Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Zum Sprachenkampfe in Osterreich,
Ld. R.-Seide. von

s ist ans deutsch-österreichischer Seite heute beinahe zum Glaubens¬
satz geworden, in dem achtjährigen Regime des Grafen Taaffe
gewissermaßen den Quell all des politischen Übels und Unheils,
von dem Österreich gegenwärtig heimgesucht wird, insbesondre
also der nationalen Verbitterung, die einer Steigerung kaum mehr
fähig ist, zu erblicken und die Taaffesche "Versöhuuugspvlitik" für die das
Reich mehr und mehr zerrüttende staatsrechtlich-politische Krise ausschließlich
verantwortlich zu machen. Wir können dieser Ansicht auf die Gefahr hin, unter
die " Auchdeutschen" geworfen zu werden, nicht ganz und ohne weiteres bei¬
pflichten. Der Grund zu dem jetzigen österreichischen Babel wurde schon im
Jahre 1868 durch den Dualismus gelegt, der aus dem Grvßstaate Osterreich
einen "Bund zweier Mittelstaaten" schuf und das altehrwürdige Reich in
Trümmer schlug; ob in zwei oder fünf oder zehn und mehr, wie die Föderalisten
wollen, bleibt sich gleich, zertrümmert war es um einmal, und in diesem Sinne
hatte Grillparzer 1868 Recht zu sagen:


Ihr österreichischen Herren und Geschöpfe,
Österreichs Adler hat wieder zwei Köpfe,
Mir wäre lieber, er hätte nur einen,
Wenn's weiter so geht, hat er bald keinen.

und an einer andern Stelle (mutxckis wutÄiMZ):


Einen Selbstmord hab ich euch anzusagen:
Der König von Ungarn hat den Kaiser von Österreich erschlagen.

Man hatte damals, wie so oft in Österreich, das alte kriruziM" obstA außer
Acht gelassen und -- den heutigen nationalen, speziell tschechischen Ansprüchen


Krenzboten II. 188ö. 13


Zum Sprachenkampfe in Osterreich,
Ld. R.-Seide. von

s ist ans deutsch-österreichischer Seite heute beinahe zum Glaubens¬
satz geworden, in dem achtjährigen Regime des Grafen Taaffe
gewissermaßen den Quell all des politischen Übels und Unheils,
von dem Österreich gegenwärtig heimgesucht wird, insbesondre
also der nationalen Verbitterung, die einer Steigerung kaum mehr
fähig ist, zu erblicken und die Taaffesche „Versöhuuugspvlitik" für die das
Reich mehr und mehr zerrüttende staatsrechtlich-politische Krise ausschließlich
verantwortlich zu machen. Wir können dieser Ansicht auf die Gefahr hin, unter
die „ Auchdeutschen" geworfen zu werden, nicht ganz und ohne weiteres bei¬
pflichten. Der Grund zu dem jetzigen österreichischen Babel wurde schon im
Jahre 1868 durch den Dualismus gelegt, der aus dem Grvßstaate Osterreich
einen „Bund zweier Mittelstaaten" schuf und das altehrwürdige Reich in
Trümmer schlug; ob in zwei oder fünf oder zehn und mehr, wie die Föderalisten
wollen, bleibt sich gleich, zertrümmert war es um einmal, und in diesem Sinne
hatte Grillparzer 1868 Recht zu sagen:


Ihr österreichischen Herren und Geschöpfe,
Österreichs Adler hat wieder zwei Köpfe,
Mir wäre lieber, er hätte nur einen,
Wenn's weiter so geht, hat er bald keinen.

und an einer andern Stelle (mutxckis wutÄiMZ):


Einen Selbstmord hab ich euch anzusagen:
Der König von Ungarn hat den Kaiser von Österreich erschlagen.

Man hatte damals, wie so oft in Österreich, das alte kriruziM« obstA außer
Acht gelassen und — den heutigen nationalen, speziell tschechischen Ansprüchen


Krenzboten II. 188ö. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198171"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341843_198065/figures/grenzboten_341843_198065_198171_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zum Sprachenkampfe in Osterreich,<lb/><note type="byline"> Ld. R.-Seide.</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_301"> s ist ans deutsch-österreichischer Seite heute beinahe zum Glaubens¬<lb/>
satz geworden, in dem achtjährigen Regime des Grafen Taaffe<lb/>
gewissermaßen den Quell all des politischen Übels und Unheils,<lb/>
von dem Österreich gegenwärtig heimgesucht wird, insbesondre<lb/>
also der nationalen Verbitterung, die einer Steigerung kaum mehr<lb/>
fähig ist, zu erblicken und die Taaffesche &#x201E;Versöhuuugspvlitik" für die das<lb/>
Reich mehr und mehr zerrüttende staatsrechtlich-politische Krise ausschließlich<lb/>
verantwortlich zu machen. Wir können dieser Ansicht auf die Gefahr hin, unter<lb/>
die &#x201E; Auchdeutschen" geworfen zu werden, nicht ganz und ohne weiteres bei¬<lb/>
pflichten. Der Grund zu dem jetzigen österreichischen Babel wurde schon im<lb/>
Jahre 1868 durch den Dualismus gelegt, der aus dem Grvßstaate Osterreich<lb/>
einen &#x201E;Bund zweier Mittelstaaten" schuf und das altehrwürdige Reich in<lb/>
Trümmer schlug; ob in zwei oder fünf oder zehn und mehr, wie die Föderalisten<lb/>
wollen, bleibt sich gleich, zertrümmert war es um einmal, und in diesem Sinne<lb/>
hatte Grillparzer 1868 Recht zu sagen:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_1" type="poem">
              <l> Ihr österreichischen Herren und Geschöpfe,<lb/>
Österreichs Adler hat wieder zwei Köpfe,<lb/>
Mir wäre lieber, er hätte nur einen,<lb/>
Wenn's weiter so geht, hat er bald keinen.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_302"> und an einer andern Stelle (mutxckis wutÄiMZ):</p><lb/>
          <quote> Einen Selbstmord hab ich euch anzusagen:<lb/>
Der König von Ungarn hat den Kaiser von Österreich erschlagen.</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_303" next="#ID_304"> Man hatte damals, wie so oft in Österreich, das alte kriruziM« obstA außer<lb/>
Acht gelassen und &#x2014; den heutigen nationalen, speziell tschechischen Ansprüchen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Krenzboten II. 188ö. 13</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0105] [Abbildung] Zum Sprachenkampfe in Osterreich, Ld. R.-Seide. von s ist ans deutsch-österreichischer Seite heute beinahe zum Glaubens¬ satz geworden, in dem achtjährigen Regime des Grafen Taaffe gewissermaßen den Quell all des politischen Übels und Unheils, von dem Österreich gegenwärtig heimgesucht wird, insbesondre also der nationalen Verbitterung, die einer Steigerung kaum mehr fähig ist, zu erblicken und die Taaffesche „Versöhuuugspvlitik" für die das Reich mehr und mehr zerrüttende staatsrechtlich-politische Krise ausschließlich verantwortlich zu machen. Wir können dieser Ansicht auf die Gefahr hin, unter die „ Auchdeutschen" geworfen zu werden, nicht ganz und ohne weiteres bei¬ pflichten. Der Grund zu dem jetzigen österreichischen Babel wurde schon im Jahre 1868 durch den Dualismus gelegt, der aus dem Grvßstaate Osterreich einen „Bund zweier Mittelstaaten" schuf und das altehrwürdige Reich in Trümmer schlug; ob in zwei oder fünf oder zehn und mehr, wie die Föderalisten wollen, bleibt sich gleich, zertrümmert war es um einmal, und in diesem Sinne hatte Grillparzer 1868 Recht zu sagen: Ihr österreichischen Herren und Geschöpfe, Österreichs Adler hat wieder zwei Köpfe, Mir wäre lieber, er hätte nur einen, Wenn's weiter so geht, hat er bald keinen. und an einer andern Stelle (mutxckis wutÄiMZ): Einen Selbstmord hab ich euch anzusagen: Der König von Ungarn hat den Kaiser von Österreich erschlagen. Man hatte damals, wie so oft in Österreich, das alte kriruziM« obstA außer Acht gelassen und — den heutigen nationalen, speziell tschechischen Ansprüchen Krenzboten II. 188ö. 13

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/105
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/105>, abgerufen am 30.06.2024.