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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens.

jeden Gedanken aus, daß der König sie zur Unterhaltung seiner Gäste ange¬
ordnet habe. Kaum eine Minute später überschritt eine seltsame Prozession die
Schwelle des großen Hauptsaales, stieß rücksichtslos die Hellebardiere der könig¬
lichen Leibwache zurück, die den Wallern den Eintritt wehren wollten, und teilte
den schimmernden Kreis bis zum Sitze des Königs. Dom Sebastian war mit
einer Miene des Unwillens aufgesprungen, aber vor seinem blitzenden Auge erhob
sich die Hand des Priors von Belem und mahnte ihn, dein eintönigen Gesänge
zu lauschen. Derselbe ging mit einemmcile aus dem Büßlied in ein altes Kreuz-
und Streitlied wider die Mauren aus den Tagen des Cid über und erweckte
rasch genug den Anteil des Königs. Die Singenden standen zu dichter Gruppe
geschlossen, Camoens und Barrctv erkannten an ihrer Spitze sofort den Barfüßer
aus Okaz' Herberge, den zanklustigen Galicier vom Abend zuvor und seine Ge¬
sellen, ja sie nahmen schließlich in der Gefolgschaft der Wackern ein paar der
Seeleute wahr, welche Barreto auf dem Kreuzberge angebettelt hatten. Die
kecken, verwetterten und weinfrohen Gesichter schauten wunderlich aus den frisch
übergestülpten Kapuzen hervor, einer der Burschen lachte Barreto breit an und
sagte: Alles nach Gelegenheit, Herr, in so frommem Palaste gilt ander Lied
als auf der Landstraße, und gegen die Mohren fechten wollen wir ja doch!
Er erhielt und erwartete keine Antwort lind drängte sich hinter seinen Gesellen
dichter an den König heran. Den Grafen Vimiosv, welcher schützend vor Dom
Sebastian trat, schob der Prior von Belem eigenhändig so zur Seite, wie er
ihn vom Altar himvcggeschoben haben würde, die plumpen Gestalten in groben,
schmutzigen Kutten standen zwischen den Edelleuten in seidenen, goldgestickten
Gewändern und vertrieben die Damen vo" ihren Sitzen. Nur die Priester in
der Hofgesellschaft schienen ihnen Ehrfurcht einzuflößen, ihnen allein gelang es
auch, einen kleinen Raum, vor dem Könige freizuhalten. So wie der rauhe,
schlachtendurstige Gesang endete, streckte der Galieicr, der sich von dem scheinbar
abwehrenden Barfüßer gewaltsam losriß, seinen hagern braunen Arm aus der
Kutte hervor und ließ ihn schwer auf die Schulter Dom Sebastians nieder¬
fallen. Der König stand wie gebannt und schaute fragend den Prior von Belem
an, der schmutzige Bursche aber, der hier als Prophet galt, schrie mit krei¬
schenden Tone, in schlechtem Portugiesisch, jedoch bis in die letzte Ecke ver¬
nehmbar: Ich höre die Stimmen der Engel, allergläubigster König, sie treiben
uus her zu dir -- niemand kann ihnen widerstehen! Der Schaum stand ihm
dabei vor dem Munde, die grünlichen Augen rollten, das häßliche Gesicht
des Galiciers richtete sich zur Decke des Saales empor. Die Engel befehlen
mir, deiner Hoheit den Sieg zu künden, wenn du nicht durch längeres Zögern
die Huld der allerheiligsten Jungfrau und aller Heiligen verscherzest, die jetzt
mit dir ist. Dieser Fuß soll die Möhren von Marokko zertreten, dieser Leib
soll mit dem Schwerte des Triumphes gegürtet werden, dies gesalbte Haupt
soll alle Kronen Afrikas bis zur Wüste empfangen! Zeuch aus, König, zaudere


Lamoens.

jeden Gedanken aus, daß der König sie zur Unterhaltung seiner Gäste ange¬
ordnet habe. Kaum eine Minute später überschritt eine seltsame Prozession die
Schwelle des großen Hauptsaales, stieß rücksichtslos die Hellebardiere der könig¬
lichen Leibwache zurück, die den Wallern den Eintritt wehren wollten, und teilte
den schimmernden Kreis bis zum Sitze des Königs. Dom Sebastian war mit
einer Miene des Unwillens aufgesprungen, aber vor seinem blitzenden Auge erhob
sich die Hand des Priors von Belem und mahnte ihn, dein eintönigen Gesänge
zu lauschen. Derselbe ging mit einemmcile aus dem Büßlied in ein altes Kreuz-
und Streitlied wider die Mauren aus den Tagen des Cid über und erweckte
rasch genug den Anteil des Königs. Die Singenden standen zu dichter Gruppe
geschlossen, Camoens und Barrctv erkannten an ihrer Spitze sofort den Barfüßer
aus Okaz' Herberge, den zanklustigen Galicier vom Abend zuvor und seine Ge¬
sellen, ja sie nahmen schließlich in der Gefolgschaft der Wackern ein paar der
Seeleute wahr, welche Barreto auf dem Kreuzberge angebettelt hatten. Die
kecken, verwetterten und weinfrohen Gesichter schauten wunderlich aus den frisch
übergestülpten Kapuzen hervor, einer der Burschen lachte Barreto breit an und
sagte: Alles nach Gelegenheit, Herr, in so frommem Palaste gilt ander Lied
als auf der Landstraße, und gegen die Mohren fechten wollen wir ja doch!
Er erhielt und erwartete keine Antwort lind drängte sich hinter seinen Gesellen
dichter an den König heran. Den Grafen Vimiosv, welcher schützend vor Dom
Sebastian trat, schob der Prior von Belem eigenhändig so zur Seite, wie er
ihn vom Altar himvcggeschoben haben würde, die plumpen Gestalten in groben,
schmutzigen Kutten standen zwischen den Edelleuten in seidenen, goldgestickten
Gewändern und vertrieben die Damen vo» ihren Sitzen. Nur die Priester in
der Hofgesellschaft schienen ihnen Ehrfurcht einzuflößen, ihnen allein gelang es
auch, einen kleinen Raum, vor dem Könige freizuhalten. So wie der rauhe,
schlachtendurstige Gesang endete, streckte der Galieicr, der sich von dem scheinbar
abwehrenden Barfüßer gewaltsam losriß, seinen hagern braunen Arm aus der
Kutte hervor und ließ ihn schwer auf die Schulter Dom Sebastians nieder¬
fallen. Der König stand wie gebannt und schaute fragend den Prior von Belem
an, der schmutzige Bursche aber, der hier als Prophet galt, schrie mit krei¬
schenden Tone, in schlechtem Portugiesisch, jedoch bis in die letzte Ecke ver¬
nehmbar: Ich höre die Stimmen der Engel, allergläubigster König, sie treiben
uus her zu dir — niemand kann ihnen widerstehen! Der Schaum stand ihm
dabei vor dem Munde, die grünlichen Augen rollten, das häßliche Gesicht
des Galiciers richtete sich zur Decke des Saales empor. Die Engel befehlen
mir, deiner Hoheit den Sieg zu künden, wenn du nicht durch längeres Zögern
die Huld der allerheiligsten Jungfrau und aller Heiligen verscherzest, die jetzt
mit dir ist. Dieser Fuß soll die Möhren von Marokko zertreten, dieser Leib
soll mit dem Schwerte des Triumphes gegürtet werden, dies gesalbte Haupt
soll alle Kronen Afrikas bis zur Wüste empfangen! Zeuch aus, König, zaudere


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[0386] Lamoens. jeden Gedanken aus, daß der König sie zur Unterhaltung seiner Gäste ange¬ ordnet habe. Kaum eine Minute später überschritt eine seltsame Prozession die Schwelle des großen Hauptsaales, stieß rücksichtslos die Hellebardiere der könig¬ lichen Leibwache zurück, die den Wallern den Eintritt wehren wollten, und teilte den schimmernden Kreis bis zum Sitze des Königs. Dom Sebastian war mit einer Miene des Unwillens aufgesprungen, aber vor seinem blitzenden Auge erhob sich die Hand des Priors von Belem und mahnte ihn, dein eintönigen Gesänge zu lauschen. Derselbe ging mit einemmcile aus dem Büßlied in ein altes Kreuz- und Streitlied wider die Mauren aus den Tagen des Cid über und erweckte rasch genug den Anteil des Königs. Die Singenden standen zu dichter Gruppe geschlossen, Camoens und Barrctv erkannten an ihrer Spitze sofort den Barfüßer aus Okaz' Herberge, den zanklustigen Galicier vom Abend zuvor und seine Ge¬ sellen, ja sie nahmen schließlich in der Gefolgschaft der Wackern ein paar der Seeleute wahr, welche Barreto auf dem Kreuzberge angebettelt hatten. Die kecken, verwetterten und weinfrohen Gesichter schauten wunderlich aus den frisch übergestülpten Kapuzen hervor, einer der Burschen lachte Barreto breit an und sagte: Alles nach Gelegenheit, Herr, in so frommem Palaste gilt ander Lied als auf der Landstraße, und gegen die Mohren fechten wollen wir ja doch! Er erhielt und erwartete keine Antwort lind drängte sich hinter seinen Gesellen dichter an den König heran. Den Grafen Vimiosv, welcher schützend vor Dom Sebastian trat, schob der Prior von Belem eigenhändig so zur Seite, wie er ihn vom Altar himvcggeschoben haben würde, die plumpen Gestalten in groben, schmutzigen Kutten standen zwischen den Edelleuten in seidenen, goldgestickten Gewändern und vertrieben die Damen vo» ihren Sitzen. Nur die Priester in der Hofgesellschaft schienen ihnen Ehrfurcht einzuflößen, ihnen allein gelang es auch, einen kleinen Raum, vor dem Könige freizuhalten. So wie der rauhe, schlachtendurstige Gesang endete, streckte der Galieicr, der sich von dem scheinbar abwehrenden Barfüßer gewaltsam losriß, seinen hagern braunen Arm aus der Kutte hervor und ließ ihn schwer auf die Schulter Dom Sebastians nieder¬ fallen. Der König stand wie gebannt und schaute fragend den Prior von Belem an, der schmutzige Bursche aber, der hier als Prophet galt, schrie mit krei¬ schenden Tone, in schlechtem Portugiesisch, jedoch bis in die letzte Ecke ver¬ nehmbar: Ich höre die Stimmen der Engel, allergläubigster König, sie treiben uus her zu dir — niemand kann ihnen widerstehen! Der Schaum stand ihm dabei vor dem Munde, die grünlichen Augen rollten, das häßliche Gesicht des Galiciers richtete sich zur Decke des Saales empor. Die Engel befehlen mir, deiner Hoheit den Sieg zu künden, wenn du nicht durch längeres Zögern die Huld der allerheiligsten Jungfrau und aller Heiligen verscherzest, die jetzt mit dir ist. Dieser Fuß soll die Möhren von Marokko zertreten, dieser Leib soll mit dem Schwerte des Triumphes gegürtet werden, dies gesalbte Haupt soll alle Kronen Afrikas bis zur Wüste empfangen! Zeuch aus, König, zaudere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/386>, abgerufen am 05.02.2025.