Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Großer Blatte, welches die Rede enthielt, kam uns in einem Wiener Blatte eine So erbost sich Herr .L darüber, daß bei Treitschke das Einheitsgefühl Großer Blatte, welches die Rede enthielt, kam uns in einem Wiener Blatte eine So erbost sich Herr .L darüber, daß bei Treitschke das Einheitsgefühl <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197858"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1257" prev="#ID_1256"> Großer Blatte, welches die Rede enthielt, kam uns in einem Wiener Blatte eine<lb/> Besprechung von Treitschkes neuem Bande zu, in welcher von nationaler Ge¬<lb/> sinnung keine Spur, aber desto mehr grimmiger Preußenhaß zu finden war.<lb/> Treitschke zu verteidigen, ist nicht unsre Sache, doch ist es nützlich zu hören,<lb/> was sein erbitterter Rezensent (ein X, welches niemand für ein U nehmen wird)<lb/> an ihm auszusetzen hat. Gleich der Anfang charakterisirt den Mann. „All¬<lb/> gemeine Heiterkeit brach los, als der (!) geistvolle Abgeordnete des deutschen<lb/> Reichstages, L. Bcimberger, im Hinweis auf den in der Ausweisungsdebatte<lb/> hervvrgctveteuen Chauvinismus ausrief: Das ist der Säbel des Herrn von<lb/> Treitschke!" Was wird Herr Richter dazu gesagt haben, daß sein Freund Bam-<lb/> berger „der" geistvolle ze. genannt wird, als ob es nicht noch andre geistvolle ze.<lb/> gäbe? Was Herr Träger, auf dessen alten Kornbranntwein einmal in demselben<lb/> Organ ein wahrer Hymnus angestimmt wurde? Doch das beiläufig. Welche<lb/> Bewandtnis es mit dem Säbel des Herrn von Treitschke habe, war uns zuerst<lb/> dunkel geblieben; hier werden wir daran erinnert, daß Herr Bamberger ein<lb/> „geistvolles" Zitat angebracht hat. Und nun steht ein treffliches Quartett vor<lb/> unsern Blicken: der unlängst uuter die Unsterblichen aufgenommene Halevh<lb/> (eigentlich Hirsch Leps), der Verfasser des Textes — Jakob Offenbach, der<lb/> Komponist der Operette — Herr L. Vamberger, der diese beiden verwandten<lb/> Größen geistvoll zitirt, und Herr X, der ihn darob bewundert. Als der Gassen¬<lb/> hauer: „Das ist der Säbel, den einst mein Vater trug!" zum erstenmale in<lb/> Wien erklang, sagte mein Nachbar im Theater (Heinrich Laube) zu mir: „Wohin<lb/> geraten wir? Bisher hat noch jedes Volk das Schwert des Fürsten oder<lb/> Anführers für etwas ehrwürdiges gehalten. Muß denn alles, was einer Nation<lb/> teuer sein soll, dem gemeinen Hohne preisgegeben werden?" Der arme Laube<lb/> war hinter seiner Zeit zurückgeblieben; in Preußen beklagte sich ja neulich ein<lb/> Redner ausdrücklich, daß jetzt so viel von Nationalität gesprochen werde, was<lb/> allerdings den Internationalen verschiedner Färbung recht störend sein mag.</p><lb/> <p xml:id="ID_1258" next="#ID_1259"> So erbost sich Herr .L darüber, daß bei Treitschke das Einheitsgefühl<lb/> das mächtigste sei, damit müsse „die Darstellung der deutschen Geschichte lang¬<lb/> weilig, einseitig, unbefriedigend bleiben" (unterhaltender mag allerdings die Dar¬<lb/> stellung in der „Großherzogin von Gerolstein" für ihn sein); er erbost sich<lb/> über die Ignorirung des Herrn von Zedlitz, des Dichters der „Nächtlichen Heer¬<lb/> schau" und der „Totenlränze," dessen kulinarisch-diplomatische Episteln aus der<lb/> Zeit des Staatsstreiches vom 2. Dezember, ungefähr 1859 im Stuttgarter Morgen¬<lb/> blatte abgedruckt, einen so erbaulichen Einblick in dieses Dichtergemüt gewährten;<lb/> er erbost sich über die Ansicht Treitschkes, daß die Deutschen, welche in den zwan¬<lb/> ziger und dreißiger Jahren so fleißig bei den Franzosen in die Schule gingen,<lb/> in Wahrheit nur wenig von ihnen zu lernen gehabt hätten. Daß die deutsche<lb/> Jugend sich kaum noch um einen Mann wie Gneisenau kümmere, findet er<lb/> ganz begreiflich, „weil Gneisenau nichts mehr that, was ihre Aufmerksamkeit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
Großer Blatte, welches die Rede enthielt, kam uns in einem Wiener Blatte eine
Besprechung von Treitschkes neuem Bande zu, in welcher von nationaler Ge¬
sinnung keine Spur, aber desto mehr grimmiger Preußenhaß zu finden war.
Treitschke zu verteidigen, ist nicht unsre Sache, doch ist es nützlich zu hören,
was sein erbitterter Rezensent (ein X, welches niemand für ein U nehmen wird)
an ihm auszusetzen hat. Gleich der Anfang charakterisirt den Mann. „All¬
gemeine Heiterkeit brach los, als der (!) geistvolle Abgeordnete des deutschen
Reichstages, L. Bcimberger, im Hinweis auf den in der Ausweisungsdebatte
hervvrgctveteuen Chauvinismus ausrief: Das ist der Säbel des Herrn von
Treitschke!" Was wird Herr Richter dazu gesagt haben, daß sein Freund Bam-
berger „der" geistvolle ze. genannt wird, als ob es nicht noch andre geistvolle ze.
gäbe? Was Herr Träger, auf dessen alten Kornbranntwein einmal in demselben
Organ ein wahrer Hymnus angestimmt wurde? Doch das beiläufig. Welche
Bewandtnis es mit dem Säbel des Herrn von Treitschke habe, war uns zuerst
dunkel geblieben; hier werden wir daran erinnert, daß Herr Bamberger ein
„geistvolles" Zitat angebracht hat. Und nun steht ein treffliches Quartett vor
unsern Blicken: der unlängst uuter die Unsterblichen aufgenommene Halevh
(eigentlich Hirsch Leps), der Verfasser des Textes — Jakob Offenbach, der
Komponist der Operette — Herr L. Vamberger, der diese beiden verwandten
Größen geistvoll zitirt, und Herr X, der ihn darob bewundert. Als der Gassen¬
hauer: „Das ist der Säbel, den einst mein Vater trug!" zum erstenmale in
Wien erklang, sagte mein Nachbar im Theater (Heinrich Laube) zu mir: „Wohin
geraten wir? Bisher hat noch jedes Volk das Schwert des Fürsten oder
Anführers für etwas ehrwürdiges gehalten. Muß denn alles, was einer Nation
teuer sein soll, dem gemeinen Hohne preisgegeben werden?" Der arme Laube
war hinter seiner Zeit zurückgeblieben; in Preußen beklagte sich ja neulich ein
Redner ausdrücklich, daß jetzt so viel von Nationalität gesprochen werde, was
allerdings den Internationalen verschiedner Färbung recht störend sein mag.
So erbost sich Herr .L darüber, daß bei Treitschke das Einheitsgefühl
das mächtigste sei, damit müsse „die Darstellung der deutschen Geschichte lang¬
weilig, einseitig, unbefriedigend bleiben" (unterhaltender mag allerdings die Dar¬
stellung in der „Großherzogin von Gerolstein" für ihn sein); er erbost sich
über die Ignorirung des Herrn von Zedlitz, des Dichters der „Nächtlichen Heer¬
schau" und der „Totenlränze," dessen kulinarisch-diplomatische Episteln aus der
Zeit des Staatsstreiches vom 2. Dezember, ungefähr 1859 im Stuttgarter Morgen¬
blatte abgedruckt, einen so erbaulichen Einblick in dieses Dichtergemüt gewährten;
er erbost sich über die Ansicht Treitschkes, daß die Deutschen, welche in den zwan¬
ziger und dreißiger Jahren so fleißig bei den Franzosen in die Schule gingen,
in Wahrheit nur wenig von ihnen zu lernen gehabt hätten. Daß die deutsche
Jugend sich kaum noch um einen Mann wie Gneisenau kümmere, findet er
ganz begreiflich, „weil Gneisenau nichts mehr that, was ihre Aufmerksamkeit
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |