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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Die Deutschen in Newyork"
(Schluß.)

as die weiter in Newyork erscheinenden deutschen Zeitungen anlangt,
so segeln die bekannter" von ihnen, wie die "Nachrichten ans
Deutschland und der Schweiz" und das "Belletristische Journal,"
welches besonders znrZeit des Sezessionskrieges blühte, vollständig
im Fahrwasser der "Newyorkcr Staatszeitung," deren Besitzer, wie
schon erwähnt, die Mittel in der Hand hat, jede Opposition gegen seine Strömung
niederzuhalten -- zu "boyeotten," wie man drüben sagt -- und diese Mittel
gelegentlich auch mit Nutzen angewandt hat. Ferner ist eine "Handclszcitung"
zu erwähnen; die Sozialdemokraten haben ein paar Organe, die maßlos und
widerwärtig in ihrer Sprache, unpraktisch und unbelehrbar in ihren Zielen und
Mitteln, in der Mostschcn, von Blut und Schmutz triefenden "Freiheit" gipfeln;
endlich sind noch einige landsmanuschaftliche Blätter da, deren geistiges Element
lediglich der kleine Klatsch ist, und die, wo irgendeine Spur von Gesinnung zu
Tage tritt, sich würdig der "Staatsbase" anreihen, und so giebt es eigentlich
nur ein Blatt, welches nicht shstematisch die Heimat als ein Hnndeloch darstellt,
aus dem mau "verzweifelnd an Gott und Menschen," "unter den Trümmern
seiner Existenz" hervorkriechend, und wie all der unaufhörlich wiedergekaute
Bombast lautet, nach dem "Lande der Freiheit" auswandert. Dieses leider
kleine und untergeordnete Blatt erscheint in einer Morgen- und in einer Abend¬
ausgabe, welche "Ncwyorker Zeitung" und "Ncwyorker Herold" heißen (nicht
zu verwechseln mit dein ^vo VorK Uvialä), hat das redliche und erfreuliche
Bemühen, die Lust an der Heimat zu erwecken und zu erhalten, und hat Ver¬
ständnis für das, was bei uns vorgeht, wenn auch diesem Verständnis nicht
immer mit dem gleichen Geschick und der gleichen Zurückhaltung Ausdruck gegeben
wird. Die Aufgabe, aus den Deutschen in Amerika selber etwas zu machen, die
Deutschen dort zusammenzuhalten und anzustacheln, ist diesem Blatte jedoch
ebenso vollständig fremd wie allen andern. Der Zug von Gewissenhaftigkeit,
welcher dem deutschen Charakter zu Grunde liegt, wird somit niemals dazu
gelangen können, sich in der amerikanischen Politik zu bethätigen, und der
Amerikaner, welcher ganz genau weiß, daß hinter deutschen Reformern niemand,
aber auch gar niemand steht, wird für alle solche Bestrebungen nach wie vor
.nur die eine Antwort haben, daß der dumme lorvignör das Maul zu halten
habe, wie es Karl Schurz passirt ist. Das Deutschtum als solches könnte eine
Macht sein, welche bei hundert Gelegenheiten zu bieten hat und darum anch


Die Deutschen in Newyork»
(Schluß.)

as die weiter in Newyork erscheinenden deutschen Zeitungen anlangt,
so segeln die bekannter« von ihnen, wie die „Nachrichten ans
Deutschland und der Schweiz" und das „Belletristische Journal,"
welches besonders znrZeit des Sezessionskrieges blühte, vollständig
im Fahrwasser der „Newyorkcr Staatszeitung," deren Besitzer, wie
schon erwähnt, die Mittel in der Hand hat, jede Opposition gegen seine Strömung
niederzuhalten — zu „boyeotten," wie man drüben sagt — und diese Mittel
gelegentlich auch mit Nutzen angewandt hat. Ferner ist eine „Handclszcitung"
zu erwähnen; die Sozialdemokraten haben ein paar Organe, die maßlos und
widerwärtig in ihrer Sprache, unpraktisch und unbelehrbar in ihren Zielen und
Mitteln, in der Mostschcn, von Blut und Schmutz triefenden „Freiheit" gipfeln;
endlich sind noch einige landsmanuschaftliche Blätter da, deren geistiges Element
lediglich der kleine Klatsch ist, und die, wo irgendeine Spur von Gesinnung zu
Tage tritt, sich würdig der „Staatsbase" anreihen, und so giebt es eigentlich
nur ein Blatt, welches nicht shstematisch die Heimat als ein Hnndeloch darstellt,
aus dem mau „verzweifelnd an Gott und Menschen," „unter den Trümmern
seiner Existenz" hervorkriechend, und wie all der unaufhörlich wiedergekaute
Bombast lautet, nach dem „Lande der Freiheit" auswandert. Dieses leider
kleine und untergeordnete Blatt erscheint in einer Morgen- und in einer Abend¬
ausgabe, welche „Ncwyorker Zeitung" und „Ncwyorker Herold" heißen (nicht
zu verwechseln mit dein ^vo VorK Uvialä), hat das redliche und erfreuliche
Bemühen, die Lust an der Heimat zu erwecken und zu erhalten, und hat Ver¬
ständnis für das, was bei uns vorgeht, wenn auch diesem Verständnis nicht
immer mit dem gleichen Geschick und der gleichen Zurückhaltung Ausdruck gegeben
wird. Die Aufgabe, aus den Deutschen in Amerika selber etwas zu machen, die
Deutschen dort zusammenzuhalten und anzustacheln, ist diesem Blatte jedoch
ebenso vollständig fremd wie allen andern. Der Zug von Gewissenhaftigkeit,
welcher dem deutschen Charakter zu Grunde liegt, wird somit niemals dazu
gelangen können, sich in der amerikanischen Politik zu bethätigen, und der
Amerikaner, welcher ganz genau weiß, daß hinter deutschen Reformern niemand,
aber auch gar niemand steht, wird für alle solche Bestrebungen nach wie vor
.nur die eine Antwort haben, daß der dumme lorvignör das Maul zu halten
habe, wie es Karl Schurz passirt ist. Das Deutschtum als solches könnte eine
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[0598] Die Deutschen in Newyork» (Schluß.) as die weiter in Newyork erscheinenden deutschen Zeitungen anlangt, so segeln die bekannter« von ihnen, wie die „Nachrichten ans Deutschland und der Schweiz" und das „Belletristische Journal," welches besonders znrZeit des Sezessionskrieges blühte, vollständig im Fahrwasser der „Newyorkcr Staatszeitung," deren Besitzer, wie schon erwähnt, die Mittel in der Hand hat, jede Opposition gegen seine Strömung niederzuhalten — zu „boyeotten," wie man drüben sagt — und diese Mittel gelegentlich auch mit Nutzen angewandt hat. Ferner ist eine „Handclszcitung" zu erwähnen; die Sozialdemokraten haben ein paar Organe, die maßlos und widerwärtig in ihrer Sprache, unpraktisch und unbelehrbar in ihren Zielen und Mitteln, in der Mostschcn, von Blut und Schmutz triefenden „Freiheit" gipfeln; endlich sind noch einige landsmanuschaftliche Blätter da, deren geistiges Element lediglich der kleine Klatsch ist, und die, wo irgendeine Spur von Gesinnung zu Tage tritt, sich würdig der „Staatsbase" anreihen, und so giebt es eigentlich nur ein Blatt, welches nicht shstematisch die Heimat als ein Hnndeloch darstellt, aus dem mau „verzweifelnd an Gott und Menschen," „unter den Trümmern seiner Existenz" hervorkriechend, und wie all der unaufhörlich wiedergekaute Bombast lautet, nach dem „Lande der Freiheit" auswandert. Dieses leider kleine und untergeordnete Blatt erscheint in einer Morgen- und in einer Abend¬ ausgabe, welche „Ncwyorker Zeitung" und „Ncwyorker Herold" heißen (nicht zu verwechseln mit dein ^vo VorK Uvialä), hat das redliche und erfreuliche Bemühen, die Lust an der Heimat zu erwecken und zu erhalten, und hat Ver¬ ständnis für das, was bei uns vorgeht, wenn auch diesem Verständnis nicht immer mit dem gleichen Geschick und der gleichen Zurückhaltung Ausdruck gegeben wird. Die Aufgabe, aus den Deutschen in Amerika selber etwas zu machen, die Deutschen dort zusammenzuhalten und anzustacheln, ist diesem Blatte jedoch ebenso vollständig fremd wie allen andern. Der Zug von Gewissenhaftigkeit, welcher dem deutschen Charakter zu Grunde liegt, wird somit niemals dazu gelangen können, sich in der amerikanischen Politik zu bethätigen, und der Amerikaner, welcher ganz genau weiß, daß hinter deutschen Reformern niemand, aber auch gar niemand steht, wird für alle solche Bestrebungen nach wie vor .nur die eine Antwort haben, daß der dumme lorvignör das Maul zu halten habe, wie es Karl Schurz passirt ist. Das Deutschtum als solches könnte eine Macht sein, welche bei hundert Gelegenheiten zu bieten hat und darum anch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/598>, abgerufen am 05.02.2025.