Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.an der hilfreichen Bereitwilligkeit Catarinas so wenig gezweifelt, als an der Camoens hörte dnrch die' dünne Holzwand, wie sich Barreto aufs Lager Der rasche Herzschlag ungewohnter Hoffnung erweckte den Dichter nach an der hilfreichen Bereitwilligkeit Catarinas so wenig gezweifelt, als an der Camoens hörte dnrch die' dünne Holzwand, wie sich Barreto aufs Lager Der rasche Herzschlag ungewohnter Hoffnung erweckte den Dichter nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197861"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1266" prev="#ID_1265"> an der hilfreichen Bereitwilligkeit Catarinas so wenig gezweifelt, als an der<lb/> Milde der Gottesmutter, In raschem Traume hatte er an den Einfall, die<lb/> Tochter des Grafen Palmeirim zur Tanfzengin Esmahs zu erwählen, unbe¬<lb/> stimmt wogende Bilder geknüpft, aus denen allen Katarina Palmeirim hervor¬<lb/> blickte. Barretos kühler Zweifel schnitt ihm so jäh durch seine Hoffnung, als<lb/> vorher die patriotischen Sorgen des Freundes durch die Stimmung, welche der<lb/> Abend im Palaste in ihm erweckt hatte. Ihm war es, als sei Manuel Barreto<lb/> in diesen letzten Stunden um ein Jahrzehnt älter und er um viel mehr Jahre<lb/> jünger geworden — seine Seele lechzte nach Mitteilung, und doch schloß er die<lb/> Lippen wie ein Jüngling, der seine heiße Empfindung väterlichem Tadel nicht<lb/> Preisgeben will, Barreto fühlte es, daß Camoens jetzt lieber allein sei, doch<lb/> standen sie bereits vor Okaz' Herberge, und die Anordnungen, welche gestern<lb/> Abend getroffen worden waren, ließen sich nicht ändern. Auch verriet Camoens<lb/> nichts von seinem Wunsche, bei der Abendmahlzeit blieb er schweigsam, doch<lb/> nicht stumm, und erbat sich von dem Freunde Mitteilungen über mehr als einen<lb/> der Männer, denen er heute am Hofe begegnet war. Barreto gab bereitwillig<lb/> Auskunft, schützte aber bald ungewöhnliche Müdigkeit vor und zog sich in die<lb/> Kammer zurück, die ihm Bartolomeo Okaz neben Camoens eingeräumt hatte.<lb/> Die heiterer werdende Miene des Dichters zeigte, wie willkommen ihm die Ein¬<lb/> samkeit war, Barreto bezwang den Unmut, der sich seiner bemächtigen wollte,<lb/> und bot dem Freunde so herzlich gute Nacht wie am gestrigen Abend.</p><lb/> <p xml:id="ID_1267"> Camoens hörte dnrch die' dünne Holzwand, wie sich Barreto aufs Lager<lb/> warf, er wollte es ihm nachthun und setzte sich dann doch auf den hölzernen<lb/> Schemel, der vor seinem eignen Bette stand. Er hatte das Licht ausgelöscht<lb/> und hielt die Atemzüge an, als wenn Barreto an diesen erraten könne, daß sein<lb/> Nachbar wache. Die Bilder des Abends zogen abermals an ihm vorüber, und<lb/> je länger er dem Erlebten nachsann, umso stärker empfand er die selige Unruhe,<lb/> mit der er von Catarina Palmeirim geschieden war. Das erregte Blut wogte<lb/> heftig gegen seine Schläfen und pochte ein heißes Glttckverlangen wach, das seit<lb/> undenklichen Tagen geschlummert hatte. Was sich auch in seinen Weg werfen<lb/> mochte — er mußte ein neues Leben beginnen, an diesem Abend war es ent¬<lb/> schieden worden! Eine Stimme, die er nur uoch im Traume, aus unnahbaren<lb/> Fernen vernommen hatte, war hente wieder an sein Ohr geklungen, er vernahm<lb/> sie fort und fort, und als er sich nach stundenlangen stummen Hinbrüten in<lb/> die Decke seines Lagers begrub, tönte sie in ihm noch nach. Die Empfindung,<lb/> daß jede ungenützte Stunde ein Raub an seinem neuen Leben sei, beschlich ihn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1268" next="#ID_1269"> Der rasche Herzschlag ungewohnter Hoffnung erweckte den Dichter nach<lb/> kurzem unruhigen Schlafe noch vor der Sonne. Als er wenige Minuten später<lb/> auf die Galerie hinaustrat und dnrch den offnen Bogen über den Hof hinweg¬<lb/> sah, waren die Spitzen der Berge in das erste Frührot getaucht, der erblassende<lb/> Mond stand noch am dämmergrauen Himmel, tiefere Stille als in der Nacht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0437]
an der hilfreichen Bereitwilligkeit Catarinas so wenig gezweifelt, als an der
Milde der Gottesmutter, In raschem Traume hatte er an den Einfall, die
Tochter des Grafen Palmeirim zur Tanfzengin Esmahs zu erwählen, unbe¬
stimmt wogende Bilder geknüpft, aus denen allen Katarina Palmeirim hervor¬
blickte. Barretos kühler Zweifel schnitt ihm so jäh durch seine Hoffnung, als
vorher die patriotischen Sorgen des Freundes durch die Stimmung, welche der
Abend im Palaste in ihm erweckt hatte. Ihm war es, als sei Manuel Barreto
in diesen letzten Stunden um ein Jahrzehnt älter und er um viel mehr Jahre
jünger geworden — seine Seele lechzte nach Mitteilung, und doch schloß er die
Lippen wie ein Jüngling, der seine heiße Empfindung väterlichem Tadel nicht
Preisgeben will, Barreto fühlte es, daß Camoens jetzt lieber allein sei, doch
standen sie bereits vor Okaz' Herberge, und die Anordnungen, welche gestern
Abend getroffen worden waren, ließen sich nicht ändern. Auch verriet Camoens
nichts von seinem Wunsche, bei der Abendmahlzeit blieb er schweigsam, doch
nicht stumm, und erbat sich von dem Freunde Mitteilungen über mehr als einen
der Männer, denen er heute am Hofe begegnet war. Barreto gab bereitwillig
Auskunft, schützte aber bald ungewöhnliche Müdigkeit vor und zog sich in die
Kammer zurück, die ihm Bartolomeo Okaz neben Camoens eingeräumt hatte.
Die heiterer werdende Miene des Dichters zeigte, wie willkommen ihm die Ein¬
samkeit war, Barreto bezwang den Unmut, der sich seiner bemächtigen wollte,
und bot dem Freunde so herzlich gute Nacht wie am gestrigen Abend.
Camoens hörte dnrch die' dünne Holzwand, wie sich Barreto aufs Lager
warf, er wollte es ihm nachthun und setzte sich dann doch auf den hölzernen
Schemel, der vor seinem eignen Bette stand. Er hatte das Licht ausgelöscht
und hielt die Atemzüge an, als wenn Barreto an diesen erraten könne, daß sein
Nachbar wache. Die Bilder des Abends zogen abermals an ihm vorüber, und
je länger er dem Erlebten nachsann, umso stärker empfand er die selige Unruhe,
mit der er von Catarina Palmeirim geschieden war. Das erregte Blut wogte
heftig gegen seine Schläfen und pochte ein heißes Glttckverlangen wach, das seit
undenklichen Tagen geschlummert hatte. Was sich auch in seinen Weg werfen
mochte — er mußte ein neues Leben beginnen, an diesem Abend war es ent¬
schieden worden! Eine Stimme, die er nur uoch im Traume, aus unnahbaren
Fernen vernommen hatte, war hente wieder an sein Ohr geklungen, er vernahm
sie fort und fort, und als er sich nach stundenlangen stummen Hinbrüten in
die Decke seines Lagers begrub, tönte sie in ihm noch nach. Die Empfindung,
daß jede ungenützte Stunde ein Raub an seinem neuen Leben sei, beschlich ihn.
Der rasche Herzschlag ungewohnter Hoffnung erweckte den Dichter nach
kurzem unruhigen Schlafe noch vor der Sonne. Als er wenige Minuten später
auf die Galerie hinaustrat und dnrch den offnen Bogen über den Hof hinweg¬
sah, waren die Spitzen der Berge in das erste Frührot getaucht, der erblassende
Mond stand noch am dämmergrauen Himmel, tiefere Stille als in der Nacht
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