Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur ^mchtweiksindustrie.

durch bloße Umrißlinien zweckmäßiger gewesen wäre, ist eine Frage, auf deren
Entscheidung Nur hier verzichten wollen. Die Abbildungen bei Duruy sind
weder nach dein einen noch nach dein andern Verfahren hergestellt, sondern nach
jeuer leichtfertigen Manier, die mit einigen am unpassenden Orte angebrachten
Linien und Strichen ein übriges gethan zu haben meint, für die eine richtige
Wirkung von Licht und Schatten unbekannt ist, die meist das Gegenteil von
dem künstlerisch Wirksamen giebt und so Gestalten zustande bringt, denen der
Mißmut über ihre Verunglimpfung förmlich im Gesichte zu lesen ist.

Noch gewichtiger aber als die eben ausgesprochenen Bedenken sind die,
welche sich an die Auswahl der Abbildungen knüpfen, besonders insofern, als
diese doch die Berechtigung ihres Vorhandenseins durch Andeutungen im Texte
beweisen müssen. Wir wiesen oben in Kürze darauf hin, welche Grundsätze für die
Auswahl von Illustrationen wie überhaupt für die Berechtigung derselben maßgebend
sein müssen. Es kommen gewiß oft, sehr oft Ausnahmen von dieser Regel vor.
In keinem Falle aber ist -- es sei denn in Jugendschriften -- unsers Wissens
so Unerhörtes, so Unglaubliches geleistet worden wie bei Duruh, Wir lassen
zum Belege hierfür und -- wie wir hoffen -- zur Warnung für die Fortsetzung
des Werkes einige Beispiele folgen.

Bei der Erzählung vou Claudius' Tode heißt es (I, S, 64^'.) im Anschlusse
an die satirische Apvkvlokhntvsis (Verkürbisuug) des Seneca: "Claudius lag im
Sterben, aber seine Seele konnte noch immer den Ausweg aus diesem verunstalteten
Körper nicht finden. Da holte Merkur, der immer an dieser drolligen Persönlichkeit
sein Vergnügen gehabt hatte, eine der Parzen aus ihrem Gemach und sprach u. s, w."
Mau fragt, was denu hierau zu illustriren sei? Der Vorgang natürlich nicht;
aber wenn man Mouumeuteukeuutnis besitzt, und wenn man durchaus "illustriren"
will, so läßt man die Götter und Göttinnen Revue passtren, und da fällt denn
das Auge auf die Parzen. Man bildet also die Parzen ab. Aber welchen
Typus? Nur immer klassisch! Man erinnert sich, daß die drei herrlichen Ge-
wandstatuen ans dem östlichen Parthenongiebel auch als Moiren, mithin als
Parzen, aufgefaßt worden sind. Man läßt sie also anrücken, aber nicht ihrer
drei, auch nicht nur die eine, die Claudius den Lebensfaden abschnitt, sondern
zu zweien, und bezeichnet sie recht ansprechend als eil! "verstümmeltes Fragment
vom Parthenon." Armer Phidias! Deine Göttinnen nach fünfhundert Jahren
Vvllstreckerinnen eines Todesurteils! -- Weiter, ein andres Beispiel. Die kleinen
alkalischen Weihgeschenke auf der Akropolis von Athen sind jetzt, wo die perga-
menischen Funde im Mittelpunkte des allgemeinen Interesses stehen, auch wettern
Kreisen bekannt. Kein Wunder, denn die schöne Brunusche Entdeckung, welche
die fraglichen Weihgeschenke in erhaltenen Statuen in Venedig, Neapel und an
andern Orten nachwies, war epochemachend genug, um selbst dem Historiker
nicht unbekannt zu bleiben. Schreibt man aber eine römische Kaisergeschichte
und hat man -- so vermuten wir -- jene Statuen in einer Auswahl von Ab-


Zur ^mchtweiksindustrie.

durch bloße Umrißlinien zweckmäßiger gewesen wäre, ist eine Frage, auf deren
Entscheidung Nur hier verzichten wollen. Die Abbildungen bei Duruy sind
weder nach dein einen noch nach dein andern Verfahren hergestellt, sondern nach
jeuer leichtfertigen Manier, die mit einigen am unpassenden Orte angebrachten
Linien und Strichen ein übriges gethan zu haben meint, für die eine richtige
Wirkung von Licht und Schatten unbekannt ist, die meist das Gegenteil von
dem künstlerisch Wirksamen giebt und so Gestalten zustande bringt, denen der
Mißmut über ihre Verunglimpfung förmlich im Gesichte zu lesen ist.

Noch gewichtiger aber als die eben ausgesprochenen Bedenken sind die,
welche sich an die Auswahl der Abbildungen knüpfen, besonders insofern, als
diese doch die Berechtigung ihres Vorhandenseins durch Andeutungen im Texte
beweisen müssen. Wir wiesen oben in Kürze darauf hin, welche Grundsätze für die
Auswahl von Illustrationen wie überhaupt für die Berechtigung derselben maßgebend
sein müssen. Es kommen gewiß oft, sehr oft Ausnahmen von dieser Regel vor.
In keinem Falle aber ist — es sei denn in Jugendschriften — unsers Wissens
so Unerhörtes, so Unglaubliches geleistet worden wie bei Duruh, Wir lassen
zum Belege hierfür und — wie wir hoffen — zur Warnung für die Fortsetzung
des Werkes einige Beispiele folgen.

Bei der Erzählung vou Claudius' Tode heißt es (I, S, 64^'.) im Anschlusse
an die satirische Apvkvlokhntvsis (Verkürbisuug) des Seneca: „Claudius lag im
Sterben, aber seine Seele konnte noch immer den Ausweg aus diesem verunstalteten
Körper nicht finden. Da holte Merkur, der immer an dieser drolligen Persönlichkeit
sein Vergnügen gehabt hatte, eine der Parzen aus ihrem Gemach und sprach u. s, w."
Mau fragt, was denu hierau zu illustriren sei? Der Vorgang natürlich nicht;
aber wenn man Mouumeuteukeuutnis besitzt, und wenn man durchaus „illustriren"
will, so läßt man die Götter und Göttinnen Revue passtren, und da fällt denn
das Auge auf die Parzen. Man bildet also die Parzen ab. Aber welchen
Typus? Nur immer klassisch! Man erinnert sich, daß die drei herrlichen Ge-
wandstatuen ans dem östlichen Parthenongiebel auch als Moiren, mithin als
Parzen, aufgefaßt worden sind. Man läßt sie also anrücken, aber nicht ihrer
drei, auch nicht nur die eine, die Claudius den Lebensfaden abschnitt, sondern
zu zweien, und bezeichnet sie recht ansprechend als eil! „verstümmeltes Fragment
vom Parthenon." Armer Phidias! Deine Göttinnen nach fünfhundert Jahren
Vvllstreckerinnen eines Todesurteils! — Weiter, ein andres Beispiel. Die kleinen
alkalischen Weihgeschenke auf der Akropolis von Athen sind jetzt, wo die perga-
menischen Funde im Mittelpunkte des allgemeinen Interesses stehen, auch wettern
Kreisen bekannt. Kein Wunder, denn die schöne Brunusche Entdeckung, welche
die fraglichen Weihgeschenke in erhaltenen Statuen in Venedig, Neapel und an
andern Orten nachwies, war epochemachend genug, um selbst dem Historiker
nicht unbekannt zu bleiben. Schreibt man aber eine römische Kaisergeschichte
und hat man — so vermuten wir — jene Statuen in einer Auswahl von Ab-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197901"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur ^mchtweiksindustrie.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1382" prev="#ID_1381"> durch bloße Umrißlinien zweckmäßiger gewesen wäre, ist eine Frage, auf deren<lb/>
Entscheidung Nur hier verzichten wollen. Die Abbildungen bei Duruy sind<lb/>
weder nach dein einen noch nach dein andern Verfahren hergestellt, sondern nach<lb/>
jeuer leichtfertigen Manier, die mit einigen am unpassenden Orte angebrachten<lb/>
Linien und Strichen ein übriges gethan zu haben meint, für die eine richtige<lb/>
Wirkung von Licht und Schatten unbekannt ist, die meist das Gegenteil von<lb/>
dem künstlerisch Wirksamen giebt und so Gestalten zustande bringt, denen der<lb/>
Mißmut über ihre Verunglimpfung förmlich im Gesichte zu lesen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1383"> Noch gewichtiger aber als die eben ausgesprochenen Bedenken sind die,<lb/>
welche sich an die Auswahl der Abbildungen knüpfen, besonders insofern, als<lb/>
diese doch die Berechtigung ihres Vorhandenseins durch Andeutungen im Texte<lb/>
beweisen müssen. Wir wiesen oben in Kürze darauf hin, welche Grundsätze für die<lb/>
Auswahl von Illustrationen wie überhaupt für die Berechtigung derselben maßgebend<lb/>
sein müssen. Es kommen gewiß oft, sehr oft Ausnahmen von dieser Regel vor.<lb/>
In keinem Falle aber ist &#x2014; es sei denn in Jugendschriften &#x2014; unsers Wissens<lb/>
so Unerhörtes, so Unglaubliches geleistet worden wie bei Duruh, Wir lassen<lb/>
zum Belege hierfür und &#x2014; wie wir hoffen &#x2014; zur Warnung für die Fortsetzung<lb/>
des Werkes einige Beispiele folgen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1384" next="#ID_1385"> Bei der Erzählung vou Claudius' Tode heißt es (I, S, 64^'.) im Anschlusse<lb/>
an die satirische Apvkvlokhntvsis (Verkürbisuug) des Seneca: &#x201E;Claudius lag im<lb/>
Sterben, aber seine Seele konnte noch immer den Ausweg aus diesem verunstalteten<lb/>
Körper nicht finden. Da holte Merkur, der immer an dieser drolligen Persönlichkeit<lb/>
sein Vergnügen gehabt hatte, eine der Parzen aus ihrem Gemach und sprach u. s, w."<lb/>
Mau fragt, was denu hierau zu illustriren sei? Der Vorgang natürlich nicht;<lb/>
aber wenn man Mouumeuteukeuutnis besitzt, und wenn man durchaus &#x201E;illustriren"<lb/>
will, so läßt man die Götter und Göttinnen Revue passtren, und da fällt denn<lb/>
das Auge auf die Parzen. Man bildet also die Parzen ab. Aber welchen<lb/>
Typus? Nur immer klassisch! Man erinnert sich, daß die drei herrlichen Ge-<lb/>
wandstatuen ans dem östlichen Parthenongiebel auch als Moiren, mithin als<lb/>
Parzen, aufgefaßt worden sind. Man läßt sie also anrücken, aber nicht ihrer<lb/>
drei, auch nicht nur die eine, die Claudius den Lebensfaden abschnitt, sondern<lb/>
zu zweien, und bezeichnet sie recht ansprechend als eil! &#x201E;verstümmeltes Fragment<lb/>
vom Parthenon." Armer Phidias! Deine Göttinnen nach fünfhundert Jahren<lb/>
Vvllstreckerinnen eines Todesurteils! &#x2014; Weiter, ein andres Beispiel. Die kleinen<lb/>
alkalischen Weihgeschenke auf der Akropolis von Athen sind jetzt, wo die perga-<lb/>
menischen Funde im Mittelpunkte des allgemeinen Interesses stehen, auch wettern<lb/>
Kreisen bekannt. Kein Wunder, denn die schöne Brunusche Entdeckung, welche<lb/>
die fraglichen Weihgeschenke in erhaltenen Statuen in Venedig, Neapel und an<lb/>
andern Orten nachwies, war epochemachend genug, um selbst dem Historiker<lb/>
nicht unbekannt zu bleiben. Schreibt man aber eine römische Kaisergeschichte<lb/>
und hat man &#x2014; so vermuten wir &#x2014; jene Statuen in einer Auswahl von Ab-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] Zur ^mchtweiksindustrie. durch bloße Umrißlinien zweckmäßiger gewesen wäre, ist eine Frage, auf deren Entscheidung Nur hier verzichten wollen. Die Abbildungen bei Duruy sind weder nach dein einen noch nach dein andern Verfahren hergestellt, sondern nach jeuer leichtfertigen Manier, die mit einigen am unpassenden Orte angebrachten Linien und Strichen ein übriges gethan zu haben meint, für die eine richtige Wirkung von Licht und Schatten unbekannt ist, die meist das Gegenteil von dem künstlerisch Wirksamen giebt und so Gestalten zustande bringt, denen der Mißmut über ihre Verunglimpfung förmlich im Gesichte zu lesen ist. Noch gewichtiger aber als die eben ausgesprochenen Bedenken sind die, welche sich an die Auswahl der Abbildungen knüpfen, besonders insofern, als diese doch die Berechtigung ihres Vorhandenseins durch Andeutungen im Texte beweisen müssen. Wir wiesen oben in Kürze darauf hin, welche Grundsätze für die Auswahl von Illustrationen wie überhaupt für die Berechtigung derselben maßgebend sein müssen. Es kommen gewiß oft, sehr oft Ausnahmen von dieser Regel vor. In keinem Falle aber ist — es sei denn in Jugendschriften — unsers Wissens so Unerhörtes, so Unglaubliches geleistet worden wie bei Duruh, Wir lassen zum Belege hierfür und — wie wir hoffen — zur Warnung für die Fortsetzung des Werkes einige Beispiele folgen. Bei der Erzählung vou Claudius' Tode heißt es (I, S, 64^'.) im Anschlusse an die satirische Apvkvlokhntvsis (Verkürbisuug) des Seneca: „Claudius lag im Sterben, aber seine Seele konnte noch immer den Ausweg aus diesem verunstalteten Körper nicht finden. Da holte Merkur, der immer an dieser drolligen Persönlichkeit sein Vergnügen gehabt hatte, eine der Parzen aus ihrem Gemach und sprach u. s, w." Mau fragt, was denu hierau zu illustriren sei? Der Vorgang natürlich nicht; aber wenn man Mouumeuteukeuutnis besitzt, und wenn man durchaus „illustriren" will, so läßt man die Götter und Göttinnen Revue passtren, und da fällt denn das Auge auf die Parzen. Man bildet also die Parzen ab. Aber welchen Typus? Nur immer klassisch! Man erinnert sich, daß die drei herrlichen Ge- wandstatuen ans dem östlichen Parthenongiebel auch als Moiren, mithin als Parzen, aufgefaßt worden sind. Man läßt sie also anrücken, aber nicht ihrer drei, auch nicht nur die eine, die Claudius den Lebensfaden abschnitt, sondern zu zweien, und bezeichnet sie recht ansprechend als eil! „verstümmeltes Fragment vom Parthenon." Armer Phidias! Deine Göttinnen nach fünfhundert Jahren Vvllstreckerinnen eines Todesurteils! — Weiter, ein andres Beispiel. Die kleinen alkalischen Weihgeschenke auf der Akropolis von Athen sind jetzt, wo die perga- menischen Funde im Mittelpunkte des allgemeinen Interesses stehen, auch wettern Kreisen bekannt. Kein Wunder, denn die schöne Brunusche Entdeckung, welche die fraglichen Weihgeschenke in erhaltenen Statuen in Venedig, Neapel und an andern Orten nachwies, war epochemachend genug, um selbst dem Historiker nicht unbekannt zu bleiben. Schreibt man aber eine römische Kaisergeschichte und hat man — so vermuten wir — jene Statuen in einer Auswahl von Ab-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/477>, abgerufen am 05.02.2025.