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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Zehn Prozent oder zwanzig?

Seiteupfadeu und in gleich bedenklichen Winkeln, in gleich sorgfältiger Vermeidung
der Straßen und Stellen begegnen sollte, an denen noch andre, bessere Wahr¬
heit zu gewinnen wäre, Wohl schließen dürfen, daß sie auch in Paris noch andre
Wege hätte einschlagen können, als die, die wir geführt werden,

(Fortsetzung folgt,)




Zehn Prozent oder zwanzig?
Nachdenkliches für Büchorkänfer.

oller wir uns mit einem bescheidnen Rabatt begnügen oder sollen
wir unsre Bücher dort kaufen, wo nur sie am billigsten be¬
kommen? Zehn Prozent oder zwanzig? Das ist auch eine von
den Fragen, die garnicht oder zu selten erwogen und besprochen
werden: für Professoren und sonstige illustre Geister ist sie zu
praktisch und geringfügig, und weiter unten in den Thälern der Menschheit hat
man die Autwort sofort bereit und überlegt nicht erst lange. "Denn das sagt
doch der gesunde Menschenverstand: wenn ich ein Buch brauche, das ich von
Leipzig oder Berlin für 7^ Mark erhalte, während ich hier 9 Mark bezahlen
muß, daß ich dem hiesigen Buchhändler nicht die 13 Groschen schenke! Oder
haben Sie etwa ein besseres Einkommen als unsre Buchhändler?" Und dabei
schauen einen die Leute so an, wie wenn man nach seinen Ohren fühlen sollte,
ob sie nicht eben ins Eselhafte gewachsen seien.

Mit Verlaub, der gesunde Menschenverstand sagt viel dummes Zeug, und
ich mochte nicht für alles Unheil verantwortlich sein, was der schon angerichtet
hat. Zehn Prozent Rabatt glaube ich allerdings verlangen zu können unter
der Bedingung, daß ich ein fleißiger Käufer bin und sofort bezahle. Ich meine,
es sollte ein Reichsgesctz sein, daß mau bei Rechnungen zwischen fünf und fünfzig
Mark mir neun Zehntel der Forderung zu bezahlen brauchte, wenn man sofort
bezahlt. Die Handwerker und die kleinen Kaufleute wären dadurch ihren
schlimmsten Feind, den Anschrcibeteufel, los, und wer mit Gewalt Waare auf
Borg haben will, hätte seine Zinsen zu bezahlen, wie es sich gebührt. Daß sie
ihren bessern Kunden zehn Prozent ablassen tonnen, geben ja die meisten Buch¬
händler gern zu, und die Frage ist nur die, ob man eine größere Ermäßigung
verlangen oder einnehmen darf.

Unsre Ansichten hängen wesentlich von unsern persönlichen Erfahrungen
ab, und so ist mein Standpunkt zum Teil verursacht durch die nähere Bekannt-


Zehn Prozent oder zwanzig?

Seiteupfadeu und in gleich bedenklichen Winkeln, in gleich sorgfältiger Vermeidung
der Straßen und Stellen begegnen sollte, an denen noch andre, bessere Wahr¬
heit zu gewinnen wäre, Wohl schließen dürfen, daß sie auch in Paris noch andre
Wege hätte einschlagen können, als die, die wir geführt werden,

(Fortsetzung folgt,)




Zehn Prozent oder zwanzig?
Nachdenkliches für Büchorkänfer.

oller wir uns mit einem bescheidnen Rabatt begnügen oder sollen
wir unsre Bücher dort kaufen, wo nur sie am billigsten be¬
kommen? Zehn Prozent oder zwanzig? Das ist auch eine von
den Fragen, die garnicht oder zu selten erwogen und besprochen
werden: für Professoren und sonstige illustre Geister ist sie zu
praktisch und geringfügig, und weiter unten in den Thälern der Menschheit hat
man die Autwort sofort bereit und überlegt nicht erst lange. „Denn das sagt
doch der gesunde Menschenverstand: wenn ich ein Buch brauche, das ich von
Leipzig oder Berlin für 7^ Mark erhalte, während ich hier 9 Mark bezahlen
muß, daß ich dem hiesigen Buchhändler nicht die 13 Groschen schenke! Oder
haben Sie etwa ein besseres Einkommen als unsre Buchhändler?" Und dabei
schauen einen die Leute so an, wie wenn man nach seinen Ohren fühlen sollte,
ob sie nicht eben ins Eselhafte gewachsen seien.

Mit Verlaub, der gesunde Menschenverstand sagt viel dummes Zeug, und
ich mochte nicht für alles Unheil verantwortlich sein, was der schon angerichtet
hat. Zehn Prozent Rabatt glaube ich allerdings verlangen zu können unter
der Bedingung, daß ich ein fleißiger Käufer bin und sofort bezahle. Ich meine,
es sollte ein Reichsgesctz sein, daß mau bei Rechnungen zwischen fünf und fünfzig
Mark mir neun Zehntel der Forderung zu bezahlen brauchte, wenn man sofort
bezahlt. Die Handwerker und die kleinen Kaufleute wären dadurch ihren
schlimmsten Feind, den Anschrcibeteufel, los, und wer mit Gewalt Waare auf
Borg haben will, hätte seine Zinsen zu bezahlen, wie es sich gebührt. Daß sie
ihren bessern Kunden zehn Prozent ablassen tonnen, geben ja die meisten Buch¬
händler gern zu, und die Frage ist nur die, ob man eine größere Ermäßigung
verlangen oder einnehmen darf.

Unsre Ansichten hängen wesentlich von unsern persönlichen Erfahrungen
ab, und so ist mein Standpunkt zum Teil verursacht durch die nähere Bekannt-


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[0135] Zehn Prozent oder zwanzig? Seiteupfadeu und in gleich bedenklichen Winkeln, in gleich sorgfältiger Vermeidung der Straßen und Stellen begegnen sollte, an denen noch andre, bessere Wahr¬ heit zu gewinnen wäre, Wohl schließen dürfen, daß sie auch in Paris noch andre Wege hätte einschlagen können, als die, die wir geführt werden, (Fortsetzung folgt,) Zehn Prozent oder zwanzig? Nachdenkliches für Büchorkänfer. oller wir uns mit einem bescheidnen Rabatt begnügen oder sollen wir unsre Bücher dort kaufen, wo nur sie am billigsten be¬ kommen? Zehn Prozent oder zwanzig? Das ist auch eine von den Fragen, die garnicht oder zu selten erwogen und besprochen werden: für Professoren und sonstige illustre Geister ist sie zu praktisch und geringfügig, und weiter unten in den Thälern der Menschheit hat man die Autwort sofort bereit und überlegt nicht erst lange. „Denn das sagt doch der gesunde Menschenverstand: wenn ich ein Buch brauche, das ich von Leipzig oder Berlin für 7^ Mark erhalte, während ich hier 9 Mark bezahlen muß, daß ich dem hiesigen Buchhändler nicht die 13 Groschen schenke! Oder haben Sie etwa ein besseres Einkommen als unsre Buchhändler?" Und dabei schauen einen die Leute so an, wie wenn man nach seinen Ohren fühlen sollte, ob sie nicht eben ins Eselhafte gewachsen seien. Mit Verlaub, der gesunde Menschenverstand sagt viel dummes Zeug, und ich mochte nicht für alles Unheil verantwortlich sein, was der schon angerichtet hat. Zehn Prozent Rabatt glaube ich allerdings verlangen zu können unter der Bedingung, daß ich ein fleißiger Käufer bin und sofort bezahle. Ich meine, es sollte ein Reichsgesctz sein, daß mau bei Rechnungen zwischen fünf und fünfzig Mark mir neun Zehntel der Forderung zu bezahlen brauchte, wenn man sofort bezahlt. Die Handwerker und die kleinen Kaufleute wären dadurch ihren schlimmsten Feind, den Anschrcibeteufel, los, und wer mit Gewalt Waare auf Borg haben will, hätte seine Zinsen zu bezahlen, wie es sich gebührt. Daß sie ihren bessern Kunden zehn Prozent ablassen tonnen, geben ja die meisten Buch¬ händler gern zu, und die Frage ist nur die, ob man eine größere Ermäßigung verlangen oder einnehmen darf. Unsre Ansichten hängen wesentlich von unsern persönlichen Erfahrungen ab, und so ist mein Standpunkt zum Teil verursacht durch die nähere Bekannt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/135>, abgerufen am 04.07.2024.