Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die hannoversche Gesellschaft. ist. Wir haben von Exzellenz Windthorst behauptet, daß er infolge der Auf¬ Das ständische Prüsentationsrecht ist infolge der Annexion erloschen und An Stelle derer, welche ihre Heimat verlassen mußten, traten preußische Die hannoversche Gesellschaft. ist. Wir haben von Exzellenz Windthorst behauptet, daß er infolge der Auf¬ Das ständische Prüsentationsrecht ist infolge der Annexion erloschen und An Stelle derer, welche ihre Heimat verlassen mußten, traten preußische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197779"/> <fw type="header" place="top"> Die hannoversche Gesellschaft.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> ist. Wir haben von Exzellenz Windthorst behauptet, daß er infolge der Auf¬<lb/> hebung der patrimonialen und der städtischen Gerichtsbarkeit in den Staatsdienst<lb/> gekommen sei. Es ist dies nicht der Fall, der wahre Hergang war vielmehr<lb/> folgender. Bei der — übrigens seitdem wieder ausgehöhlten — Vereinigung<lb/> der beiden Bistümer Hildesheim und Osnabrück wurde für jede der beiden<lb/> getrennt gewesenen Diözesen ein besondres katholisches Konsistorium errichtet.<lb/> In Osnabrück wurde mit dem Vorsitze desselben ein Advokat katholischen<lb/> Glaubens beauftragt, welcher den Titel Konsistorialrat führte, aber neben seiner<lb/> dienstlichen Stellung auch als Advokat praktiziren durfte. Als nun im Jahre<lb/> 1841 oder 1842 der damalige Vorsitzende dieses Konsistoriums, auf Präsentation<lb/> der dazu berufenen ständische» Korporationen des Lauddrvsteibezirkes Osnabrück,<lb/> zum Rat beim Obcrappcllativusgericht zu Celle ernannt wurde, kam Windthorst,<lb/> welcher damals als Advokat in Osnabrück lebte, an seine Stelle. Wenige Jahre<lb/> später wählten auch ihn die Osuabrücker Stände zum Obcrappellationsrat und<lb/> er gelangte also durch das ständische Präsentativnsrecht in den Staatsdienst,<lb/> dem auf diesem Wege manche tüchtige und ausgezeichnete Kraft zugeführt<lb/> worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1046"> Das ständische Prüsentationsrecht ist infolge der Annexion erloschen und<lb/> damit eine Umwälzung vollzogen, vor welcher die hannoversche Regierung stets<lb/> zurückgeschreckt war; größer aber ist die Veränderung gewesen, welche die ge¬<lb/> selligen Verhältnisse, deren Schilderung wir zum Gegenstande unsers ersten<lb/> Artikels machten, seitdem erlitten haben. Infolge der Annexion wurden eine<lb/> Menge hannoversche Offiziere und Beamte in altprcußische Provinzen versetzt,<lb/> während andre im Königreich Sachsen ein neues Heim suchten und fanden. Ihr<lb/> Abgang traf die hannoversche Gesellschaft schwer, und wenn wir auch wissen,<lb/> daß man aus politischen Gründen jene Versetzung für notwendig hielt, so hat<lb/> doch diese Maßregel in sozialer Beziehung nnr schädlich gewirkt. Wir sind stets<lb/> der Ansicht gewesen und haben sie heute noch, daß man besser gethan hätte,<lb/> möglichst viele Hannoveraner im Lande zu lassen. Hätte man sich dann ent¬<lb/> schließen können, ihren Ratschlägen Gehör zu geben, so würde manche Reibung<lb/> vermieden worden sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1047" next="#ID_1048"> An Stelle derer, welche ihre Heimat verlassen mußten, traten preußische<lb/> Beamte und Offiziere. Ihnen kam die erste Gesellschaft zwar nur an wenigen,<lb/> speziell ostfriesischen Orten, freundlich entgegen, indes nahm man sie in den<lb/> meisten Städten, wenn auch kühl, so doch mit jener Höflichkeit auf, welche der<lb/> Hannoveraner Fremden gegenüber niemals verleugnet hat. Man ging hie und<lb/> da sogar soweit, alt eingewurzelte Gewohnheiten aufzuopfern und die Offizierkorps<lb/> der neu eingerückten Regimenter und Bataillone in «orxore in den Klub auf¬<lb/> zunehmen. Natürlich hatte man erwartet, daß dieses Entgegenkommen sofort<lb/> erwiedert werden würde, man hatte in erster Linie auf die vorschriftsmäßigen<lb/> „Visiten" gerechnet. Aber, gewiß nicht aus bösem Willen, sondern aus mangelnder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0355]
Die hannoversche Gesellschaft.
ist. Wir haben von Exzellenz Windthorst behauptet, daß er infolge der Auf¬
hebung der patrimonialen und der städtischen Gerichtsbarkeit in den Staatsdienst
gekommen sei. Es ist dies nicht der Fall, der wahre Hergang war vielmehr
folgender. Bei der — übrigens seitdem wieder ausgehöhlten — Vereinigung
der beiden Bistümer Hildesheim und Osnabrück wurde für jede der beiden
getrennt gewesenen Diözesen ein besondres katholisches Konsistorium errichtet.
In Osnabrück wurde mit dem Vorsitze desselben ein Advokat katholischen
Glaubens beauftragt, welcher den Titel Konsistorialrat führte, aber neben seiner
dienstlichen Stellung auch als Advokat praktiziren durfte. Als nun im Jahre
1841 oder 1842 der damalige Vorsitzende dieses Konsistoriums, auf Präsentation
der dazu berufenen ständische» Korporationen des Lauddrvsteibezirkes Osnabrück,
zum Rat beim Obcrappcllativusgericht zu Celle ernannt wurde, kam Windthorst,
welcher damals als Advokat in Osnabrück lebte, an seine Stelle. Wenige Jahre
später wählten auch ihn die Osuabrücker Stände zum Obcrappellationsrat und
er gelangte also durch das ständische Präsentativnsrecht in den Staatsdienst,
dem auf diesem Wege manche tüchtige und ausgezeichnete Kraft zugeführt
worden ist.
Das ständische Prüsentationsrecht ist infolge der Annexion erloschen und
damit eine Umwälzung vollzogen, vor welcher die hannoversche Regierung stets
zurückgeschreckt war; größer aber ist die Veränderung gewesen, welche die ge¬
selligen Verhältnisse, deren Schilderung wir zum Gegenstande unsers ersten
Artikels machten, seitdem erlitten haben. Infolge der Annexion wurden eine
Menge hannoversche Offiziere und Beamte in altprcußische Provinzen versetzt,
während andre im Königreich Sachsen ein neues Heim suchten und fanden. Ihr
Abgang traf die hannoversche Gesellschaft schwer, und wenn wir auch wissen,
daß man aus politischen Gründen jene Versetzung für notwendig hielt, so hat
doch diese Maßregel in sozialer Beziehung nnr schädlich gewirkt. Wir sind stets
der Ansicht gewesen und haben sie heute noch, daß man besser gethan hätte,
möglichst viele Hannoveraner im Lande zu lassen. Hätte man sich dann ent¬
schließen können, ihren Ratschlägen Gehör zu geben, so würde manche Reibung
vermieden worden sein.
An Stelle derer, welche ihre Heimat verlassen mußten, traten preußische
Beamte und Offiziere. Ihnen kam die erste Gesellschaft zwar nur an wenigen,
speziell ostfriesischen Orten, freundlich entgegen, indes nahm man sie in den
meisten Städten, wenn auch kühl, so doch mit jener Höflichkeit auf, welche der
Hannoveraner Fremden gegenüber niemals verleugnet hat. Man ging hie und
da sogar soweit, alt eingewurzelte Gewohnheiten aufzuopfern und die Offizierkorps
der neu eingerückten Regimenter und Bataillone in «orxore in den Klub auf¬
zunehmen. Natürlich hatte man erwartet, daß dieses Entgegenkommen sofort
erwiedert werden würde, man hatte in erster Linie auf die vorschriftsmäßigen
„Visiten" gerechnet. Aber, gewiß nicht aus bösem Willen, sondern aus mangelnder
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |