Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die Deutschen in Newyork. seine nationale Propaganda treiben darf, weil das zähe Stammesgesühl dieser Die Beschwerden über diese Stumpfheit sind so alt wie die Geschichte des Als im Jahre 1863 der niederträchtige Versuch gemacht wurde, die durch Diese Organisation war Wohl in demselben Angenblicke schon vergessen, als Wir wollen gerade diesem Manne keinen Vorwurf machen, der vielleicht Wir wollen ferner nicht vergessen, daß eigentlich alle Deutschen, welche vor Die Deutschen in Newyork. seine nationale Propaganda treiben darf, weil das zähe Stammesgesühl dieser Die Beschwerden über diese Stumpfheit sind so alt wie die Geschichte des Als im Jahre 1863 der niederträchtige Versuch gemacht wurde, die durch Diese Organisation war Wohl in demselben Angenblicke schon vergessen, als Wir wollen gerade diesem Manne keinen Vorwurf machen, der vielleicht Wir wollen ferner nicht vergessen, daß eigentlich alle Deutschen, welche vor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197887"/> <fw type="header" place="top"> Die Deutschen in Newyork.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1335" prev="#ID_1334"> seine nationale Propaganda treiben darf, weil das zähe Stammesgesühl dieser<lb/> sonst so mißliebigen Nasse Respekt verschafft, ebenso trat man den Deutschen<lb/> mit Füßen und tritt ihn noch, der regelmäßig schon zu schreien anfängt,<lb/> was für ein ausgezeichneter Amerikaner er sei, während ihm der Michel noch<lb/> ans allen Nähten platzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1336"> Die Beschwerden über diese Stumpfheit sind so alt wie die Geschichte des<lb/> Deutsch-Amerikanertums. Sie sind häufig genng von weiterblickenden Lands¬<lb/> leuten wiederholt worden, aber ebenso regelmäßig wieder verklungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1337"> Als im Jahre 1863 der niederträchtige Versuch gemacht wurde, die durch<lb/> das Ungeschick der nördlichen Führer verschuldete Niederlage bei Chancellorsville<lb/> und Fredericksbnrg den „feigen" deutschen Truppen in die Schuhe zu schieben,<lb/> schrieb Friedrich Kapp um 11. Mai in sein Tagebuch folgende Worte: „Dieses<lb/> Ereignis ist vortrefflich geeignet, den Deutschen ihre Stellung in Amerika klar<lb/> zu macheu. Sie mögen thun, was sie wollen, sie werden immer nur als brauch¬<lb/> bare Arbeiter geduldet, nie und selbst dann nicht als Gleiche anerkannt sein,<lb/> wenn sie sich auch durch ihre Thaten und ihre Hingebung an die Interessen<lb/> des Landes eine wohlberechtigte Anerkennung gesichert zu haben glauben." In<lb/> der Versammlung, welche der endlich einmal aufschäumende Unwille unsrer<lb/> Landsleute dann im «üooxsr Instituts zusammenrief, ergriff derselbe Friedrich<lb/> Kapp das Wort und mahnte mit eindringlichem Pathos: „Wer politisches Recht<lb/> haben will, der muß Macht haben, und wer diese Macht ausüben will, der muß<lb/> organisirt sein! . . . Organisiren wir uns!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1338"> Diese Organisation war Wohl in demselben Angenblicke schon vergessen, als<lb/> sie verlangt wurde; es ist nie ein Versuch gemacht worden, sie ins Lebei, zu rufen;<lb/> man nahm die amerikanischen Fußtritte geduldig hin, verleugnete sein Deutsch¬<lb/> tum nur umso stärker, und Kapp selber bemühte sich in einer Reihe nach jener<lb/> Zeit entstandener Schriften, den Nachweis zu führen, daß der Gedanke des Zu¬<lb/> sammengehens von Deutschen eine Utopie, daß ihr Aufgehen in die amerikanische<lb/> Nationalität ein notwendiger Naturprozcß und es vornehmlich die Aufgabe des<lb/> Deutschtums sei, durch Klavierklimpern, Quartettsingen und Bierbrauen („gemüt¬<lb/> liche Ausgestaltung des Lebens" ist der Euphemismus dafür) anregend und be¬<lb/> fruchtend auf die angloamerikanische Nasse zu wirken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1339"> Wir wollen gerade diesem Manne keinen Vorwurf machen, der vielleicht<lb/> weniger gelitten, aber sicher auf seiue Weise so redlich und uneigennützig wie<lb/> nnr irgend ein andrer sich angestrengt hat, um die Stellung seiner Blutsbrüder<lb/> im Lande zu heben, dessen viel zu wenig gekannte Schriften im übrigen eine<lb/> wahre Fundgrube der allermerkwürdigsten Dinge bilden, so merkwürdiger und<lb/> im Munde eines Liberalen so befremdlicher Dinge (wir kommen noch darauf<lb/> zurück), daß sie sogar vou seinen eignen Parteigenossen gelegentlich als „bur¬<lb/> schikos," d. h. als nicht ganz zuverlässig, verschrieen wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1340" next="#ID_1341"> Wir wollen ferner nicht vergessen, daß eigentlich alle Deutschen, welche vor</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0463]
Die Deutschen in Newyork.
seine nationale Propaganda treiben darf, weil das zähe Stammesgesühl dieser
sonst so mißliebigen Nasse Respekt verschafft, ebenso trat man den Deutschen
mit Füßen und tritt ihn noch, der regelmäßig schon zu schreien anfängt,
was für ein ausgezeichneter Amerikaner er sei, während ihm der Michel noch
ans allen Nähten platzt.
Die Beschwerden über diese Stumpfheit sind so alt wie die Geschichte des
Deutsch-Amerikanertums. Sie sind häufig genng von weiterblickenden Lands¬
leuten wiederholt worden, aber ebenso regelmäßig wieder verklungen.
Als im Jahre 1863 der niederträchtige Versuch gemacht wurde, die durch
das Ungeschick der nördlichen Führer verschuldete Niederlage bei Chancellorsville
und Fredericksbnrg den „feigen" deutschen Truppen in die Schuhe zu schieben,
schrieb Friedrich Kapp um 11. Mai in sein Tagebuch folgende Worte: „Dieses
Ereignis ist vortrefflich geeignet, den Deutschen ihre Stellung in Amerika klar
zu macheu. Sie mögen thun, was sie wollen, sie werden immer nur als brauch¬
bare Arbeiter geduldet, nie und selbst dann nicht als Gleiche anerkannt sein,
wenn sie sich auch durch ihre Thaten und ihre Hingebung an die Interessen
des Landes eine wohlberechtigte Anerkennung gesichert zu haben glauben." In
der Versammlung, welche der endlich einmal aufschäumende Unwille unsrer
Landsleute dann im «üooxsr Instituts zusammenrief, ergriff derselbe Friedrich
Kapp das Wort und mahnte mit eindringlichem Pathos: „Wer politisches Recht
haben will, der muß Macht haben, und wer diese Macht ausüben will, der muß
organisirt sein! . . . Organisiren wir uns!"
Diese Organisation war Wohl in demselben Angenblicke schon vergessen, als
sie verlangt wurde; es ist nie ein Versuch gemacht worden, sie ins Lebei, zu rufen;
man nahm die amerikanischen Fußtritte geduldig hin, verleugnete sein Deutsch¬
tum nur umso stärker, und Kapp selber bemühte sich in einer Reihe nach jener
Zeit entstandener Schriften, den Nachweis zu führen, daß der Gedanke des Zu¬
sammengehens von Deutschen eine Utopie, daß ihr Aufgehen in die amerikanische
Nationalität ein notwendiger Naturprozcß und es vornehmlich die Aufgabe des
Deutschtums sei, durch Klavierklimpern, Quartettsingen und Bierbrauen („gemüt¬
liche Ausgestaltung des Lebens" ist der Euphemismus dafür) anregend und be¬
fruchtend auf die angloamerikanische Nasse zu wirken.
Wir wollen gerade diesem Manne keinen Vorwurf machen, der vielleicht
weniger gelitten, aber sicher auf seiue Weise so redlich und uneigennützig wie
nnr irgend ein andrer sich angestrengt hat, um die Stellung seiner Blutsbrüder
im Lande zu heben, dessen viel zu wenig gekannte Schriften im übrigen eine
wahre Fundgrube der allermerkwürdigsten Dinge bilden, so merkwürdiger und
im Munde eines Liberalen so befremdlicher Dinge (wir kommen noch darauf
zurück), daß sie sogar vou seinen eignen Parteigenossen gelegentlich als „bur¬
schikos," d. h. als nicht ganz zuverlässig, verschrieen wurden.
Wir wollen ferner nicht vergessen, daß eigentlich alle Deutschen, welche vor
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