Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Das Bleibende im kirchenxolitischeu Kampfe, Sodcinn ist der Z 1 in dem Gesetze vom 12. Mai 1873: "Die kirchliche Das ist das Wesentliche. Den Urhebern der alten Maigesetze muß sonderbar Grenzboten I. 1886. 70
Das Bleibende im kirchenxolitischeu Kampfe, Sodcinn ist der Z 1 in dem Gesetze vom 12. Mai 1873: „Die kirchliche Das ist das Wesentliche. Den Urhebern der alten Maigesetze muß sonderbar Grenzboten I. 1886. 70
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0561" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197985"/> <fw type="header" place="top"> Das Bleibende im kirchenxolitischeu Kampfe,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1655"> Sodcinn ist der Z 1 in dem Gesetze vom 12. Mai 1873: „Die kirchliche<lb/> Disziplinargewalt über Kirchendiener darf nur von deutschen kirchlichen Behörden<lb/> ausgeübt werden" aufzuheben vorgeschlagen. Unjuristisches Verständnis hat nämlich<lb/> geglaubt, damit sei dem Papste und auswärtigen Kardinälen die Disziplinar¬<lb/> gewalt selbst abgesprochen. Gott bewahre! sie dürfen sie nur nicht ausüben, oder<lb/> vielmehr sie dürfen sie ausüben, nur sind sie für ein kontradiktorisches Verfahren,<lb/> z. B. vor dem kirchlichen Gerichtshofe oder dem Kammergericht, nicht erreichbar.<lb/> Sodann wird ein Bcrufnngsschntz für „Kirchendiener" vom Staate uicht für unter¬<lb/> geordnete Leute, wie Küster, in Aussicht genommen. Auch bei deu andern Heim¬<lb/> suchungen der Geistlichen durch ihre Obern will man sich künftig nur in die<lb/> Fälle mischen, wo es sich um vermögensrechtliche Nachteile handelt. Man will<lb/> also die Abhängigkeit der untern Geistlichen doch nicht zu einer unbedingten<lb/> werden lassen. Sodann wird der kirchliche Gerichtshof definitiv aufgehoben. Er<lb/> hatte auch, wie man weiß, zuletzt fast nichts mehr von dem zu erledigen, was<lb/> ihm anfänglich zugedacht war. In der That mußte man ihm viel mehr Gebiete<lb/> zuweisen, oder ihn aufheben. Ein Teil seiner Befugnisse soll ans die Staats¬<lb/> verwaltung übergehen, nämlich die ihm zugedachte Aufsicht über die disziplinarische<lb/> Gewalt der Kirche. Wo es sich aber um Einschreiten des Staates gegen Geist¬<lb/> liche handelt, da will man allerdings ein Gericht beauftragen, aber nicht ein<lb/> spezielles Gericht, sondern das Kammergericht als das höchste Landcsgericht in<lb/> Strafsachen. Aber auch dieses soll nur ans Antrag des Oberpräsidenten in<lb/> Thätigkeit treten. Die Berufung an den Staat (gegen adusulz) wird allerseits<lb/> beschränkt. Sie tritt nur bei geistlichen Entscheidungen ein, die sich ans<lb/> solche Absetzungen beziehen, mit denen der Verlust oder eine Minderung des<lb/> Amtseinkommens verbunden ist, und der Staat erlaubt sich dabei leine Korrektur<lb/> des geistlichen Urteils, sondern beschränkt sich ans das bürgerliche Rechtsgebiet.<lb/> Eine Berufung an den Staat im öffentlichen Interesse findet nicht mehr statt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1656" next="#ID_1657"> Das ist das Wesentliche. Den Urhebern der alten Maigesetze muß sonderbar<lb/> zu Mute sein, wenn sie die viermaliger Subtraktionen an ihrem Werke im Geiste<lb/> erwägen. Es werden unter ihnen solche sein, die noch jetzt meinen, man Hütte<lb/> die Paragraphen nur unbedingt anwenden sollen, die Kirche würde sich gefügt<lb/> haben. Aber man darf das doch bezweifeln. Im Zentrum der Verwaltung<lb/> fühlt man am besten den Widerstand, den der römische „Staat im Staate" leistet,<lb/> und hat wohl ein Gefühl davon, ob dieser Widerstand ab- oder zunimmt. Es<lb/> wird einer spätern Zeit möglich sein, hinzugetretcne persönliche Einflüsse, die<lb/> gewiß auch nicht immer unberechtigt waren, auf die hohen Kreise der Verwaltung<lb/> mit in Rechnung zu stellen, aber auch davou abgesehen, ist es nicht unnatürlich,<lb/> daß man bald nicht mehr so sanguinisch über die Wirkung der sämtlichen Mai¬<lb/> paragraphen dachte und sich fragte: Welche Opfer kann man um der Beschwichtigung<lb/> der Millionen einfältiger Katholiken willen bringen, ohne Schaden zu stiften?<lb/> Wir möchten nicht einmal zugeben, daß es besser gewesen wäre, die staatskirch-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1886. 70</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0561]
Das Bleibende im kirchenxolitischeu Kampfe,
Sodcinn ist der Z 1 in dem Gesetze vom 12. Mai 1873: „Die kirchliche
Disziplinargewalt über Kirchendiener darf nur von deutschen kirchlichen Behörden
ausgeübt werden" aufzuheben vorgeschlagen. Unjuristisches Verständnis hat nämlich
geglaubt, damit sei dem Papste und auswärtigen Kardinälen die Disziplinar¬
gewalt selbst abgesprochen. Gott bewahre! sie dürfen sie nur nicht ausüben, oder
vielmehr sie dürfen sie ausüben, nur sind sie für ein kontradiktorisches Verfahren,
z. B. vor dem kirchlichen Gerichtshofe oder dem Kammergericht, nicht erreichbar.
Sodann wird ein Bcrufnngsschntz für „Kirchendiener" vom Staate uicht für unter¬
geordnete Leute, wie Küster, in Aussicht genommen. Auch bei deu andern Heim¬
suchungen der Geistlichen durch ihre Obern will man sich künftig nur in die
Fälle mischen, wo es sich um vermögensrechtliche Nachteile handelt. Man will
also die Abhängigkeit der untern Geistlichen doch nicht zu einer unbedingten
werden lassen. Sodann wird der kirchliche Gerichtshof definitiv aufgehoben. Er
hatte auch, wie man weiß, zuletzt fast nichts mehr von dem zu erledigen, was
ihm anfänglich zugedacht war. In der That mußte man ihm viel mehr Gebiete
zuweisen, oder ihn aufheben. Ein Teil seiner Befugnisse soll ans die Staats¬
verwaltung übergehen, nämlich die ihm zugedachte Aufsicht über die disziplinarische
Gewalt der Kirche. Wo es sich aber um Einschreiten des Staates gegen Geist¬
liche handelt, da will man allerdings ein Gericht beauftragen, aber nicht ein
spezielles Gericht, sondern das Kammergericht als das höchste Landcsgericht in
Strafsachen. Aber auch dieses soll nur ans Antrag des Oberpräsidenten in
Thätigkeit treten. Die Berufung an den Staat (gegen adusulz) wird allerseits
beschränkt. Sie tritt nur bei geistlichen Entscheidungen ein, die sich ans
solche Absetzungen beziehen, mit denen der Verlust oder eine Minderung des
Amtseinkommens verbunden ist, und der Staat erlaubt sich dabei leine Korrektur
des geistlichen Urteils, sondern beschränkt sich ans das bürgerliche Rechtsgebiet.
Eine Berufung an den Staat im öffentlichen Interesse findet nicht mehr statt.
Das ist das Wesentliche. Den Urhebern der alten Maigesetze muß sonderbar
zu Mute sein, wenn sie die viermaliger Subtraktionen an ihrem Werke im Geiste
erwägen. Es werden unter ihnen solche sein, die noch jetzt meinen, man Hütte
die Paragraphen nur unbedingt anwenden sollen, die Kirche würde sich gefügt
haben. Aber man darf das doch bezweifeln. Im Zentrum der Verwaltung
fühlt man am besten den Widerstand, den der römische „Staat im Staate" leistet,
und hat wohl ein Gefühl davon, ob dieser Widerstand ab- oder zunimmt. Es
wird einer spätern Zeit möglich sein, hinzugetretcne persönliche Einflüsse, die
gewiß auch nicht immer unberechtigt waren, auf die hohen Kreise der Verwaltung
mit in Rechnung zu stellen, aber auch davou abgesehen, ist es nicht unnatürlich,
daß man bald nicht mehr so sanguinisch über die Wirkung der sämtlichen Mai¬
paragraphen dachte und sich fragte: Welche Opfer kann man um der Beschwichtigung
der Millionen einfältiger Katholiken willen bringen, ohne Schaden zu stiften?
Wir möchten nicht einmal zugeben, daß es besser gewesen wäre, die staatskirch-
Grenzboten I. 1886. 70
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |