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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Schiffsnamon,

Beilegung einfacher Buchstaben oder Zahlen oder der Verbindung beider be-
holfen. So ist man in Ancula mit Straßennamen, und so ist man auch an
verschiednen Orten mit Schiffs- und Fahrzeugsuamen verfahren. Buchstaben
und Zahlen genügten dem nüchternen Elemente des einfachen Merkmals und
dem Zwecke der Unterscheidung.

Ähnlich verhält es sich, wenn mau das Namcnsrcgister von Schiffen auf
ein national-geographisches System stellt. Das Gedankenspiel wird außer Kraft
gesetzt; man fängt im vorliegenden Falle mit "Preußen" an, und wenn das Glück
dem Schiffsbau hold ist und Schiffe genug gebaut werden, so ist man sicher,
auf einer klar vorgezeichneten Namensstaffcl bis zu "Reuß" und "Lippe" zu
kommen. Aber das System ist einfach und erfordert nicht viel Kopfzerbrechens;
man hat es mit geläufigen Namen zu thun, und wenn nur dafür gesorgt ist,
daß die Individuen im Alleinbesitz ihrer Namen sind, so ist dem Zwecke der
Unterscheidung genügt. Leider ist dies bei den größern Pvstdampfern, die jetzt
im Ban sind und ihrer Namen warten, nicht der Fall, sie treffen im Namen
mit ihren Flottenschwcstern zusammen, es wird also mit ihrer Taufe auch nicht
einmal der Nützlichkeitszweck der Unterscheidung erreicht.

Dem Vernehmen nach sollen die kleinern Dampfer die drei Städtenamen
"Lübeck," "Stettin" und "Danzig" erhalten. Was bei den großem Schiffen
nicht der Fall war, kommt hier zur Geltung, dem Zwecke der Unterscheidung
wird genügt; wo aber, fragt man sich, bleibt der allegorische, bildliche Zu¬
sammenhang zwischen dem Charakter, der Bestimmung und dem Name" der
Schiffe? Denn eine solche herzustellen, ist doch sicherlich anch ein wünschens¬
wertes Erfordernis des Namens. Wollte man behaupten, Rentabilität werde
durch eine phantastische Bezeichnung nicht erhöht, so ließe sich dagegen nichts
einwenden. Aber es geschieht doch much nicht das Gegenteil. Wenn ein
pommerscher Kahnschiffer seinen Torfkahn "Iduna" nennt, so leidet doch dabei
die Einträglichkeit seines Geschäftes gewiß nicht den mindesten Schaden; höchstens
schädigt er die Poesie damit. Aber eine über dem Trivialen so erhabene Göttin
kann das schon ertragen.

Nennt eine englische Nhederei einen ihrer Dampfer Xais"r-i-Hoa. so ist
unter hundert Menschen kaum einer, der die Bedeutung des Namens kennt; man
weiß nur: es ist eins der stattliche" Schiffe im Verkehr mit dem hindostanischen
Reiche, das Fabelhafte des Namens giebt ihm die Weihe, hat aber in zweiter
Linie den Nutzen, einen unbekannten Namen des indischen Reiches dem eng¬
lischen Volke vertraut zu machen. M Processe volunt ot, ävIoot-M kann man auch
von solchen Namengebungen sagen. Einen ähnlichen Standpunkt möchten wir
auch bei der Taufe der neuen deutschen Postdampfer eingenommen sehen.

Stettin und Danzig find gewiß bedeutende Handelsstädte, aber ihre Be¬
ziehungen zum ostasiatischen, zum Südsee- zum australischen und afrikanischen
Verkehr sind -- das werden die dortigen Handelsherren nicht in Abrede


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Schiffsnamon,

Beilegung einfacher Buchstaben oder Zahlen oder der Verbindung beider be-
holfen. So ist man in Ancula mit Straßennamen, und so ist man auch an
verschiednen Orten mit Schiffs- und Fahrzeugsuamen verfahren. Buchstaben
und Zahlen genügten dem nüchternen Elemente des einfachen Merkmals und
dem Zwecke der Unterscheidung.

Ähnlich verhält es sich, wenn mau das Namcnsrcgister von Schiffen auf
ein national-geographisches System stellt. Das Gedankenspiel wird außer Kraft
gesetzt; man fängt im vorliegenden Falle mit „Preußen" an, und wenn das Glück
dem Schiffsbau hold ist und Schiffe genug gebaut werden, so ist man sicher,
auf einer klar vorgezeichneten Namensstaffcl bis zu „Reuß" und „Lippe" zu
kommen. Aber das System ist einfach und erfordert nicht viel Kopfzerbrechens;
man hat es mit geläufigen Namen zu thun, und wenn nur dafür gesorgt ist,
daß die Individuen im Alleinbesitz ihrer Namen sind, so ist dem Zwecke der
Unterscheidung genügt. Leider ist dies bei den größern Pvstdampfern, die jetzt
im Ban sind und ihrer Namen warten, nicht der Fall, sie treffen im Namen
mit ihren Flottenschwcstern zusammen, es wird also mit ihrer Taufe auch nicht
einmal der Nützlichkeitszweck der Unterscheidung erreicht.

Dem Vernehmen nach sollen die kleinern Dampfer die drei Städtenamen
„Lübeck," „Stettin" und „Danzig" erhalten. Was bei den großem Schiffen
nicht der Fall war, kommt hier zur Geltung, dem Zwecke der Unterscheidung
wird genügt; wo aber, fragt man sich, bleibt der allegorische, bildliche Zu¬
sammenhang zwischen dem Charakter, der Bestimmung und dem Name» der
Schiffe? Denn eine solche herzustellen, ist doch sicherlich anch ein wünschens¬
wertes Erfordernis des Namens. Wollte man behaupten, Rentabilität werde
durch eine phantastische Bezeichnung nicht erhöht, so ließe sich dagegen nichts
einwenden. Aber es geschieht doch much nicht das Gegenteil. Wenn ein
pommerscher Kahnschiffer seinen Torfkahn „Iduna" nennt, so leidet doch dabei
die Einträglichkeit seines Geschäftes gewiß nicht den mindesten Schaden; höchstens
schädigt er die Poesie damit. Aber eine über dem Trivialen so erhabene Göttin
kann das schon ertragen.

Nennt eine englische Nhederei einen ihrer Dampfer Xais»r-i-Hoa. so ist
unter hundert Menschen kaum einer, der die Bedeutung des Namens kennt; man
weiß nur: es ist eins der stattliche» Schiffe im Verkehr mit dem hindostanischen
Reiche, das Fabelhafte des Namens giebt ihm die Weihe, hat aber in zweiter
Linie den Nutzen, einen unbekannten Namen des indischen Reiches dem eng¬
lischen Volke vertraut zu machen. M Processe volunt ot, ävIoot-M kann man auch
von solchen Namengebungen sagen. Einen ähnlichen Standpunkt möchten wir
auch bei der Taufe der neuen deutschen Postdampfer eingenommen sehen.

Stettin und Danzig find gewiß bedeutende Handelsstädte, aber ihre Be¬
ziehungen zum ostasiatischen, zum Südsee- zum australischen und afrikanischen
Verkehr sind — das werden die dortigen Handelsherren nicht in Abrede


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[0473] Schiffsnamon, Beilegung einfacher Buchstaben oder Zahlen oder der Verbindung beider be- holfen. So ist man in Ancula mit Straßennamen, und so ist man auch an verschiednen Orten mit Schiffs- und Fahrzeugsuamen verfahren. Buchstaben und Zahlen genügten dem nüchternen Elemente des einfachen Merkmals und dem Zwecke der Unterscheidung. Ähnlich verhält es sich, wenn mau das Namcnsrcgister von Schiffen auf ein national-geographisches System stellt. Das Gedankenspiel wird außer Kraft gesetzt; man fängt im vorliegenden Falle mit „Preußen" an, und wenn das Glück dem Schiffsbau hold ist und Schiffe genug gebaut werden, so ist man sicher, auf einer klar vorgezeichneten Namensstaffcl bis zu „Reuß" und „Lippe" zu kommen. Aber das System ist einfach und erfordert nicht viel Kopfzerbrechens; man hat es mit geläufigen Namen zu thun, und wenn nur dafür gesorgt ist, daß die Individuen im Alleinbesitz ihrer Namen sind, so ist dem Zwecke der Unterscheidung genügt. Leider ist dies bei den größern Pvstdampfern, die jetzt im Ban sind und ihrer Namen warten, nicht der Fall, sie treffen im Namen mit ihren Flottenschwcstern zusammen, es wird also mit ihrer Taufe auch nicht einmal der Nützlichkeitszweck der Unterscheidung erreicht. Dem Vernehmen nach sollen die kleinern Dampfer die drei Städtenamen „Lübeck," „Stettin" und „Danzig" erhalten. Was bei den großem Schiffen nicht der Fall war, kommt hier zur Geltung, dem Zwecke der Unterscheidung wird genügt; wo aber, fragt man sich, bleibt der allegorische, bildliche Zu¬ sammenhang zwischen dem Charakter, der Bestimmung und dem Name» der Schiffe? Denn eine solche herzustellen, ist doch sicherlich anch ein wünschens¬ wertes Erfordernis des Namens. Wollte man behaupten, Rentabilität werde durch eine phantastische Bezeichnung nicht erhöht, so ließe sich dagegen nichts einwenden. Aber es geschieht doch much nicht das Gegenteil. Wenn ein pommerscher Kahnschiffer seinen Torfkahn „Iduna" nennt, so leidet doch dabei die Einträglichkeit seines Geschäftes gewiß nicht den mindesten Schaden; höchstens schädigt er die Poesie damit. Aber eine über dem Trivialen so erhabene Göttin kann das schon ertragen. Nennt eine englische Nhederei einen ihrer Dampfer Xais»r-i-Hoa. so ist unter hundert Menschen kaum einer, der die Bedeutung des Namens kennt; man weiß nur: es ist eins der stattliche» Schiffe im Verkehr mit dem hindostanischen Reiche, das Fabelhafte des Namens giebt ihm die Weihe, hat aber in zweiter Linie den Nutzen, einen unbekannten Namen des indischen Reiches dem eng¬ lischen Volke vertraut zu machen. M Processe volunt ot, ävIoot-M kann man auch von solchen Namengebungen sagen. Einen ähnlichen Standpunkt möchten wir auch bei der Taufe der neuen deutschen Postdampfer eingenommen sehen. Stettin und Danzig find gewiß bedeutende Handelsstädte, aber ihre Be¬ ziehungen zum ostasiatischen, zum Südsee- zum australischen und afrikanischen Verkehr sind — das werden die dortigen Handelsherren nicht in Abrede GrmzboK'N I. 13L(i. Ü9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/473>, abgerufen am 05.02.2025.