letzten
Jahrzehnten mancherlei geschehen ist, was den Engländern die Befürchtung ein¬
flößen kann, es nahe der Zeitpunkt, wo es mit dem Ansehen und der Macht
Englands rasch bergab gehen werde. Die mächtige Entwicklung Nordamerikas,
das Vordringen Rußlands in Mittelasien, die Nebenbuhlerschaft Frankreichs
an der afrikanischen Küste des Mittelmeeres, in Madagaskar, Hinterindien und
China lassen die englischen Patrioten mit Besorgnis in die Zukunft blicken, und


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[0157] Gladstones Aussichten in Sachen Irlands. Nach dein Gesagten darf es nicht Wunder nehmen, wenn Gladstones Home- Nnle-Plan im Unterhause starker Opposition begegnete und selbst von den Libe¬ ralen nnr wenige sich bewogen fanden, für denselben in die Schranken zu treten. Ähnliches gilt von der Presse. Alle großen Blätter, die liberalen nicht minder wie die konservativen, bekämpfen Tag für Tag die Absichten des Premiers, selbst die radikaleNg.I1 (?!^ot,es sagt ihm ab, ja sogar sein bisheriges Leiborgan, die I>!>ü,v Uvvs, läßt ihn im Stiche oder verzweifelt wenigstens an seinem Erfolge, wenn sie sagt: „Selten geschieht es, daß ein mit einer wichtigen Ma߬ regel betrauter Staatsmann sich in so ernster Verlegenheit befindet, wie jetzt Herr Gladstone. Verlassen von einigen seiner geschätztesten Amtsgenossen, ent¬ behrt er offenbar jener Unterstützung der öffentlichen Meinung, die ihm früher so viel Ermutigung gewährte und stets die Vorlänfcrin des Erfolges war. Es ist eine ganz unbestreitbare Thatsache, daß es im Verlause der gegenwärtigen Krisis schwer halten würde, eine Volksversammlung zustande zu bringen, die sich zu Gunsten des irischen Home Rule äußerte. Wir sehen uns genötigt, die Überzeugung auszusprechen, daß das Land dafür noch nicht reif ist." Weit bitterer äußerten sich andre Zeitungen in der Sache. Die 'limss spottete: „Die vorgeschlagene irische Verfassung gleicht der Nachbildung einer Eisenbahn, die vor einigen Jahren von chinesischen Künstlern angefertigt wurde. Jede Einzel¬ heit war äußerlich dem Original säuberlich nachgemacht, nur die Bewegkraft und das Zusammenwirken der verschiednen Stücke fehlte. Ebenso verhält sichs mit dem ganzen Plunder der Bürgschaften und Einschränkungen Gladstones." Nach der Meinung des vküls lelvgriipli ist der Gesetzentwurf bereits verurteilt. Er kaun, darf und wird nicht durchgehen, hat aber das Reich in seinen Grund- vesten erschüttert und dem Bedürfnis nach Versöhnung, gesicherter Ordnung und Frieden gegenüber mehr geschadet, als Jahre weiser Negierung wieder gut macheu tonnen. „Wir müssen — so heißt es weiter — der uns ans Leben gehenden Gefahr ohne Verzug den Garaus machen. Wenn der Widerspruch den Sturz des verehrenswertcu Ministers und sein endgiltiges Abtreten von dem Schauplatze so vieler denkwürdigen Erfolge herbeiführt, so müssen trotzdem die Vertreter des Vereinigten Königreiches sofort einem so undurchführbaren und bedauerlichen Plane sich widersetzen und es ablehnen, Gladstones ruhmvolle Wirksamkeit mit dem Beginne der Auflösung des Reiches zu krönen." Die englische liberale Presse besitzt aber weit mehr als die Blätter des deutschen Liberalismus Staats¬ sinn und Nationalgefühl, und dazu kommt uoch der Umstand, daß in deu letzten Jahrzehnten mancherlei geschehen ist, was den Engländern die Befürchtung ein¬ flößen kann, es nahe der Zeitpunkt, wo es mit dem Ansehen und der Macht Englands rasch bergab gehen werde. Die mächtige Entwicklung Nordamerikas, das Vordringen Rußlands in Mittelasien, die Nebenbuhlerschaft Frankreichs an der afrikanischen Küste des Mittelmeeres, in Madagaskar, Hinterindien und China lassen die englischen Patrioten mit Besorgnis in die Zukunft blicken, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/157>, abgerufen am 03.07.2024.