Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Lamoöns. unsrer Sprache nur wenige Worte weiß! Sie sagt kaum mehr, als: Verbergt Und nun meinst du, wir sollen mit hinauf? fragte der Ritter, während Ich heiße Jvcma, gnädiger Herr, und weide meine Ziegen für die hoch¬ Wohlan denn! rief Manuel Barretv. Wir wollen versuchen, wie weit wir Camoens folgte bereitwillig den Schritten des Freundes, der fester und Es war eine weite Fläche, ringsum wieder von höhern Felsen umschlossen, Lamoöns. unsrer Sprache nur wenige Worte weiß! Sie sagt kaum mehr, als: Verbergt Und nun meinst du, wir sollen mit hinauf? fragte der Ritter, während Ich heiße Jvcma, gnädiger Herr, und weide meine Ziegen für die hoch¬ Wohlan denn! rief Manuel Barretv. Wir wollen versuchen, wie weit wir Camoens folgte bereitwillig den Schritten des Freundes, der fester und Es war eine weite Fläche, ringsum wieder von höhern Felsen umschlossen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197514"/> <fw type="header" place="top"> Lamoöns.</fw><lb/> <p xml:id="ID_256" prev="#ID_255"> unsrer Sprache nur wenige Worte weiß! Sie sagt kaum mehr, als: Verbergt<lb/> mich! sieht abgerissen aus, aber ist kostbar gekleidet und doch nicht wie unsre<lb/> Edeldamen, Sie ist, glaube ich, eine Heidin, wenn ich das Zeichen des heiligen<lb/> Kreuzes mache, thut sie es nicht nach. Aber sie schaut mich so traurig und<lb/> schmerzvoll an, wie eine Mutter Gottes uuter dem Kreuze, Und weil ich euch<lb/> unter am Quell rasten sah, so faßte ich mir ein Herz und kam herab.</p><lb/> <p xml:id="ID_257"> Und nun meinst du, wir sollen mit hinauf? fragte der Ritter, während<lb/> Camoens voller Verwunderung schwieg. Du hast dich vielleicht von eiuer<lb/> Zigeunerin erschrecken lassen, Sanchita, oder wie du sonst heißt — am Duero<lb/> ziehen viele Banden des ägyptischen Volkes umher.</p><lb/> <p xml:id="ID_258"> Ich heiße Jvcma, gnädiger Herr, und weide meine Ziegen für die hoch¬<lb/> würdigen Schwester» von Santa Enfemia, antwortete das Mädchen. Die<lb/> Zigeuner kenne ich Wohl — die Fremde gehört nicht zu ihnen. Ich weiß mir<lb/> keinen Rat! sie schmiegt sich angstvoll in meine Hütte und will nicht hervor.<lb/> Sie war beinahe verschmachtet, ich habe sie mit Milch und Brot gelabt, ich<lb/> hatte nichts andres.</p><lb/> <p xml:id="ID_259"> Wohlan denn! rief Manuel Barretv. Wir wollen versuchen, wie weit wir<lb/> dir und deinen Ziegen nachklettern können. Mein Pferd und Euer Maultier<lb/> müssen wir inzwischen freilich der Obhut des Himmels befehlen — aber du hast<lb/> mich neugierig und mitleidig zugleich gemacht, Jvauci. Kommt, kommt Luis,<lb/> es wird unserm Abendessen in Cintrci und unserm Vorhaben für morgen nichts<lb/> schaden, wenn wir eine Stunde länger hier oben bleiben und wieder einmal<lb/> gemeinsam auf ein Abenteuer ausziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_260"> Camoens folgte bereitwillig den Schritten des Freundes, der fester und<lb/> gewandter, als seine Jahre vermuten ließen, die nassen Felsstufen in der Nähe<lb/> des Wassersturzes betrat. Die Ziegenhirtin sprang leichtfüßig voran, indem sie<lb/> immer auf die Stellen des aufwärts führenden Pfades zeigte, wo sich fester<lb/> Fuß fassen ließ. Barreto, der es ihr nach Möglichkeit nachthat, kam, mit<lb/> einigen Rissen an Hand und Gewand, der Führerin rasch nach, Camoens<lb/> klimmte langsamer empor; ein paarmal mußte Manuel ihm helfend die Hand<lb/> reichen. Mit schweren Atemzügen erreichten beide Freunde die Höhe des Felsens,<lb/> als die kleine braune Hirtin längst oben stand und mit eifriger Geberdenspmchc<lb/> den Emporklimmenden zu verstehen gab, daß ihr seltsamer Gast noch vorhanden<lb/> sei und ihr so rätselvoll wie zuvor bunte.</p><lb/> <p xml:id="ID_261" next="#ID_262"> Es war eine weite Fläche, ringsum wieder von höhern Felsen umschlossen,<lb/> welche sich vor den Augen der Ankömmlinge aufthat. Der Bach, der mit so<lb/> wildem Ungestüm in die Schlucht hinabstürzte, floß durch die Hochebene in<lb/> mannichfachen Windungen und hielt die Pflanzendecke, die hier den steinigen<lb/> Boden überspann, frisch und grün. Eine üppige Weide dehnte sich bis an die<lb/> Ränder des Plateaus aus und gestattete Jocmas Herde, sich weithin zu ver¬<lb/> breiten. An einem der großen bemoosten Felsblöcke, die auch hier zerstreut</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0090]
Lamoöns.
unsrer Sprache nur wenige Worte weiß! Sie sagt kaum mehr, als: Verbergt
mich! sieht abgerissen aus, aber ist kostbar gekleidet und doch nicht wie unsre
Edeldamen, Sie ist, glaube ich, eine Heidin, wenn ich das Zeichen des heiligen
Kreuzes mache, thut sie es nicht nach. Aber sie schaut mich so traurig und
schmerzvoll an, wie eine Mutter Gottes uuter dem Kreuze, Und weil ich euch
unter am Quell rasten sah, so faßte ich mir ein Herz und kam herab.
Und nun meinst du, wir sollen mit hinauf? fragte der Ritter, während
Camoens voller Verwunderung schwieg. Du hast dich vielleicht von eiuer
Zigeunerin erschrecken lassen, Sanchita, oder wie du sonst heißt — am Duero
ziehen viele Banden des ägyptischen Volkes umher.
Ich heiße Jvcma, gnädiger Herr, und weide meine Ziegen für die hoch¬
würdigen Schwester» von Santa Enfemia, antwortete das Mädchen. Die
Zigeuner kenne ich Wohl — die Fremde gehört nicht zu ihnen. Ich weiß mir
keinen Rat! sie schmiegt sich angstvoll in meine Hütte und will nicht hervor.
Sie war beinahe verschmachtet, ich habe sie mit Milch und Brot gelabt, ich
hatte nichts andres.
Wohlan denn! rief Manuel Barretv. Wir wollen versuchen, wie weit wir
dir und deinen Ziegen nachklettern können. Mein Pferd und Euer Maultier
müssen wir inzwischen freilich der Obhut des Himmels befehlen — aber du hast
mich neugierig und mitleidig zugleich gemacht, Jvauci. Kommt, kommt Luis,
es wird unserm Abendessen in Cintrci und unserm Vorhaben für morgen nichts
schaden, wenn wir eine Stunde länger hier oben bleiben und wieder einmal
gemeinsam auf ein Abenteuer ausziehen.
Camoens folgte bereitwillig den Schritten des Freundes, der fester und
gewandter, als seine Jahre vermuten ließen, die nassen Felsstufen in der Nähe
des Wassersturzes betrat. Die Ziegenhirtin sprang leichtfüßig voran, indem sie
immer auf die Stellen des aufwärts führenden Pfades zeigte, wo sich fester
Fuß fassen ließ. Barreto, der es ihr nach Möglichkeit nachthat, kam, mit
einigen Rissen an Hand und Gewand, der Führerin rasch nach, Camoens
klimmte langsamer empor; ein paarmal mußte Manuel ihm helfend die Hand
reichen. Mit schweren Atemzügen erreichten beide Freunde die Höhe des Felsens,
als die kleine braune Hirtin längst oben stand und mit eifriger Geberdenspmchc
den Emporklimmenden zu verstehen gab, daß ihr seltsamer Gast noch vorhanden
sei und ihr so rätselvoll wie zuvor bunte.
Es war eine weite Fläche, ringsum wieder von höhern Felsen umschlossen,
welche sich vor den Augen der Ankömmlinge aufthat. Der Bach, der mit so
wildem Ungestüm in die Schlucht hinabstürzte, floß durch die Hochebene in
mannichfachen Windungen und hielt die Pflanzendecke, die hier den steinigen
Boden überspann, frisch und grün. Eine üppige Weide dehnte sich bis an die
Ränder des Plateaus aus und gestattete Jocmas Herde, sich weithin zu ver¬
breiten. An einem der großen bemoosten Felsblöcke, die auch hier zerstreut
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