Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Zur sozialen Frage. keine Arbeit und keinen Verdienst mehr haben. Der Unternehmergewinn ist Es ist auch eine ganz unrichtige Berechnung, wenn der Verfasser glaubt, Nun will der Verfasser den Arbeitern dadurch helfe", daß er sie selbst zu Noch weniger befriedigend sind die Vorschläge, mit denen die Arbeiter der Zur sozialen Frage. keine Arbeit und keinen Verdienst mehr haben. Der Unternehmergewinn ist Es ist auch eine ganz unrichtige Berechnung, wenn der Verfasser glaubt, Nun will der Verfasser den Arbeitern dadurch helfe», daß er sie selbst zu Noch weniger befriedigend sind die Vorschläge, mit denen die Arbeiter der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0596" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198020"/> <fw type="header" place="top"> Zur sozialen Frage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1765" prev="#ID_1764"> keine Arbeit und keinen Verdienst mehr haben. Der Unternehmergewinn ist<lb/> deshalb ein unentbehrlicher Faktor unsers Wirtschaftslebens. Wenn der Ver¬<lb/> fasser diesen Gewinn zu übermäßig findet, so hat er wohl nur Geschäfte vor<lb/> Augen, die ausnehmend gut gehe». Aber giebt es uicht auch Geschäfte mit<lb/> mäßigem Gewinne? Und nicht auch solche, die sich nur eben über Wasser<lb/> halten? Hat man niemals von Geschäften gehört, in welchen bei jahrelangem<lb/> Ringen der Unternehmer sein ganzes Vermögen zugesetzt hat? Wenn man nun<lb/> bei Geschäften dieser Art von einer Ausbeutung des Unternehmers durch die<lb/> Arbeiter reden wollte? Das wäre gerade so berechtigt, wie im umgekehrten<lb/> Falle von einer Ausbeutung der Arbeiter durch den Unternehmer zu reden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1766"> Es ist auch eine ganz unrichtige Berechnung, wenn der Verfasser glaubt,<lb/> durch die Verteilung dessen, was die Reichen zu viel beziehen, ließe sich eine<lb/> allgemeine Wohlhabenheit herstellen. Diese Verteilung würde sehr wenig auf¬<lb/> tragen, aus dem einfachen Grunde, weil der Reichen zu wenig und der Besitz¬<lb/> losen zu viel sind. Ebenso unrichtig ist die Berechnung des Verfassers, daß<lb/> die Kraft unsrer Maschinen, welche mehrere hundert Millionen Menschenkräfte<lb/> betrage und welche daher ebenso viele hundert Millionen für uns arbeitender<lb/> Sklaven darstelle, eigentlich dahin führen müsse, daß die lebendigen Menschen<lb/> nur ganz wenig noch zu arbeiten brauchten. Er vergißt dabei, daß die Maschine<lb/> zwar Menschenkraft, aber keinen Menschenverstand hat, und daß dieser letztere<lb/> stets durch die Arbeit lebendiger Menschen ergänzt werden muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1767"> Nun will der Verfasser den Arbeitern dadurch helfe», daß er sie selbst zu<lb/> Unternehmern macht, indem sie sich zu Produktivgenossenschaften vereinigen und<lb/> so zugleich den Unternehmergewinn ziehen sollen. Recht schön. Wenn es nur<lb/> anginge! Man hat es ja schon öfter versucht, und es ist nicht gegangen; aus<lb/> sehr natürlichen Gründen. An diesen Gründen kann auch die staatliche Erziehung,<lb/> welche der Verfasser den Arbeitern angedeihen lassen will, nichts ändern. Selbst<lb/> wenn sich unter den Arbeitern Persönlichkeiten fanden, die zur Leitung eines<lb/> Unternehmens fähig wären und die auch das für eine solche Leitung unent¬<lb/> behrliche allseitige Vertrauen genössen, so liegen doch noch andre kaum überwind-<lb/> liche Schwierigkeiten vor. Bei einer Geldgenossenschaft (Aktiengesellschaft) ist<lb/> mit dem eingezahlten Aktienkapital der Anteil eines jeden Teilhabers am Gewinne<lb/> endgiltig festgestellt. Wie anders aber, wenn der Einschuß der Beteiligten in<lb/> fortwährend zu leistender Arbeit bestehen soll, die der unsichersten Wertschätzung<lb/> unterliegt? Die Arbeiter müßten nicht Menschen sein, wenn daraus nicht die<lb/> unsäglichsten Streitigkeiten erwüchsen. Vereinzelt kann eine solche Produktiv¬<lb/> genossenschaft vielleicht glücken. Als allgemeine Einrichtung halten wir sie für<lb/> unmöglich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1768" next="#ID_1769"> Noch weniger befriedigend sind die Vorschläge, mit denen die Arbeiter der<lb/> „Ausbeutung" durch die Bodenrenke entzogen werden sollen. Zunächst scheint<lb/> der Verfasser doch zu verkennen, daß der Wert unsers Grundbesitzes nicht aus</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0596]
Zur sozialen Frage.
keine Arbeit und keinen Verdienst mehr haben. Der Unternehmergewinn ist
deshalb ein unentbehrlicher Faktor unsers Wirtschaftslebens. Wenn der Ver¬
fasser diesen Gewinn zu übermäßig findet, so hat er wohl nur Geschäfte vor
Augen, die ausnehmend gut gehe». Aber giebt es uicht auch Geschäfte mit
mäßigem Gewinne? Und nicht auch solche, die sich nur eben über Wasser
halten? Hat man niemals von Geschäften gehört, in welchen bei jahrelangem
Ringen der Unternehmer sein ganzes Vermögen zugesetzt hat? Wenn man nun
bei Geschäften dieser Art von einer Ausbeutung des Unternehmers durch die
Arbeiter reden wollte? Das wäre gerade so berechtigt, wie im umgekehrten
Falle von einer Ausbeutung der Arbeiter durch den Unternehmer zu reden.
Es ist auch eine ganz unrichtige Berechnung, wenn der Verfasser glaubt,
durch die Verteilung dessen, was die Reichen zu viel beziehen, ließe sich eine
allgemeine Wohlhabenheit herstellen. Diese Verteilung würde sehr wenig auf¬
tragen, aus dem einfachen Grunde, weil der Reichen zu wenig und der Besitz¬
losen zu viel sind. Ebenso unrichtig ist die Berechnung des Verfassers, daß
die Kraft unsrer Maschinen, welche mehrere hundert Millionen Menschenkräfte
betrage und welche daher ebenso viele hundert Millionen für uns arbeitender
Sklaven darstelle, eigentlich dahin führen müsse, daß die lebendigen Menschen
nur ganz wenig noch zu arbeiten brauchten. Er vergißt dabei, daß die Maschine
zwar Menschenkraft, aber keinen Menschenverstand hat, und daß dieser letztere
stets durch die Arbeit lebendiger Menschen ergänzt werden muß.
Nun will der Verfasser den Arbeitern dadurch helfe», daß er sie selbst zu
Unternehmern macht, indem sie sich zu Produktivgenossenschaften vereinigen und
so zugleich den Unternehmergewinn ziehen sollen. Recht schön. Wenn es nur
anginge! Man hat es ja schon öfter versucht, und es ist nicht gegangen; aus
sehr natürlichen Gründen. An diesen Gründen kann auch die staatliche Erziehung,
welche der Verfasser den Arbeitern angedeihen lassen will, nichts ändern. Selbst
wenn sich unter den Arbeitern Persönlichkeiten fanden, die zur Leitung eines
Unternehmens fähig wären und die auch das für eine solche Leitung unent¬
behrliche allseitige Vertrauen genössen, so liegen doch noch andre kaum überwind-
liche Schwierigkeiten vor. Bei einer Geldgenossenschaft (Aktiengesellschaft) ist
mit dem eingezahlten Aktienkapital der Anteil eines jeden Teilhabers am Gewinne
endgiltig festgestellt. Wie anders aber, wenn der Einschuß der Beteiligten in
fortwährend zu leistender Arbeit bestehen soll, die der unsichersten Wertschätzung
unterliegt? Die Arbeiter müßten nicht Menschen sein, wenn daraus nicht die
unsäglichsten Streitigkeiten erwüchsen. Vereinzelt kann eine solche Produktiv¬
genossenschaft vielleicht glücken. Als allgemeine Einrichtung halten wir sie für
unmöglich.
Noch weniger befriedigend sind die Vorschläge, mit denen die Arbeiter der
„Ausbeutung" durch die Bodenrenke entzogen werden sollen. Zunächst scheint
der Verfasser doch zu verkennen, daß der Wert unsers Grundbesitzes nicht aus
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