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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Die Sonnwgscirbeit.

hindern wollen; anders liegt es freilich mit einer solchen in die Öffentlichkeit
tretenden Arbeit bezüglich der übrigen Stunden des Sonntags, Die Beschäftigung
jugendlicher Arbeiter muß deu gauzeu Sountcig von zwölf Uhr nachts bis
zwölf Uhr nachts verboten werden. Von manchen Seiten wird nun auch das
Verbot der Frauenarbeit an Sonntagen verlangt; ich hätte auch hiergegen
nichts einzuwenden, wie ich überhaupt kein Freund der Beschäftigung von
Frauen oder Mädchen in Fabriken bin, nicht gerade aus deu von der Sozial-
demokratie vorgebrachten Gründen, daß dadurch die Löhne herabgedrückt würden,
sonder" weil eine Frau besseres zu thun hat, als in einer Fabrik zu arbeiten,
nämlich ihrem Haushalte vorzustehen und ihre Kinder zu erziehen, und weil ein
Mädchen das Hauswesen erlernen soll, um einem solchen später vorstehen zu
können, was ihm bei einer Fabrilbeschäftigung unmöglich ist, Erfahrungsmäßig
sind eine sehr große Menge unglücklicher Ehen gerade darauf zurückzuführen,
daß die Frau als Mädchen in einer Fabrik arbeitete, deshalb die Haushalts¬
führung nicht gelernt hat, dann dem Manne das Haus uicht angenehm machen
kann und ihn dadurch ins Wirtshaus treibt, Und wie viele solcher Ehen
mußte" geschlossen werden, weil Mann und Frau bei ihrer gleichzeitigen Be¬
schäftigung in einer Fabrik nähere Beziehungen anknüpften, als gut war! Muß
infolge der Beseitigung der Frauenarbeit in den Fabriken eine Steigerung der
Löhne eintreten, so hat dies nichts zu sagen, und ich hätte auch aus den aus¬
geführten Sätzen nichts dagegen einzuwenden, wenn die mir auf die billige
Arbeit von Frauen und Mädchen gegründeten Fabriken ans Mangel an diesen
Arbeitskräften eingingen. Neben der Thätigkeit im Haushalte bleibt den Frauen
und aus der Schule entlassenen Töchtern der Arbeiterfamilien noch genug Be¬
schäftigung, mit denen sie Geld verdienen können, .Kann man aber der weib¬
lichen Arbeiterbevölkerung die Arbeit in den Fabriken nicht ganz verbieten, und
das möchte ans praktischen Gründen fürs erste noch der Fall sein, dann
untersage man ihnen wenigstens die Sonntagsarbeit, damit sie doch einen Tag
für ihren Haushalt haben. Dazu gehört dann freilich noch weiter, daß sie auch
Sonnabends zeitig, etwa um vier oder fünf Uhr nachmittags, entlassen werden
müssen, damit sie ihr Hauswesen i" sonntäglichen Stand setzen können, weil
ohne dies der Sonntag nur Flink- und Scheuertag wird. Endlich muß der
Staat und müssen die Gemeinden mit einem guten Beispiele bezüglich der Be¬
schäftigung ihrer Beamten vorausgehen; denn das wirkt mehr als alle gesetz¬
lichen Bestimmungen.

Der dritte und schwerste Einwand gegen die Einführung der Sonntagsruhe
ist der, daß die Leute nicht wüßten, was sie mit dem Sonntage anfangen
sollten, und daß es daher besser sei, sie arbeiteten, als sie ergäben sich dem
Trunke und Müßiggang; dieser Einwand ist erst noch kürzlich von einem unsrer
beliebten Schriftsteller unter der Forderung: "Gebt dem Sonntag eine Seele"
ausgeführt worden, wobei so recht die geistige Ode, welche in vielen Arbeiter-


Die Sonnwgscirbeit.

hindern wollen; anders liegt es freilich mit einer solchen in die Öffentlichkeit
tretenden Arbeit bezüglich der übrigen Stunden des Sonntags, Die Beschäftigung
jugendlicher Arbeiter muß deu gauzeu Sountcig von zwölf Uhr nachts bis
zwölf Uhr nachts verboten werden. Von manchen Seiten wird nun auch das
Verbot der Frauenarbeit an Sonntagen verlangt; ich hätte auch hiergegen
nichts einzuwenden, wie ich überhaupt kein Freund der Beschäftigung von
Frauen oder Mädchen in Fabriken bin, nicht gerade aus deu von der Sozial-
demokratie vorgebrachten Gründen, daß dadurch die Löhne herabgedrückt würden,
sonder» weil eine Frau besseres zu thun hat, als in einer Fabrik zu arbeiten,
nämlich ihrem Haushalte vorzustehen und ihre Kinder zu erziehen, und weil ein
Mädchen das Hauswesen erlernen soll, um einem solchen später vorstehen zu
können, was ihm bei einer Fabrilbeschäftigung unmöglich ist, Erfahrungsmäßig
sind eine sehr große Menge unglücklicher Ehen gerade darauf zurückzuführen,
daß die Frau als Mädchen in einer Fabrik arbeitete, deshalb die Haushalts¬
führung nicht gelernt hat, dann dem Manne das Haus uicht angenehm machen
kann und ihn dadurch ins Wirtshaus treibt, Und wie viele solcher Ehen
mußte» geschlossen werden, weil Mann und Frau bei ihrer gleichzeitigen Be¬
schäftigung in einer Fabrik nähere Beziehungen anknüpften, als gut war! Muß
infolge der Beseitigung der Frauenarbeit in den Fabriken eine Steigerung der
Löhne eintreten, so hat dies nichts zu sagen, und ich hätte auch aus den aus¬
geführten Sätzen nichts dagegen einzuwenden, wenn die mir auf die billige
Arbeit von Frauen und Mädchen gegründeten Fabriken ans Mangel an diesen
Arbeitskräften eingingen. Neben der Thätigkeit im Haushalte bleibt den Frauen
und aus der Schule entlassenen Töchtern der Arbeiterfamilien noch genug Be¬
schäftigung, mit denen sie Geld verdienen können, .Kann man aber der weib¬
lichen Arbeiterbevölkerung die Arbeit in den Fabriken nicht ganz verbieten, und
das möchte ans praktischen Gründen fürs erste noch der Fall sein, dann
untersage man ihnen wenigstens die Sonntagsarbeit, damit sie doch einen Tag
für ihren Haushalt haben. Dazu gehört dann freilich noch weiter, daß sie auch
Sonnabends zeitig, etwa um vier oder fünf Uhr nachmittags, entlassen werden
müssen, damit sie ihr Hauswesen i» sonntäglichen Stand setzen können, weil
ohne dies der Sonntag nur Flink- und Scheuertag wird. Endlich muß der
Staat und müssen die Gemeinden mit einem guten Beispiele bezüglich der Be¬
schäftigung ihrer Beamten vorausgehen; denn das wirkt mehr als alle gesetz¬
lichen Bestimmungen.

Der dritte und schwerste Einwand gegen die Einführung der Sonntagsruhe
ist der, daß die Leute nicht wüßten, was sie mit dem Sonntage anfangen
sollten, und daß es daher besser sei, sie arbeiteten, als sie ergäben sich dem
Trunke und Müßiggang; dieser Einwand ist erst noch kürzlich von einem unsrer
beliebten Schriftsteller unter der Forderung: „Gebt dem Sonntag eine Seele"
ausgeführt worden, wobei so recht die geistige Ode, welche in vielen Arbeiter-


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[0118] Die Sonnwgscirbeit. hindern wollen; anders liegt es freilich mit einer solchen in die Öffentlichkeit tretenden Arbeit bezüglich der übrigen Stunden des Sonntags, Die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter muß deu gauzeu Sountcig von zwölf Uhr nachts bis zwölf Uhr nachts verboten werden. Von manchen Seiten wird nun auch das Verbot der Frauenarbeit an Sonntagen verlangt; ich hätte auch hiergegen nichts einzuwenden, wie ich überhaupt kein Freund der Beschäftigung von Frauen oder Mädchen in Fabriken bin, nicht gerade aus deu von der Sozial- demokratie vorgebrachten Gründen, daß dadurch die Löhne herabgedrückt würden, sonder» weil eine Frau besseres zu thun hat, als in einer Fabrik zu arbeiten, nämlich ihrem Haushalte vorzustehen und ihre Kinder zu erziehen, und weil ein Mädchen das Hauswesen erlernen soll, um einem solchen später vorstehen zu können, was ihm bei einer Fabrilbeschäftigung unmöglich ist, Erfahrungsmäßig sind eine sehr große Menge unglücklicher Ehen gerade darauf zurückzuführen, daß die Frau als Mädchen in einer Fabrik arbeitete, deshalb die Haushalts¬ führung nicht gelernt hat, dann dem Manne das Haus uicht angenehm machen kann und ihn dadurch ins Wirtshaus treibt, Und wie viele solcher Ehen mußte» geschlossen werden, weil Mann und Frau bei ihrer gleichzeitigen Be¬ schäftigung in einer Fabrik nähere Beziehungen anknüpften, als gut war! Muß infolge der Beseitigung der Frauenarbeit in den Fabriken eine Steigerung der Löhne eintreten, so hat dies nichts zu sagen, und ich hätte auch aus den aus¬ geführten Sätzen nichts dagegen einzuwenden, wenn die mir auf die billige Arbeit von Frauen und Mädchen gegründeten Fabriken ans Mangel an diesen Arbeitskräften eingingen. Neben der Thätigkeit im Haushalte bleibt den Frauen und aus der Schule entlassenen Töchtern der Arbeiterfamilien noch genug Be¬ schäftigung, mit denen sie Geld verdienen können, .Kann man aber der weib¬ lichen Arbeiterbevölkerung die Arbeit in den Fabriken nicht ganz verbieten, und das möchte ans praktischen Gründen fürs erste noch der Fall sein, dann untersage man ihnen wenigstens die Sonntagsarbeit, damit sie doch einen Tag für ihren Haushalt haben. Dazu gehört dann freilich noch weiter, daß sie auch Sonnabends zeitig, etwa um vier oder fünf Uhr nachmittags, entlassen werden müssen, damit sie ihr Hauswesen i» sonntäglichen Stand setzen können, weil ohne dies der Sonntag nur Flink- und Scheuertag wird. Endlich muß der Staat und müssen die Gemeinden mit einem guten Beispiele bezüglich der Be¬ schäftigung ihrer Beamten vorausgehen; denn das wirkt mehr als alle gesetz¬ lichen Bestimmungen. Der dritte und schwerste Einwand gegen die Einführung der Sonntagsruhe ist der, daß die Leute nicht wüßten, was sie mit dem Sonntage anfangen sollten, und daß es daher besser sei, sie arbeiteten, als sie ergäben sich dem Trunke und Müßiggang; dieser Einwand ist erst noch kürzlich von einem unsrer beliebten Schriftsteller unter der Forderung: „Gebt dem Sonntag eine Seele" ausgeführt worden, wobei so recht die geistige Ode, welche in vielen Arbeiter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/118>, abgerufen am 02.07.2024.