Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Camoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.)

amoens blieb einige Minuten stumm, dann sprach er mehr zu
sich als zu dem Freunde: Wenn dies kein Traum ist, so
waren es die zwanzig Jahre, welche ich fern von der Heimat ver¬
brachte! Dort stehen die Bäume, unter denen ich Catarina Atahde
so oft begegnete, hier betäubt der gleiche Dust mein Hirn,
den ich an ihrer Seite geatmet, dadrinnen steht sie selbst, schon wie einst,
und ich frage mich, ob in Wahrheit Jahre und Meere, Schlachten und Leiden
zwischen gestern und heute liegen?

Manuel schwieg, obschon er die leidenschaftlichen Worte des Freundes
nicht ohne Besorgnis hernahm. Der Dichter aber stand einige Augenblicke
in Sinnen verloren, dann setzte er leise hinzu: Und es ist auch nur ein böser
Traum, daß mehr als zwei Jahrzehnte verflossen sind, ich fühle Mut und
Jugend, ich sehe mein Leben, das so eng und kurz geworden schien, sich
wieder in blaue Fernen ausdehnen! O mein Freund, welche Wunder können
sich in einer Stunde Raum zusammendrängen!

Ich gönne Euch wahrlich diese gesegnete Stunde! entgegnete Barreto, seine
Hand auf die Schulter des Verzückten legend. Doch vergeht nicht ganz, daß
es die Tochter ist, die Ihr eben geschaut habt, nicht Eure Unvergeßliche selbst!
Und sucht Euch zu fassen, denn wenn ich nicht völlig irre, kommt dort Graf
Vimioso, um Euch zum König zu rufen. Ihr habt es selbst gewünscht, daß
man Euer Werk in diesem Kreise zuerst hören möchte, jetzt zwingt die Hörer durch
Eure Haltung, daß sie auch fühlen und erkennen, was Ihr ihnen gebt!

Camoens verstand so viel von der Mahnung des Freundes, daß er sich
umkehrte und dem näher kommenden Hofherrn ruhig entgegensah. Einen ver¬
wunderten Blick, welchen der Graf auf Camoens' leere Hände warf, deutete




Camoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.)

amoens blieb einige Minuten stumm, dann sprach er mehr zu
sich als zu dem Freunde: Wenn dies kein Traum ist, so
waren es die zwanzig Jahre, welche ich fern von der Heimat ver¬
brachte! Dort stehen die Bäume, unter denen ich Catarina Atahde
so oft begegnete, hier betäubt der gleiche Dust mein Hirn,
den ich an ihrer Seite geatmet, dadrinnen steht sie selbst, schon wie einst,
und ich frage mich, ob in Wahrheit Jahre und Meere, Schlachten und Leiden
zwischen gestern und heute liegen?

Manuel schwieg, obschon er die leidenschaftlichen Worte des Freundes
nicht ohne Besorgnis hernahm. Der Dichter aber stand einige Augenblicke
in Sinnen verloren, dann setzte er leise hinzu: Und es ist auch nur ein böser
Traum, daß mehr als zwei Jahrzehnte verflossen sind, ich fühle Mut und
Jugend, ich sehe mein Leben, das so eng und kurz geworden schien, sich
wieder in blaue Fernen ausdehnen! O mein Freund, welche Wunder können
sich in einer Stunde Raum zusammendrängen!

Ich gönne Euch wahrlich diese gesegnete Stunde! entgegnete Barreto, seine
Hand auf die Schulter des Verzückten legend. Doch vergeht nicht ganz, daß
es die Tochter ist, die Ihr eben geschaut habt, nicht Eure Unvergeßliche selbst!
Und sucht Euch zu fassen, denn wenn ich nicht völlig irre, kommt dort Graf
Vimioso, um Euch zum König zu rufen. Ihr habt es selbst gewünscht, daß
man Euer Werk in diesem Kreise zuerst hören möchte, jetzt zwingt die Hörer durch
Eure Haltung, daß sie auch fühlen und erkennen, was Ihr ihnen gebt!

Camoens verstand so viel von der Mahnung des Freundes, daß er sich
umkehrte und dem näher kommenden Hofherrn ruhig entgegensah. Einen ver¬
wunderten Blick, welchen der Graf auf Camoens' leere Hände warf, deutete


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197762"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341843_197423/figures/grenzboten_341843_197423_197762_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Camoens.<lb/><note type="byline"> Roman von Adolf Stern.</note> (Fortsetzung.) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_983"> amoens blieb einige Minuten stumm, dann sprach er mehr zu<lb/>
sich als zu dem Freunde: Wenn dies kein Traum ist, so<lb/>
waren es die zwanzig Jahre, welche ich fern von der Heimat ver¬<lb/>
brachte! Dort stehen die Bäume, unter denen ich Catarina Atahde<lb/>
so oft begegnete, hier betäubt der gleiche Dust mein Hirn,<lb/>
den ich an ihrer Seite geatmet, dadrinnen steht sie selbst, schon wie einst,<lb/>
und ich frage mich, ob in Wahrheit Jahre und Meere, Schlachten und Leiden<lb/>
zwischen gestern und heute liegen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_984"> Manuel schwieg, obschon er die leidenschaftlichen Worte des Freundes<lb/>
nicht ohne Besorgnis hernahm. Der Dichter aber stand einige Augenblicke<lb/>
in Sinnen verloren, dann setzte er leise hinzu: Und es ist auch nur ein böser<lb/>
Traum, daß mehr als zwei Jahrzehnte verflossen sind, ich fühle Mut und<lb/>
Jugend, ich sehe mein Leben, das so eng und kurz geworden schien, sich<lb/>
wieder in blaue Fernen ausdehnen! O mein Freund, welche Wunder können<lb/>
sich in einer Stunde Raum zusammendrängen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_985"> Ich gönne Euch wahrlich diese gesegnete Stunde! entgegnete Barreto, seine<lb/>
Hand auf die Schulter des Verzückten legend. Doch vergeht nicht ganz, daß<lb/>
es die Tochter ist, die Ihr eben geschaut habt, nicht Eure Unvergeßliche selbst!<lb/>
Und sucht Euch zu fassen, denn wenn ich nicht völlig irre, kommt dort Graf<lb/>
Vimioso, um Euch zum König zu rufen. Ihr habt es selbst gewünscht, daß<lb/>
man Euer Werk in diesem Kreise zuerst hören möchte, jetzt zwingt die Hörer durch<lb/>
Eure Haltung, daß sie auch fühlen und erkennen, was Ihr ihnen gebt!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_986" next="#ID_987"> Camoens verstand so viel von der Mahnung des Freundes, daß er sich<lb/>
umkehrte und dem näher kommenden Hofherrn ruhig entgegensah. Einen ver¬<lb/>
wunderten Blick, welchen der Graf auf Camoens' leere Hände warf, deutete</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0338] [Abbildung] Camoens. Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.) amoens blieb einige Minuten stumm, dann sprach er mehr zu sich als zu dem Freunde: Wenn dies kein Traum ist, so waren es die zwanzig Jahre, welche ich fern von der Heimat ver¬ brachte! Dort stehen die Bäume, unter denen ich Catarina Atahde so oft begegnete, hier betäubt der gleiche Dust mein Hirn, den ich an ihrer Seite geatmet, dadrinnen steht sie selbst, schon wie einst, und ich frage mich, ob in Wahrheit Jahre und Meere, Schlachten und Leiden zwischen gestern und heute liegen? Manuel schwieg, obschon er die leidenschaftlichen Worte des Freundes nicht ohne Besorgnis hernahm. Der Dichter aber stand einige Augenblicke in Sinnen verloren, dann setzte er leise hinzu: Und es ist auch nur ein böser Traum, daß mehr als zwei Jahrzehnte verflossen sind, ich fühle Mut und Jugend, ich sehe mein Leben, das so eng und kurz geworden schien, sich wieder in blaue Fernen ausdehnen! O mein Freund, welche Wunder können sich in einer Stunde Raum zusammendrängen! Ich gönne Euch wahrlich diese gesegnete Stunde! entgegnete Barreto, seine Hand auf die Schulter des Verzückten legend. Doch vergeht nicht ganz, daß es die Tochter ist, die Ihr eben geschaut habt, nicht Eure Unvergeßliche selbst! Und sucht Euch zu fassen, denn wenn ich nicht völlig irre, kommt dort Graf Vimioso, um Euch zum König zu rufen. Ihr habt es selbst gewünscht, daß man Euer Werk in diesem Kreise zuerst hören möchte, jetzt zwingt die Hörer durch Eure Haltung, daß sie auch fühlen und erkennen, was Ihr ihnen gebt! Camoens verstand so viel von der Mahnung des Freundes, daß er sich umkehrte und dem näher kommenden Hofherrn ruhig entgegensah. Einen ver¬ wunderten Blick, welchen der Graf auf Camoens' leere Hände warf, deutete

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/338
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/338>, abgerufen am 05.02.2025.