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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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LamoLns,

draußen der Schloßhof, einige Gestalten in den Betstühlen zunächst dem Altar-
Platze vermachte er im Zwielicht des Raumes zu erkennen, Während er einige
Minuten in stiller Andacht an einer der Säulen lehnte, fielen von draußen die
ersten Sonnenstrahlen durch die östlichen Bogenfenster und ließen einen Teil des
Altarplatzes, sowie Gesichter und Gestalten unterscheiden. Das Licht durchzuckte
Camoens wie eine freudige Verheißung; nahm er doch mit den: ersten Aufblick
nnter den dunkelgekleideten Frauen, welche auf den purpurnen Samtkissen
links vom Altar knieten, die Herzogin von Braganza und Catariua Palmeirim
wahr. Und jetzt, wo kein Prunkgewand die schlanke Gestalt umhüllte, sondern
das einfache Morgenkleid ihre Glieder umfloß, wo die reinen Züge still und
ernst und doch so jugendlich schön ans dem schwarzen Schleier heraustraten,
jetzt ergriff ihn die Ähnlichkeit derselben mit denen der Mutter noch tiefer als
gestern und überwältigte ihn fast. Um seine fromme Stimmung war es ge¬
schehen, so gern er auch seine Gebete mit denen des jungen Mädchens vereint
hätte! Nur die Gewohnheit war eben mächtig genng, ihn im rechten Augenblicke
niederknieen zu lassen, sein Blick glitt über Altar, Priester und Monstranz
hinweg und weilte einzig auf der Gruppe der andächtigen Frauen. Er hielt
selbst dem zürnenden Blick Stand, den ihm die Herzogin zusandte, ward doch
die unmutige Bewegung der alte" Dame zum Anlaß, daß Katarina Palmeirim
emporsah und die Anwesenheit des Dichters bemerkte. Eine leichte Erregung
malte sich in ihrem Gesichte, Camoens merkte, daß dieselbe seiner Anwesenheit
galt, und verwandte leinen Blick mehr von dem jungen Mädchen und ihrer
erlauchten Beschützerin.

Ehe die Messe völlig zu Ende ging, näherte er sich jener Thür der Kirche,
welche -- dies wußte er ans alten, unvergeßlichen Tagen -- zu den Gärten
hinausführte. Aus diesen Gärten stieg eine besondre Freitreppe zum linken
Flügel des Palastes empor, den die Königin-Witwe, Dom Sebastians Gro߬
mutter, bewohnte. Camoens setzte voraus, daß die Frauen vom Garten aus die
Kirche betreten Hütten und auf demselben Wege in ihre Gemächer zurückkehren
würden. Unter dem Dache der Bäume auf- und abgehend, mußte er ihnen hier
begegnen, und war jetzt entschlossen für Esmcch zu sprechen, wenn er auch nur
einen Laut der Ermutigung vernähme. Daß ihm eine Unterredung mit Katarina,
bei der sich ihre Seele erschließen mußte, vielmehr am Herzen lag als das
Schicksal der Maurin, gestand er sich nicht ein. In wunderlich erhobner und
zugleich zaghafter Stimmung blickte er in die thaufunkelnden Gärten hinaus und
sah von Zeit zu Zeit nach der Pforte zurück, aus der das Heil dieses Morgens
kommen mußte. Wenn die Herzogin und die junge Gräfin wider all sein
Hoffen nicht diesen Pfad nach ihren Gemächern zurückgingen, so wollte er dies
als ein Zeichen betrachten, daß Barreto im Recht, er selbst im Unrechte sei. Und
so versuchte er, mit jeder verfließenden Minute unruhiger, sich zur Ruhe zu
zwingen, indem er sich an den Stamm der großen Platane lehnte, welche der


LamoLns,

draußen der Schloßhof, einige Gestalten in den Betstühlen zunächst dem Altar-
Platze vermachte er im Zwielicht des Raumes zu erkennen, Während er einige
Minuten in stiller Andacht an einer der Säulen lehnte, fielen von draußen die
ersten Sonnenstrahlen durch die östlichen Bogenfenster und ließen einen Teil des
Altarplatzes, sowie Gesichter und Gestalten unterscheiden. Das Licht durchzuckte
Camoens wie eine freudige Verheißung; nahm er doch mit den: ersten Aufblick
nnter den dunkelgekleideten Frauen, welche auf den purpurnen Samtkissen
links vom Altar knieten, die Herzogin von Braganza und Catariua Palmeirim
wahr. Und jetzt, wo kein Prunkgewand die schlanke Gestalt umhüllte, sondern
das einfache Morgenkleid ihre Glieder umfloß, wo die reinen Züge still und
ernst und doch so jugendlich schön ans dem schwarzen Schleier heraustraten,
jetzt ergriff ihn die Ähnlichkeit derselben mit denen der Mutter noch tiefer als
gestern und überwältigte ihn fast. Um seine fromme Stimmung war es ge¬
schehen, so gern er auch seine Gebete mit denen des jungen Mädchens vereint
hätte! Nur die Gewohnheit war eben mächtig genng, ihn im rechten Augenblicke
niederknieen zu lassen, sein Blick glitt über Altar, Priester und Monstranz
hinweg und weilte einzig auf der Gruppe der andächtigen Frauen. Er hielt
selbst dem zürnenden Blick Stand, den ihm die Herzogin zusandte, ward doch
die unmutige Bewegung der alte» Dame zum Anlaß, daß Katarina Palmeirim
emporsah und die Anwesenheit des Dichters bemerkte. Eine leichte Erregung
malte sich in ihrem Gesichte, Camoens merkte, daß dieselbe seiner Anwesenheit
galt, und verwandte leinen Blick mehr von dem jungen Mädchen und ihrer
erlauchten Beschützerin.

Ehe die Messe völlig zu Ende ging, näherte er sich jener Thür der Kirche,
welche — dies wußte er ans alten, unvergeßlichen Tagen — zu den Gärten
hinausführte. Aus diesen Gärten stieg eine besondre Freitreppe zum linken
Flügel des Palastes empor, den die Königin-Witwe, Dom Sebastians Gro߬
mutter, bewohnte. Camoens setzte voraus, daß die Frauen vom Garten aus die
Kirche betreten Hütten und auf demselben Wege in ihre Gemächer zurückkehren
würden. Unter dem Dache der Bäume auf- und abgehend, mußte er ihnen hier
begegnen, und war jetzt entschlossen für Esmcch zu sprechen, wenn er auch nur
einen Laut der Ermutigung vernähme. Daß ihm eine Unterredung mit Katarina,
bei der sich ihre Seele erschließen mußte, vielmehr am Herzen lag als das
Schicksal der Maurin, gestand er sich nicht ein. In wunderlich erhobner und
zugleich zaghafter Stimmung blickte er in die thaufunkelnden Gärten hinaus und
sah von Zeit zu Zeit nach der Pforte zurück, aus der das Heil dieses Morgens
kommen mußte. Wenn die Herzogin und die junge Gräfin wider all sein
Hoffen nicht diesen Pfad nach ihren Gemächern zurückgingen, so wollte er dies
als ein Zeichen betrachten, daß Barreto im Recht, er selbst im Unrechte sei. Und
so versuchte er, mit jeder verfließenden Minute unruhiger, sich zur Ruhe zu
zwingen, indem er sich an den Stamm der großen Platane lehnte, welche der


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[0439] LamoLns, draußen der Schloßhof, einige Gestalten in den Betstühlen zunächst dem Altar- Platze vermachte er im Zwielicht des Raumes zu erkennen, Während er einige Minuten in stiller Andacht an einer der Säulen lehnte, fielen von draußen die ersten Sonnenstrahlen durch die östlichen Bogenfenster und ließen einen Teil des Altarplatzes, sowie Gesichter und Gestalten unterscheiden. Das Licht durchzuckte Camoens wie eine freudige Verheißung; nahm er doch mit den: ersten Aufblick nnter den dunkelgekleideten Frauen, welche auf den purpurnen Samtkissen links vom Altar knieten, die Herzogin von Braganza und Catariua Palmeirim wahr. Und jetzt, wo kein Prunkgewand die schlanke Gestalt umhüllte, sondern das einfache Morgenkleid ihre Glieder umfloß, wo die reinen Züge still und ernst und doch so jugendlich schön ans dem schwarzen Schleier heraustraten, jetzt ergriff ihn die Ähnlichkeit derselben mit denen der Mutter noch tiefer als gestern und überwältigte ihn fast. Um seine fromme Stimmung war es ge¬ schehen, so gern er auch seine Gebete mit denen des jungen Mädchens vereint hätte! Nur die Gewohnheit war eben mächtig genng, ihn im rechten Augenblicke niederknieen zu lassen, sein Blick glitt über Altar, Priester und Monstranz hinweg und weilte einzig auf der Gruppe der andächtigen Frauen. Er hielt selbst dem zürnenden Blick Stand, den ihm die Herzogin zusandte, ward doch die unmutige Bewegung der alte» Dame zum Anlaß, daß Katarina Palmeirim emporsah und die Anwesenheit des Dichters bemerkte. Eine leichte Erregung malte sich in ihrem Gesichte, Camoens merkte, daß dieselbe seiner Anwesenheit galt, und verwandte leinen Blick mehr von dem jungen Mädchen und ihrer erlauchten Beschützerin. Ehe die Messe völlig zu Ende ging, näherte er sich jener Thür der Kirche, welche — dies wußte er ans alten, unvergeßlichen Tagen — zu den Gärten hinausführte. Aus diesen Gärten stieg eine besondre Freitreppe zum linken Flügel des Palastes empor, den die Königin-Witwe, Dom Sebastians Gro߬ mutter, bewohnte. Camoens setzte voraus, daß die Frauen vom Garten aus die Kirche betreten Hütten und auf demselben Wege in ihre Gemächer zurückkehren würden. Unter dem Dache der Bäume auf- und abgehend, mußte er ihnen hier begegnen, und war jetzt entschlossen für Esmcch zu sprechen, wenn er auch nur einen Laut der Ermutigung vernähme. Daß ihm eine Unterredung mit Katarina, bei der sich ihre Seele erschließen mußte, vielmehr am Herzen lag als das Schicksal der Maurin, gestand er sich nicht ein. In wunderlich erhobner und zugleich zaghafter Stimmung blickte er in die thaufunkelnden Gärten hinaus und sah von Zeit zu Zeit nach der Pforte zurück, aus der das Heil dieses Morgens kommen mußte. Wenn die Herzogin und die junge Gräfin wider all sein Hoffen nicht diesen Pfad nach ihren Gemächern zurückgingen, so wollte er dies als ein Zeichen betrachten, daß Barreto im Recht, er selbst im Unrechte sei. Und so versuchte er, mit jeder verfließenden Minute unruhiger, sich zur Ruhe zu zwingen, indem er sich an den Stamm der großen Platane lehnte, welche der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/439>, abgerufen am 05.02.2025.