Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.losen Schwiegersohn kann er nicht brauchen, und der arme Dichter muß sich Wir können Schwarzkopfs Buch nicht noch weiter plündern; das Bisherige Moritz Necker. Das Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe. u den schwierigsten Fragen unsrer Zeit gehört, in Deutschland we¬ losen Schwiegersohn kann er nicht brauchen, und der arme Dichter muß sich Wir können Schwarzkopfs Buch nicht noch weiter plündern; das Bisherige Moritz Necker. Das Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe. u den schwierigsten Fragen unsrer Zeit gehört, in Deutschland we¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0556" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197980"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1641" prev="#ID_1640"> losen Schwiegersohn kann er nicht brauchen, und der arme Dichter muß sich<lb/> entschließen, in das prosaische Geschäft einzutreten. „Heiland Meier hatte<lb/> sich auffallend rasch und mit großem Geschick in seine neue Thätigkeit ein-<lb/> gefunden. Der unvermittelte kühne Übergang zu einer andern Branche hatte<lb/> seiner Gesundheit nicht geschadet, seinen Appetit nicht beeinflußt, das schöne<lb/> Gleichgewicht seiner Seele nicht zu erschüttern vermocht. Er besaß Verstand<lb/> genug, eine für die Gelegenheit passende Physiognomie anzunehmen, Ge-<lb/> schicklichkeit genug, verschiedne ziemlich glaubwürdige Motivirungen für seine<lb/> Resignation zu finden. Nur in deu ersten Monaten trug er gewissen Personen<lb/> gegenüber die Miene des unglücklichen Opfers zur Schau. Er schämte sich<lb/> ein wenig vor seinen einstigen Kollegen, und wenn er einen von ihnen traf,<lb/> nahm er die Pose des Mannes an, der von dem grausamen Schicksal, von der<lb/> unerbittlichen Notwendigkeit gezwungen wurde, seinen schönsten Träumen zu<lb/> entsagen, sein ihm von Gott gegebenes Genie verkümmern zu lassen. »Ich<lb/> mußte es thun — es handelte sich um mein Weib — mein Kind — du be¬<lb/> greifst — was ich gelitten — laß mich schweigen — —.« Ein schmerzlicher<lb/> Blick nach oben, ein Händedruck, und er verabschiedete sich. Nach kurzer Zeit<lb/> schon wurde ihm die Pose lästig und erschien ihm überflüssig. Wenn er einer<lb/> Begegnung absolut nicht ausweichen konnte, zog er es vor, seinen Schmerz für<lb/> sich zu behalten und dem Freunde seine guten Zigarren anzubieten, ein Ver¬<lb/> fahren, bei welchem beide Teile ihre Rechnung fanden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1642"> Wir können Schwarzkopfs Buch nicht noch weiter plündern; das Bisherige<lb/> mag zur ErWrnng und Bestätigung der Charakteristik genügen, die wir von<lb/> seinein originellen Wesen zu geben versucht haben. Der Wert seiner Studien<lb/> liegt nicht bloß in ihrem ästhetischen Realismus, sondern auch in dem rücksichts¬<lb/> losen Mut, mit dem sie scheinbar so ganz nebenbei die satirische Geißel über<lb/> viele Zustände des Wiener Lebens schwingen. Sie werden in dieser Richtung<lb/> gewiß befreiend wirken auf manches Gemüt, welches die gleichen Übel empfunden<lb/> hat, ohne sich Rechenschaft über ihren Grund geben zu können.</p><lb/> <note type="byline"> Moritz Necker.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe.</head><lb/> <p xml:id="ID_1643" next="#ID_1644"> u den schwierigsten Fragen unsrer Zeit gehört, in Deutschland we¬<lb/> nigstens, die kircheupvlitische. Andre Völker, denen das „Unglück"<lb/> konfessioneller Spaltung erspart ist, mögen ihre staatliche Würde<lb/> in ihrer Weise wahren oder wiederherstellen müssen, sie mögen<lb/> dabei vom parlamentarischen Kampfe bald unterstützt, bald, wie<lb/> das so geht, gehemmt werden, es bleibt doch immer jedem Bürger klar, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0556]
losen Schwiegersohn kann er nicht brauchen, und der arme Dichter muß sich
entschließen, in das prosaische Geschäft einzutreten. „Heiland Meier hatte
sich auffallend rasch und mit großem Geschick in seine neue Thätigkeit ein-
gefunden. Der unvermittelte kühne Übergang zu einer andern Branche hatte
seiner Gesundheit nicht geschadet, seinen Appetit nicht beeinflußt, das schöne
Gleichgewicht seiner Seele nicht zu erschüttern vermocht. Er besaß Verstand
genug, eine für die Gelegenheit passende Physiognomie anzunehmen, Ge-
schicklichkeit genug, verschiedne ziemlich glaubwürdige Motivirungen für seine
Resignation zu finden. Nur in deu ersten Monaten trug er gewissen Personen
gegenüber die Miene des unglücklichen Opfers zur Schau. Er schämte sich
ein wenig vor seinen einstigen Kollegen, und wenn er einen von ihnen traf,
nahm er die Pose des Mannes an, der von dem grausamen Schicksal, von der
unerbittlichen Notwendigkeit gezwungen wurde, seinen schönsten Träumen zu
entsagen, sein ihm von Gott gegebenes Genie verkümmern zu lassen. »Ich
mußte es thun — es handelte sich um mein Weib — mein Kind — du be¬
greifst — was ich gelitten — laß mich schweigen — —.« Ein schmerzlicher
Blick nach oben, ein Händedruck, und er verabschiedete sich. Nach kurzer Zeit
schon wurde ihm die Pose lästig und erschien ihm überflüssig. Wenn er einer
Begegnung absolut nicht ausweichen konnte, zog er es vor, seinen Schmerz für
sich zu behalten und dem Freunde seine guten Zigarren anzubieten, ein Ver¬
fahren, bei welchem beide Teile ihre Rechnung fanden."
Wir können Schwarzkopfs Buch nicht noch weiter plündern; das Bisherige
mag zur ErWrnng und Bestätigung der Charakteristik genügen, die wir von
seinein originellen Wesen zu geben versucht haben. Der Wert seiner Studien
liegt nicht bloß in ihrem ästhetischen Realismus, sondern auch in dem rücksichts¬
losen Mut, mit dem sie scheinbar so ganz nebenbei die satirische Geißel über
viele Zustände des Wiener Lebens schwingen. Sie werden in dieser Richtung
gewiß befreiend wirken auf manches Gemüt, welches die gleichen Übel empfunden
hat, ohne sich Rechenschaft über ihren Grund geben zu können.
Moritz Necker.
Das Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe.
u den schwierigsten Fragen unsrer Zeit gehört, in Deutschland we¬
nigstens, die kircheupvlitische. Andre Völker, denen das „Unglück"
konfessioneller Spaltung erspart ist, mögen ihre staatliche Würde
in ihrer Weise wahren oder wiederherstellen müssen, sie mögen
dabei vom parlamentarischen Kampfe bald unterstützt, bald, wie
das so geht, gehemmt werden, es bleibt doch immer jedem Bürger klar, daß
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