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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Japanische Künste.

Wendung zu kommen, da die sichtbaren Drähte keineswegs immer goldgelb er¬
scheinen.

Man könnte geneigt sein, dergleichen eine müßige Spielerei zu nennen,
wenn es nicht wieder mit so seinem Sinne benutzt würde. Dies wird man
vor allein bei den verschiednen Wintcrlandschaften gewahr, z, B. bei den Vasen,
von deren grauen Grunde -- dein Winterhimmel, der schon reichlich Schnee
gespendet hat und noch mehr verheißt -- sich das Weiß des beschneiten Bodens,
der belasteten Baumzweige, der fallenden Flocken und des Gefieders der reiher-
nrtigen Vögel glänzend, aber nnr teilweise in scharfen Umrissen abhebt. Wo
eben die feinen Drähte zwischen den beiden Tönen fehlen, hat der Umriß das
Weiche und einigermaßen Unbestimmte, mit welchem in der Natur ein flockiger
Körper sich auf andersfarbigem Hintergrunde abzeichnet. Bei glatten oder doch
massiven Gegenständen stört es uns nicht, wenn der Maler sie durch eine (in
der Natur selbstverständlich nicht vorhandne) Umrißlinie, hier also den Mctall-
drccht, abgrenzt; während die fallende Schneeflocke, das weiche Gefieder u. s. w.
durch die Umrahmung ihren Charakter einbüßen würden. Und ich erinnere
hier abermals daran, daß auch bei den japanischen Farbendruckbildern die Umri߬
linie nur dort angewandt wird, wo sie für die Wirkung von Nutzen ist.

Weniger auffallend, aber doch höchst beachtenswert sind andre Neuheiten
ans demselben Gebiete, neue Farben, wie erwähnt, und neue Kombinationen,
bei denen wir uns mitunter fragen: Weshalb sind wir nicht selbst darauf ver¬
fallen, die mancherlei vpakbnntcn Massen, welche die Glasfabrikation seit Jahr¬
hunderten und zum Teil schon viel länger verarbeitet, auch in Gestalt von
Emailpulver zu versuchen? Da sehen wir Vasen, an denen Felder von ver¬
schiednen Marmorarten, Porphyr, Granit, goldgesprenkeltem Aventurin u. a. in.
als Grund für kleine Gemälde voll entzückender Naturwahrheit dienen, während
sich um den Rand ein gleichsam ans lauter Juwelen zusammengefügtes Band
schlingt. Können wir denn das nicht auch machen? fragt mancher bei der Be¬
trachtung solcher Dinge. Darauf muß geantwortet werden: Dasselbe gewißlich
nicht. Und zwar stützt sich die Verneinung nicht einzig auf den alten Erfcch-
rnngssatz, daß, wenn zwei dasselbe, thun, es doch nicht dasselbe ist. Wir können
es nicht, weil uns gewisse Naturanlagen nud die tausendjährige Kunst- und
Haudwerkstraditivn mangeln, und wenn wir diese besäßen, könnten wir es trotz¬
dem nicht, weil unsre Lebensbedingungen so gänzlich anders sind. Die euro¬
päische Fabrikindustrie kann die nationalen Industrien andrer Länder vernichten,
und das thut sie fortwährend, weil ihre Erzeugnisse wohlfeiler sind, wie z. B.
englische, Schweizer u. a. Fabrikate die indischen Baumwollen- und Seidengewebe
im Lande selbst verdrängen. Aber wollten wir Stoffe und Teppiche, Lack- und
Emailarbeiten u. s. w. von derselben künstlerischen und technischen Vollendung
herstellen wie die Araber, Juder, Chinesen und Japaner, so würden die Dinge
nicht zu bezahlen sein. Denn unsre Arbeiter können uicht nnter freiem Himmel


Japanische Künste.

Wendung zu kommen, da die sichtbaren Drähte keineswegs immer goldgelb er¬
scheinen.

Man könnte geneigt sein, dergleichen eine müßige Spielerei zu nennen,
wenn es nicht wieder mit so seinem Sinne benutzt würde. Dies wird man
vor allein bei den verschiednen Wintcrlandschaften gewahr, z, B. bei den Vasen,
von deren grauen Grunde — dein Winterhimmel, der schon reichlich Schnee
gespendet hat und noch mehr verheißt — sich das Weiß des beschneiten Bodens,
der belasteten Baumzweige, der fallenden Flocken und des Gefieders der reiher-
nrtigen Vögel glänzend, aber nnr teilweise in scharfen Umrissen abhebt. Wo
eben die feinen Drähte zwischen den beiden Tönen fehlen, hat der Umriß das
Weiche und einigermaßen Unbestimmte, mit welchem in der Natur ein flockiger
Körper sich auf andersfarbigem Hintergrunde abzeichnet. Bei glatten oder doch
massiven Gegenständen stört es uns nicht, wenn der Maler sie durch eine (in
der Natur selbstverständlich nicht vorhandne) Umrißlinie, hier also den Mctall-
drccht, abgrenzt; während die fallende Schneeflocke, das weiche Gefieder u. s. w.
durch die Umrahmung ihren Charakter einbüßen würden. Und ich erinnere
hier abermals daran, daß auch bei den japanischen Farbendruckbildern die Umri߬
linie nur dort angewandt wird, wo sie für die Wirkung von Nutzen ist.

Weniger auffallend, aber doch höchst beachtenswert sind andre Neuheiten
ans demselben Gebiete, neue Farben, wie erwähnt, und neue Kombinationen,
bei denen wir uns mitunter fragen: Weshalb sind wir nicht selbst darauf ver¬
fallen, die mancherlei vpakbnntcn Massen, welche die Glasfabrikation seit Jahr¬
hunderten und zum Teil schon viel länger verarbeitet, auch in Gestalt von
Emailpulver zu versuchen? Da sehen wir Vasen, an denen Felder von ver¬
schiednen Marmorarten, Porphyr, Granit, goldgesprenkeltem Aventurin u. a. in.
als Grund für kleine Gemälde voll entzückender Naturwahrheit dienen, während
sich um den Rand ein gleichsam ans lauter Juwelen zusammengefügtes Band
schlingt. Können wir denn das nicht auch machen? fragt mancher bei der Be¬
trachtung solcher Dinge. Darauf muß geantwortet werden: Dasselbe gewißlich
nicht. Und zwar stützt sich die Verneinung nicht einzig auf den alten Erfcch-
rnngssatz, daß, wenn zwei dasselbe, thun, es doch nicht dasselbe ist. Wir können
es nicht, weil uns gewisse Naturanlagen nud die tausendjährige Kunst- und
Haudwerkstraditivn mangeln, und wenn wir diese besäßen, könnten wir es trotz¬
dem nicht, weil unsre Lebensbedingungen so gänzlich anders sind. Die euro¬
päische Fabrikindustrie kann die nationalen Industrien andrer Länder vernichten,
und das thut sie fortwährend, weil ihre Erzeugnisse wohlfeiler sind, wie z. B.
englische, Schweizer u. a. Fabrikate die indischen Baumwollen- und Seidengewebe
im Lande selbst verdrängen. Aber wollten wir Stoffe und Teppiche, Lack- und
Emailarbeiten u. s. w. von derselben künstlerischen und technischen Vollendung
herstellen wie die Araber, Juder, Chinesen und Japaner, so würden die Dinge
nicht zu bezahlen sein. Denn unsre Arbeiter können uicht nnter freiem Himmel


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[0423] Japanische Künste. Wendung zu kommen, da die sichtbaren Drähte keineswegs immer goldgelb er¬ scheinen. Man könnte geneigt sein, dergleichen eine müßige Spielerei zu nennen, wenn es nicht wieder mit so seinem Sinne benutzt würde. Dies wird man vor allein bei den verschiednen Wintcrlandschaften gewahr, z, B. bei den Vasen, von deren grauen Grunde — dein Winterhimmel, der schon reichlich Schnee gespendet hat und noch mehr verheißt — sich das Weiß des beschneiten Bodens, der belasteten Baumzweige, der fallenden Flocken und des Gefieders der reiher- nrtigen Vögel glänzend, aber nnr teilweise in scharfen Umrissen abhebt. Wo eben die feinen Drähte zwischen den beiden Tönen fehlen, hat der Umriß das Weiche und einigermaßen Unbestimmte, mit welchem in der Natur ein flockiger Körper sich auf andersfarbigem Hintergrunde abzeichnet. Bei glatten oder doch massiven Gegenständen stört es uns nicht, wenn der Maler sie durch eine (in der Natur selbstverständlich nicht vorhandne) Umrißlinie, hier also den Mctall- drccht, abgrenzt; während die fallende Schneeflocke, das weiche Gefieder u. s. w. durch die Umrahmung ihren Charakter einbüßen würden. Und ich erinnere hier abermals daran, daß auch bei den japanischen Farbendruckbildern die Umri߬ linie nur dort angewandt wird, wo sie für die Wirkung von Nutzen ist. Weniger auffallend, aber doch höchst beachtenswert sind andre Neuheiten ans demselben Gebiete, neue Farben, wie erwähnt, und neue Kombinationen, bei denen wir uns mitunter fragen: Weshalb sind wir nicht selbst darauf ver¬ fallen, die mancherlei vpakbnntcn Massen, welche die Glasfabrikation seit Jahr¬ hunderten und zum Teil schon viel länger verarbeitet, auch in Gestalt von Emailpulver zu versuchen? Da sehen wir Vasen, an denen Felder von ver¬ schiednen Marmorarten, Porphyr, Granit, goldgesprenkeltem Aventurin u. a. in. als Grund für kleine Gemälde voll entzückender Naturwahrheit dienen, während sich um den Rand ein gleichsam ans lauter Juwelen zusammengefügtes Band schlingt. Können wir denn das nicht auch machen? fragt mancher bei der Be¬ trachtung solcher Dinge. Darauf muß geantwortet werden: Dasselbe gewißlich nicht. Und zwar stützt sich die Verneinung nicht einzig auf den alten Erfcch- rnngssatz, daß, wenn zwei dasselbe, thun, es doch nicht dasselbe ist. Wir können es nicht, weil uns gewisse Naturanlagen nud die tausendjährige Kunst- und Haudwerkstraditivn mangeln, und wenn wir diese besäßen, könnten wir es trotz¬ dem nicht, weil unsre Lebensbedingungen so gänzlich anders sind. Die euro¬ päische Fabrikindustrie kann die nationalen Industrien andrer Länder vernichten, und das thut sie fortwährend, weil ihre Erzeugnisse wohlfeiler sind, wie z. B. englische, Schweizer u. a. Fabrikate die indischen Baumwollen- und Seidengewebe im Lande selbst verdrängen. Aber wollten wir Stoffe und Teppiche, Lack- und Emailarbeiten u. s. w. von derselben künstlerischen und technischen Vollendung herstellen wie die Araber, Juder, Chinesen und Japaner, so würden die Dinge nicht zu bezahlen sein. Denn unsre Arbeiter können uicht nnter freiem Himmel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/423>, abgerufen am 05.02.2025.