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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Die Durchführung eines Systems on"l Hmidwerr's-Genossenschaften.

einzelner Provinzen im preußischen Staate zu berufen. Sie haben es stets
vermieden, diese Verträge ihrem vollen Wortlaute nach anzuführen. ... Es
wäre die Existenz des Großherzvgtnms Posens und Westpreußens im preußi¬
schen Staate, wie sie seit einem halben Jahrhunderte ist, nicht möglich gewesen,
wenn etwas derartiges, wie Sie stets anführen, in den Verträgen festgesetzt
wäre." Und in derselben Sitzung des Reichstages (1. April) rief der Kanzler
der Schaar polnischer Abgeordneten, die sich um Dr. Nicgolcwski gruppirte, zu:
"Die etwa zwanzig Abgeordneten, die sich hier als Volk geberden, und zwar
als polnisches Volk, sind in Wirklichkeit kein Volk, auch vertreten sie kein Volk
und haben keins hinter sich. Sie, meine Herren, haben nichts hinter sich als
Ihre Irrtümer und Ihre Täuschungen, und zu denen gehört unter andern,
daß Sie vom polnischen Volke hierher gewählt seien, um die polnische Natio¬
nalität zu vertreten. Sie sind gewählt, um die Interessen der katholischen
Kirche zu vertreten, und wenn sie das thun, sobald diese Interessen in Frage
kommen, werden Sie Ihre Schuldigkeit gegen Ihre Wähler erfüllen. Die pol¬
nische Nationalität zu vertreten, dazu hat Ihnen kein Mensch ein Mandat ge¬
geben und das Volk im Großhcrzogtnm Posen und in Westpreußen am aller¬
wenigsten. Es teilt nicht die Fiktionen, die Sie verteidigen: daß die polnische
Herrschaft gut gewesen wäre. Bei aller Unparteilichkeit und bei aller Neigung,
gerecht zu sein, kann ich Ihnen versichern, sie war herzlich schlecht, und darum
wird sie nie wiederkommen."

Also: die Krone Preußen besitzt den Teil des ehemaligen Polcnreichcs,
welcher der Monarchie der Hohenzollern in den Provinzen Posen und West-
preußen einverleibt ist, vollkommen rechtmäßig. Diese Provinzen sind nicht
bloße Anhängsel, sondern Glieder des preußischen Staatskörpers. Die Ein¬
sprüche dagegen, die ans Verträgen und Proklamationen hergeleitet werden, sind
null und nichtig, grundlos und unlogisch, und die Abgeordneten, die sie erheben,
haben drzu von ihren Wählern keinen Auftrag.




Die Durchführung eines Systems von Handwerks-
Genossenschaften.

nsre gegenwärtige Neformgcsctzgebung bewegt sich ans den ver-
schiednen von ihr betretenen Gebieten mit einer gewissen Zag¬
haftigkeit, welche von den Gegnern ihrer Zeit keineswegs an den
Tag gelegt wurde. Es ist dies freilich insofern sehr erklärlich, als
es im Wesen konservativer Bestrebungen und so auch der von dieser
Seite entfalteten gesetzgeberischen Thätigkeit liegt, nicht anders als mit Vorsicht
und selbst mit einiger Ängstlichkeit an Gebiete, die noch nicht recht übersehbar


Grenzboten I. 1886 56
Die Durchführung eines Systems on»l Hmidwerr's-Genossenschaften.

einzelner Provinzen im preußischen Staate zu berufen. Sie haben es stets
vermieden, diese Verträge ihrem vollen Wortlaute nach anzuführen. ... Es
wäre die Existenz des Großherzvgtnms Posens und Westpreußens im preußi¬
schen Staate, wie sie seit einem halben Jahrhunderte ist, nicht möglich gewesen,
wenn etwas derartiges, wie Sie stets anführen, in den Verträgen festgesetzt
wäre." Und in derselben Sitzung des Reichstages (1. April) rief der Kanzler
der Schaar polnischer Abgeordneten, die sich um Dr. Nicgolcwski gruppirte, zu:
„Die etwa zwanzig Abgeordneten, die sich hier als Volk geberden, und zwar
als polnisches Volk, sind in Wirklichkeit kein Volk, auch vertreten sie kein Volk
und haben keins hinter sich. Sie, meine Herren, haben nichts hinter sich als
Ihre Irrtümer und Ihre Täuschungen, und zu denen gehört unter andern,
daß Sie vom polnischen Volke hierher gewählt seien, um die polnische Natio¬
nalität zu vertreten. Sie sind gewählt, um die Interessen der katholischen
Kirche zu vertreten, und wenn sie das thun, sobald diese Interessen in Frage
kommen, werden Sie Ihre Schuldigkeit gegen Ihre Wähler erfüllen. Die pol¬
nische Nationalität zu vertreten, dazu hat Ihnen kein Mensch ein Mandat ge¬
geben und das Volk im Großhcrzogtnm Posen und in Westpreußen am aller¬
wenigsten. Es teilt nicht die Fiktionen, die Sie verteidigen: daß die polnische
Herrschaft gut gewesen wäre. Bei aller Unparteilichkeit und bei aller Neigung,
gerecht zu sein, kann ich Ihnen versichern, sie war herzlich schlecht, und darum
wird sie nie wiederkommen."

Also: die Krone Preußen besitzt den Teil des ehemaligen Polcnreichcs,
welcher der Monarchie der Hohenzollern in den Provinzen Posen und West-
preußen einverleibt ist, vollkommen rechtmäßig. Diese Provinzen sind nicht
bloße Anhängsel, sondern Glieder des preußischen Staatskörpers. Die Ein¬
sprüche dagegen, die ans Verträgen und Proklamationen hergeleitet werden, sind
null und nichtig, grundlos und unlogisch, und die Abgeordneten, die sie erheben,
haben drzu von ihren Wählern keinen Auftrag.




Die Durchführung eines Systems von Handwerks-
Genossenschaften.

nsre gegenwärtige Neformgcsctzgebung bewegt sich ans den ver-
schiednen von ihr betretenen Gebieten mit einer gewissen Zag¬
haftigkeit, welche von den Gegnern ihrer Zeit keineswegs an den
Tag gelegt wurde. Es ist dies freilich insofern sehr erklärlich, als
es im Wesen konservativer Bestrebungen und so auch der von dieser
Seite entfalteten gesetzgeberischen Thätigkeit liegt, nicht anders als mit Vorsicht
und selbst mit einiger Ängstlichkeit an Gebiete, die noch nicht recht übersehbar


Grenzboten I. 1886 56
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[0449] Die Durchführung eines Systems on»l Hmidwerr's-Genossenschaften. einzelner Provinzen im preußischen Staate zu berufen. Sie haben es stets vermieden, diese Verträge ihrem vollen Wortlaute nach anzuführen. ... Es wäre die Existenz des Großherzvgtnms Posens und Westpreußens im preußi¬ schen Staate, wie sie seit einem halben Jahrhunderte ist, nicht möglich gewesen, wenn etwas derartiges, wie Sie stets anführen, in den Verträgen festgesetzt wäre." Und in derselben Sitzung des Reichstages (1. April) rief der Kanzler der Schaar polnischer Abgeordneten, die sich um Dr. Nicgolcwski gruppirte, zu: „Die etwa zwanzig Abgeordneten, die sich hier als Volk geberden, und zwar als polnisches Volk, sind in Wirklichkeit kein Volk, auch vertreten sie kein Volk und haben keins hinter sich. Sie, meine Herren, haben nichts hinter sich als Ihre Irrtümer und Ihre Täuschungen, und zu denen gehört unter andern, daß Sie vom polnischen Volke hierher gewählt seien, um die polnische Natio¬ nalität zu vertreten. Sie sind gewählt, um die Interessen der katholischen Kirche zu vertreten, und wenn sie das thun, sobald diese Interessen in Frage kommen, werden Sie Ihre Schuldigkeit gegen Ihre Wähler erfüllen. Die pol¬ nische Nationalität zu vertreten, dazu hat Ihnen kein Mensch ein Mandat ge¬ geben und das Volk im Großhcrzogtnm Posen und in Westpreußen am aller¬ wenigsten. Es teilt nicht die Fiktionen, die Sie verteidigen: daß die polnische Herrschaft gut gewesen wäre. Bei aller Unparteilichkeit und bei aller Neigung, gerecht zu sein, kann ich Ihnen versichern, sie war herzlich schlecht, und darum wird sie nie wiederkommen." Also: die Krone Preußen besitzt den Teil des ehemaligen Polcnreichcs, welcher der Monarchie der Hohenzollern in den Provinzen Posen und West- preußen einverleibt ist, vollkommen rechtmäßig. Diese Provinzen sind nicht bloße Anhängsel, sondern Glieder des preußischen Staatskörpers. Die Ein¬ sprüche dagegen, die ans Verträgen und Proklamationen hergeleitet werden, sind null und nichtig, grundlos und unlogisch, und die Abgeordneten, die sie erheben, haben drzu von ihren Wählern keinen Auftrag. Die Durchführung eines Systems von Handwerks- Genossenschaften. nsre gegenwärtige Neformgcsctzgebung bewegt sich ans den ver- schiednen von ihr betretenen Gebieten mit einer gewissen Zag¬ haftigkeit, welche von den Gegnern ihrer Zeit keineswegs an den Tag gelegt wurde. Es ist dies freilich insofern sehr erklärlich, als es im Wesen konservativer Bestrebungen und so auch der von dieser Seite entfalteten gesetzgeberischen Thätigkeit liegt, nicht anders als mit Vorsicht und selbst mit einiger Ängstlichkeit an Gebiete, die noch nicht recht übersehbar Grenzboten I. 1886 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/449>, abgerufen am 05.02.2025.