Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Kenntnis des hannoverschen Wesens und einem gewissen Ungeschick, welches das Dagegen hörte man damals in Hannover zuerst den Ausdruck "Spitzen Dieser Fehler rächte sich in Celle. Den ersten altpreußischen Beamten, Es kamen andre Verletzungen der den Hannoveranern heiligen Formen Kenntnis des hannoverschen Wesens und einem gewissen Ungeschick, welches das Dagegen hörte man damals in Hannover zuerst den Ausdruck „Spitzen Dieser Fehler rächte sich in Celle. Den ersten altpreußischen Beamten, Es kamen andre Verletzungen der den Hannoveranern heiligen Formen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197780"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1048" prev="#ID_1047"> Kenntnis des hannoverschen Wesens und einem gewissen Ungeschick, welches das<lb/> Sichhineinfinden in fremde Verhältnisse erschwerte, wurde in den ersten Jahren<lb/> nach der Annexion dieser Brauch nicht in der Weise befolgt, wie man dies zu<lb/> verlangen sich berechtigt glaubte. Unter anderm wurde in einer Stadt, in dem<lb/> man dem Offizierkorps des eben eingerückten Bataillons auf die angegebene<lb/> Weise entgegengekommen war, der Gesellschaft dadurch gedankt, daß man einige<lb/> jüngere Offiziere in einen Wagen steigen ließ, um Besuche zu machen, während<lb/> der Bataillonskommandeur zu Hause blieb. Die Kunde von dieser Thatsache<lb/> ging wie ein Lauffeuer durch das hannoversche Land.</p><lb/> <p xml:id="ID_1049"> Dagegen hörte man damals in Hannover zuerst den Ausdruck „Spitzen<lb/> der Behörden," mit dem ein Begriff aufgestellt wurde, welcher den ältern<lb/> Hannoveranern geradezu unverständlich war lind auch heute noch einer Er¬<lb/> läuterung bedürftig erscheint. Wer ist denu „Spitze"? Sicherlich haben der<lb/> Oberpräsident, der kommandirende General, die Präsidenten der verschiednen<lb/> Regierungen wie der höhern Gerichte Anspruch auf diesen Namen, aber die in<lb/> größern Städten unter dem kommandirenden General stehenden Generale und<lb/> Stabsoffiziere, die Räte bei den genannten Behörden nicht, während in mittlern<lb/> und kleinern Städten schon der Bürgermeister, der Pvstdirektvr, der Oberförster<lb/> „Spitzen" sind und als solche auch betrachtet werden. Nun wird man sich aus<lb/> unserm ersten Artikel erinnern, daß in Celle die letztgenannten Beamten über¬<lb/> haupt nicht zur ersten Gesellschaft gehörten; in ihr spielten die Räte der ver¬<lb/> schiednen dortigen Gerichte die hervorragendste Rolle. Von ihnen hatte aber<lb/> der Präsident des Oberappellationsgerichts Generalsrang, die Vizepräsidenten<lb/> den Rang eines Generalleutnants, jeder Rat Gcneralmajorsrang. Letztere<lb/> wunderten sich nun im höchsten Maße, als ihnen die Ehre des Besuches nicht<lb/> zu Teil wurde, während Männer mit Hauptmanns- und niederm Rang ihn als<lb/> „Spitzen der Behörden" erhielten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1050"> Dieser Fehler rächte sich in Celle. Den ersten altpreußischen Beamten,<lb/> welcher sich um Aufnahme in deu „adlichen Klub" bewarb, wies mau zurück,<lb/> er erhielt in der Ballotage überwiegend schwarze Kugeln. Infolge dessen traten<lb/> selbstverständlich alle hannoverschen Beamten, welche in preußische Dienste ge¬<lb/> treten waren, aus dem genannten Klub aus und überließen ihn damit der<lb/> welfischen Partei, deren Hauptquartier er seitdem geworden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1051" next="#ID_1052"> Es kamen andre Verletzungen der den Hannoveranern heiligen Formen<lb/> hinzu. Wir erinnern uns noch genau, daß an der Festtafel, um welche sich<lb/> zur ersten Feier vou Kaisers Geburtstag in hannoverschen Landen die Ge¬<lb/> sellschaft einer größern Stadt versammelt hatte, ein hannoverscher Minister a. D.,<lb/> der damalige Präsident des dortigen Klubs, den Vorsitz führte. Er selbst hatte<lb/> die Gesundheit des Kaisers ausgebracht, die Speisen wurden aber schlecht servirt<lb/> und infolge dessen der Mittagstisch über Gebühr in die Länge gezogen. Dies<lb/> gefiel aber den Altpreußen nicht, und lange bevor der letzte Gang aufgetragen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
Kenntnis des hannoverschen Wesens und einem gewissen Ungeschick, welches das
Sichhineinfinden in fremde Verhältnisse erschwerte, wurde in den ersten Jahren
nach der Annexion dieser Brauch nicht in der Weise befolgt, wie man dies zu
verlangen sich berechtigt glaubte. Unter anderm wurde in einer Stadt, in dem
man dem Offizierkorps des eben eingerückten Bataillons auf die angegebene
Weise entgegengekommen war, der Gesellschaft dadurch gedankt, daß man einige
jüngere Offiziere in einen Wagen steigen ließ, um Besuche zu machen, während
der Bataillonskommandeur zu Hause blieb. Die Kunde von dieser Thatsache
ging wie ein Lauffeuer durch das hannoversche Land.
Dagegen hörte man damals in Hannover zuerst den Ausdruck „Spitzen
der Behörden," mit dem ein Begriff aufgestellt wurde, welcher den ältern
Hannoveranern geradezu unverständlich war lind auch heute noch einer Er¬
läuterung bedürftig erscheint. Wer ist denu „Spitze"? Sicherlich haben der
Oberpräsident, der kommandirende General, die Präsidenten der verschiednen
Regierungen wie der höhern Gerichte Anspruch auf diesen Namen, aber die in
größern Städten unter dem kommandirenden General stehenden Generale und
Stabsoffiziere, die Räte bei den genannten Behörden nicht, während in mittlern
und kleinern Städten schon der Bürgermeister, der Pvstdirektvr, der Oberförster
„Spitzen" sind und als solche auch betrachtet werden. Nun wird man sich aus
unserm ersten Artikel erinnern, daß in Celle die letztgenannten Beamten über¬
haupt nicht zur ersten Gesellschaft gehörten; in ihr spielten die Räte der ver¬
schiednen dortigen Gerichte die hervorragendste Rolle. Von ihnen hatte aber
der Präsident des Oberappellationsgerichts Generalsrang, die Vizepräsidenten
den Rang eines Generalleutnants, jeder Rat Gcneralmajorsrang. Letztere
wunderten sich nun im höchsten Maße, als ihnen die Ehre des Besuches nicht
zu Teil wurde, während Männer mit Hauptmanns- und niederm Rang ihn als
„Spitzen der Behörden" erhielten.
Dieser Fehler rächte sich in Celle. Den ersten altpreußischen Beamten,
welcher sich um Aufnahme in deu „adlichen Klub" bewarb, wies mau zurück,
er erhielt in der Ballotage überwiegend schwarze Kugeln. Infolge dessen traten
selbstverständlich alle hannoverschen Beamten, welche in preußische Dienste ge¬
treten waren, aus dem genannten Klub aus und überließen ihn damit der
welfischen Partei, deren Hauptquartier er seitdem geworden ist.
Es kamen andre Verletzungen der den Hannoveranern heiligen Formen
hinzu. Wir erinnern uns noch genau, daß an der Festtafel, um welche sich
zur ersten Feier vou Kaisers Geburtstag in hannoverschen Landen die Ge¬
sellschaft einer größern Stadt versammelt hatte, ein hannoverscher Minister a. D.,
der damalige Präsident des dortigen Klubs, den Vorsitz führte. Er selbst hatte
die Gesundheit des Kaisers ausgebracht, die Speisen wurden aber schlecht servirt
und infolge dessen der Mittagstisch über Gebühr in die Länge gezogen. Dies
gefiel aber den Altpreußen nicht, und lange bevor der letzte Gang aufgetragen
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