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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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^omvens.

vielleicht durch den Undank gekränkt, mit welchem den alten Kämpfer" für die
Krone begegnet wird,

Barreto machte eine leicht abwehrende Bewegung, Ich denke nicht daran,
Luis! Der wäre ein Narr, der forderte, daß ein nachlebendes Geschlecht sich an
Thaten und Leiden seiner Vorgänger erinnern sollte; auch hat mir Gott
gegönnt, daß ich ohne Not und in völliger Ruhe meinem letzten Tage entgegen
lebe! Was mich bekümmert, ist nicht mein Schicksal, sondern das meines Volkes!
Ich bin an Bord eines Schiffes, das rasende trunkne Steuerleute Mische"
Klippen und auf die Klippen lenken. Denkt Ihr anders darüber, so laßt uns
von andern Dingen sprechen, ich habe mich gewöhnt zu schweigen und meinte
es nur unsrer alten Freundschaft schuldig zu sein, Euch nichts zu verhehlen.

Der Dichter neigte sich nachdenklich auf den Hals seines Tieres und wich
dem prüfenden Blicke Barretos aus, Ihr sprecht in Rätseln für mich, Manuel --
Ihr müßt mir die Lösung selbst geben. Ich kehre aus Indien heim und habe
mich noch kaum zurecht gefunden, ich spüre nnr, daß eine andre Luft durch
Portugal weht als vor einem Vierteljahrhundert. Ich meine, daß König Se¬
bastian die ruhmreichen Vorfahren überstrahlen will, und hoffe, daß Gott ihm
sein Heldentum gönnen wird. Dabei aber merke ich und nie mehr als heute
an Euch, daß viele an der Kraft und der glücklichen Hand des Königs zweifeln,
und ich fürchte, Ihr gehört auch zu ihnen.

Ihr habt Recht, bei Gott, ich zweifle an allem, was ihn seine Leiter be¬
ginnen lassen, und mißtraue allem, was ihm seine Ratgeber ins Ohr flüstern.
Aus dem Portugal unsrer Jugend ist ein Land geworden, das reif ist zum
Falle! Mit nagender Sorge sehe ich, daß sie den König in einem ruhmrediger
Kreuzritter verwandeln, der auf nie erhörte Abenteuer sinnt. Die Pläne, die
der trotzige Knabe zu hegen vermeint, sind im Escurial geschmiedet -- die Väter
der Gesellschaft Jesu verstehen sich auf jede Kunst und wissen auch Briefe zu
tragen, die ungeschrieben bleiben. Ihr werdet den König sehen, vielleicht hören,
dann sagt mir, ob ich ihm zu viel thue und ob meine Sorge eine eitle ist.

Senhor Manuel -- Ihr, der Krieger von Ormus und Pantschim! -- zweifelt
daran, daß die Portugiesen neue Siege zu den alten fügen werden?

Warum sollte die Zahl unsrer unfruchtbaren Siege nicht vermehrt werden?
fragte Barreto ruhig dagegen. Wir bedürfen ihrer nicht und huben jedes Um
glück zu fürchten! Portugal ist verarmt, wir können Herren des Meeres und
der Küsten, aber nicht Herren der Erde sein. Unser Volk ist tapfer, doch nicht
zahlreich, und die Eroberungen in Afrika und Indien haben das Land stark ent¬
völkert! Wir leben nicht auf einer seligen Insel, weit draußen in der Atlantis,
sondern haben den Koloß der spanischen Weltmacht drohend uns zu Häupten.
Ihr tragt ja jeden Tag unsrer Geschichte und jedes Schicksal unsers Volkes in
der Seele, wie ein Vater die Erlebnisse und Geschicke seines Kindes, meint Ihr,
daß wir von Madrid her je gutes zu erwarten haben? Setzt den Fall, daß


^omvens.

vielleicht durch den Undank gekränkt, mit welchem den alten Kämpfer» für die
Krone begegnet wird,

Barreto machte eine leicht abwehrende Bewegung, Ich denke nicht daran,
Luis! Der wäre ein Narr, der forderte, daß ein nachlebendes Geschlecht sich an
Thaten und Leiden seiner Vorgänger erinnern sollte; auch hat mir Gott
gegönnt, daß ich ohne Not und in völliger Ruhe meinem letzten Tage entgegen
lebe! Was mich bekümmert, ist nicht mein Schicksal, sondern das meines Volkes!
Ich bin an Bord eines Schiffes, das rasende trunkne Steuerleute Mische«
Klippen und auf die Klippen lenken. Denkt Ihr anders darüber, so laßt uns
von andern Dingen sprechen, ich habe mich gewöhnt zu schweigen und meinte
es nur unsrer alten Freundschaft schuldig zu sein, Euch nichts zu verhehlen.

Der Dichter neigte sich nachdenklich auf den Hals seines Tieres und wich
dem prüfenden Blicke Barretos aus, Ihr sprecht in Rätseln für mich, Manuel —
Ihr müßt mir die Lösung selbst geben. Ich kehre aus Indien heim und habe
mich noch kaum zurecht gefunden, ich spüre nnr, daß eine andre Luft durch
Portugal weht als vor einem Vierteljahrhundert. Ich meine, daß König Se¬
bastian die ruhmreichen Vorfahren überstrahlen will, und hoffe, daß Gott ihm
sein Heldentum gönnen wird. Dabei aber merke ich und nie mehr als heute
an Euch, daß viele an der Kraft und der glücklichen Hand des Königs zweifeln,
und ich fürchte, Ihr gehört auch zu ihnen.

Ihr habt Recht, bei Gott, ich zweifle an allem, was ihn seine Leiter be¬
ginnen lassen, und mißtraue allem, was ihm seine Ratgeber ins Ohr flüstern.
Aus dem Portugal unsrer Jugend ist ein Land geworden, das reif ist zum
Falle! Mit nagender Sorge sehe ich, daß sie den König in einem ruhmrediger
Kreuzritter verwandeln, der auf nie erhörte Abenteuer sinnt. Die Pläne, die
der trotzige Knabe zu hegen vermeint, sind im Escurial geschmiedet — die Väter
der Gesellschaft Jesu verstehen sich auf jede Kunst und wissen auch Briefe zu
tragen, die ungeschrieben bleiben. Ihr werdet den König sehen, vielleicht hören,
dann sagt mir, ob ich ihm zu viel thue und ob meine Sorge eine eitle ist.

Senhor Manuel — Ihr, der Krieger von Ormus und Pantschim! — zweifelt
daran, daß die Portugiesen neue Siege zu den alten fügen werden?

Warum sollte die Zahl unsrer unfruchtbaren Siege nicht vermehrt werden?
fragte Barreto ruhig dagegen. Wir bedürfen ihrer nicht und huben jedes Um
glück zu fürchten! Portugal ist verarmt, wir können Herren des Meeres und
der Küsten, aber nicht Herren der Erde sein. Unser Volk ist tapfer, doch nicht
zahlreich, und die Eroberungen in Afrika und Indien haben das Land stark ent¬
völkert! Wir leben nicht auf einer seligen Insel, weit draußen in der Atlantis,
sondern haben den Koloß der spanischen Weltmacht drohend uns zu Häupten.
Ihr tragt ja jeden Tag unsrer Geschichte und jedes Schicksal unsers Volkes in
der Seele, wie ein Vater die Erlebnisse und Geschicke seines Kindes, meint Ihr,
daß wir von Madrid her je gutes zu erwarten haben? Setzt den Fall, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/96>, abgerufen am 05.02.2025.