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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Neue Parteibildungen in Österreich.

Sachverständiger zu finden sei, der die Steuerfrage für die Börse gründlich
behandeln könnte.

Nach alledem konnte auch das Programm der nun folgenden Taaffcschcn
Regierung kein andres sein, als die von der kapitalistischen Linken im Argen
gelassene volkswirtschaftliche Seite zu heben und für die nichtdeutschen Na¬
tionalitäten eine Verständigung zu erzielen. Was die Staatswirtschaft betrifft,
so wurden unter Taaffe mitunter sehr wichtige Fragen in Angriff genommen
und auch mit Hilfe der Rechten mehr oder weniger glücklich gelöst. Diese Art
der Hebung rein nationalökonomischen, insbesondre auch staatsfinanziellen
Charakters brachte die Negierung, sowie die Rechte in einen noch stärkern
Gegensatz zu der manchesterlich-liberalen Linken, als er ohnehin schon von An¬
fang an vorhanden war. Es gab Regierungsvorlagen, die in dem Grade den
allgemeinen Wohlstand ins Auge faßten, daß ihnen keine Partei grundsätzlich
hätte gegenübertreten dürfen; die Linke that es dennoch und erntete dafür die
Bezeichnung der "faktiösen Opposition" ein.

Eine solche, man könnte sagen blinde Opposition konnte nicht verfehlen,
diejenigen deutscheu Mitglieder der Linken, die sich aus wirklichem Liberalismus
oder aus dem Bestreben nach einer ungeschmälerten Herrschaft der "5"/'?^
deutschen Partei an die Kapitalisten angeschlossen hatten, unzufrieden zu machen.
Sie fingen nach und nach an, bedenklich zu werden, und entpuppten sich zuletzt
als Männer, die die verderblichen Seiten der Kapitalistenpartei bloßzulegen
und zu bekämpfen suchten. Anfangs fanden nur wenige den Mut, hervorzutreten;
aber diese wenigen hatten das Bewußtsein, stille Anhänger zu besitzen, und sie
waren es, welche den Keim zu jenem Klub legten, welcher bei Eröffnung der eben
begonnenen Legislaturperiode schou verhältnismäßig kräftig hervorgetreten ist.

Dieser Klub mußte sich von der bisherigen vereinigten Linken als ein selb¬
ständiges Gebilde abtrennen, wenn er nicht in volkswirtschaftlicher Beziehung
unrichtige Wege wandeln wollte. Der zurückgebliebene ^größere Nest der Linken
nahm nunmehr den Namen eines "Deutsch-österreichischen Klubs" an und ver¬
folgt in nationaler Richtung wesentlich dieselben Ziele, wie der deutsche Kind
selbst, im übrigen aber gehen beide Abteilungen selbständig ihre eignen Wege.
Der deutsche Klub muß grundsätzlich seine Selbständigkeit wahren, denn sonst
müßte er in volkswirtschaftlichen Fragen, die in der Interessensphäre der kapita¬
listischen Partei liegen, unter der Stimmenmehrheit des jene Partei vertretenden
deutsch-österreichischen Klubs regelmäßig unterliegen.

So sehen wir denn und werden es noch weiterhin öfters erleben, daß der
deutsche und der deutsch-österreichische Klub bald zusammen, bald auseinander
gehen. Das ist nach den teils verschiednen, teils wiederum gleichen Zwecken
ihrer Zusammensetzung ganz natürlich, und das Wiener Hauptorgan der
Bourgeois sollte sich daher garnicht verwundert stellen, wenn beispielsweise der
deutsche Klub das Branntweinmonopol auch für Österreich beantragt und hierfür


Neue Parteibildungen in Österreich.

Sachverständiger zu finden sei, der die Steuerfrage für die Börse gründlich
behandeln könnte.

Nach alledem konnte auch das Programm der nun folgenden Taaffcschcn
Regierung kein andres sein, als die von der kapitalistischen Linken im Argen
gelassene volkswirtschaftliche Seite zu heben und für die nichtdeutschen Na¬
tionalitäten eine Verständigung zu erzielen. Was die Staatswirtschaft betrifft,
so wurden unter Taaffe mitunter sehr wichtige Fragen in Angriff genommen
und auch mit Hilfe der Rechten mehr oder weniger glücklich gelöst. Diese Art
der Hebung rein nationalökonomischen, insbesondre auch staatsfinanziellen
Charakters brachte die Negierung, sowie die Rechte in einen noch stärkern
Gegensatz zu der manchesterlich-liberalen Linken, als er ohnehin schon von An¬
fang an vorhanden war. Es gab Regierungsvorlagen, die in dem Grade den
allgemeinen Wohlstand ins Auge faßten, daß ihnen keine Partei grundsätzlich
hätte gegenübertreten dürfen; die Linke that es dennoch und erntete dafür die
Bezeichnung der „faktiösen Opposition" ein.

Eine solche, man könnte sagen blinde Opposition konnte nicht verfehlen,
diejenigen deutscheu Mitglieder der Linken, die sich aus wirklichem Liberalismus
oder aus dem Bestreben nach einer ungeschmälerten Herrschaft der »5«/'?^
deutschen Partei an die Kapitalisten angeschlossen hatten, unzufrieden zu machen.
Sie fingen nach und nach an, bedenklich zu werden, und entpuppten sich zuletzt
als Männer, die die verderblichen Seiten der Kapitalistenpartei bloßzulegen
und zu bekämpfen suchten. Anfangs fanden nur wenige den Mut, hervorzutreten;
aber diese wenigen hatten das Bewußtsein, stille Anhänger zu besitzen, und sie
waren es, welche den Keim zu jenem Klub legten, welcher bei Eröffnung der eben
begonnenen Legislaturperiode schou verhältnismäßig kräftig hervorgetreten ist.

Dieser Klub mußte sich von der bisherigen vereinigten Linken als ein selb¬
ständiges Gebilde abtrennen, wenn er nicht in volkswirtschaftlicher Beziehung
unrichtige Wege wandeln wollte. Der zurückgebliebene ^größere Nest der Linken
nahm nunmehr den Namen eines „Deutsch-österreichischen Klubs" an und ver¬
folgt in nationaler Richtung wesentlich dieselben Ziele, wie der deutsche Kind
selbst, im übrigen aber gehen beide Abteilungen selbständig ihre eignen Wege.
Der deutsche Klub muß grundsätzlich seine Selbständigkeit wahren, denn sonst
müßte er in volkswirtschaftlichen Fragen, die in der Interessensphäre der kapita¬
listischen Partei liegen, unter der Stimmenmehrheit des jene Partei vertretenden
deutsch-österreichischen Klubs regelmäßig unterliegen.

So sehen wir denn und werden es noch weiterhin öfters erleben, daß der
deutsche und der deutsch-österreichische Klub bald zusammen, bald auseinander
gehen. Das ist nach den teils verschiednen, teils wiederum gleichen Zwecken
ihrer Zusammensetzung ganz natürlich, und das Wiener Hauptorgan der
Bourgeois sollte sich daher garnicht verwundert stellen, wenn beispielsweise der
deutsche Klub das Branntweinmonopol auch für Österreich beantragt und hierfür


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[0014] Neue Parteibildungen in Österreich. Sachverständiger zu finden sei, der die Steuerfrage für die Börse gründlich behandeln könnte. Nach alledem konnte auch das Programm der nun folgenden Taaffcschcn Regierung kein andres sein, als die von der kapitalistischen Linken im Argen gelassene volkswirtschaftliche Seite zu heben und für die nichtdeutschen Na¬ tionalitäten eine Verständigung zu erzielen. Was die Staatswirtschaft betrifft, so wurden unter Taaffe mitunter sehr wichtige Fragen in Angriff genommen und auch mit Hilfe der Rechten mehr oder weniger glücklich gelöst. Diese Art der Hebung rein nationalökonomischen, insbesondre auch staatsfinanziellen Charakters brachte die Negierung, sowie die Rechte in einen noch stärkern Gegensatz zu der manchesterlich-liberalen Linken, als er ohnehin schon von An¬ fang an vorhanden war. Es gab Regierungsvorlagen, die in dem Grade den allgemeinen Wohlstand ins Auge faßten, daß ihnen keine Partei grundsätzlich hätte gegenübertreten dürfen; die Linke that es dennoch und erntete dafür die Bezeichnung der „faktiösen Opposition" ein. Eine solche, man könnte sagen blinde Opposition konnte nicht verfehlen, diejenigen deutscheu Mitglieder der Linken, die sich aus wirklichem Liberalismus oder aus dem Bestreben nach einer ungeschmälerten Herrschaft der »5«/'?^ deutschen Partei an die Kapitalisten angeschlossen hatten, unzufrieden zu machen. Sie fingen nach und nach an, bedenklich zu werden, und entpuppten sich zuletzt als Männer, die die verderblichen Seiten der Kapitalistenpartei bloßzulegen und zu bekämpfen suchten. Anfangs fanden nur wenige den Mut, hervorzutreten; aber diese wenigen hatten das Bewußtsein, stille Anhänger zu besitzen, und sie waren es, welche den Keim zu jenem Klub legten, welcher bei Eröffnung der eben begonnenen Legislaturperiode schou verhältnismäßig kräftig hervorgetreten ist. Dieser Klub mußte sich von der bisherigen vereinigten Linken als ein selb¬ ständiges Gebilde abtrennen, wenn er nicht in volkswirtschaftlicher Beziehung unrichtige Wege wandeln wollte. Der zurückgebliebene ^größere Nest der Linken nahm nunmehr den Namen eines „Deutsch-österreichischen Klubs" an und ver¬ folgt in nationaler Richtung wesentlich dieselben Ziele, wie der deutsche Kind selbst, im übrigen aber gehen beide Abteilungen selbständig ihre eignen Wege. Der deutsche Klub muß grundsätzlich seine Selbständigkeit wahren, denn sonst müßte er in volkswirtschaftlichen Fragen, die in der Interessensphäre der kapita¬ listischen Partei liegen, unter der Stimmenmehrheit des jene Partei vertretenden deutsch-österreichischen Klubs regelmäßig unterliegen. So sehen wir denn und werden es noch weiterhin öfters erleben, daß der deutsche und der deutsch-österreichische Klub bald zusammen, bald auseinander gehen. Das ist nach den teils verschiednen, teils wiederum gleichen Zwecken ihrer Zusammensetzung ganz natürlich, und das Wiener Hauptorgan der Bourgeois sollte sich daher garnicht verwundert stellen, wenn beispielsweise der deutsche Klub das Branntweinmonopol auch für Österreich beantragt und hierfür

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/14>, abgerufen am 24.07.2024.