Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Es ist ein buntes und in mehr als einer Beziehung lehrreiches Leben, Schon die Bühne, auf der Schückings Lebensschauspiel begann, war eine Es ist ein buntes und in mehr als einer Beziehung lehrreiches Leben, Schon die Bühne, auf der Schückings Lebensschauspiel begann, war eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197701"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_816"> Es ist ein buntes und in mehr als einer Beziehung lehrreiches Leben,<lb/> welches der ehemalige Feuillctonredcckteur der „Kölnischen Zeitung" in nicht<lb/> allzubreiter Weise, aber auch nicht ohne Behagen an einigen besonders eigen¬<lb/> artigen Episoden erzählt. Die einzelnen Kapitel, überschrieben „Die Knabenzeit,"<lb/> „Jugendleben," „Am Bodensee." „Am Mondsee," „Am Rhein," „In Augsburg,"<lb/> „KarlGntzkow," „Ostende," „Köln." „Paris," „Chr, von Stramberg" und „Rom."<lb/> sind nicht alle von gleicher Frische und Sorgfalt der Ausführung, aber alle<lb/> enthalten lebendige Bilder eines wechselvollen Daseins und Zeugnisse eines<lb/> Sinnes, der sich auch unter erschwerenden und ernüchternden Umstünden die<lb/> innere Poesie und die arbeitsfrohe Teilnahme an den Dingen gewahrt hat.<lb/> Levin Schücking gehörte durchaus zu den Naturen, welche dem Berufsschrift-<lb/> stellertume Ehre und nur Ehre gemacht haben, obschon ihm peinliche Ein¬<lb/> wirkungen der Notwendigkeit, schreiben und immer wieder schreiben zu müssen,<lb/> keineswegs erspart geblieben sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_817" next="#ID_818"> Schon die Bühne, auf der Schückings Lebensschauspiel begann, war eine<lb/> durch und durch eigentümliche. Seine Eltern stammten aus Münster, die<lb/> Familie war eine alte und angesehene des münsterschen Hochstifts, sein Vater<lb/> aber saß nach der Teilung des alten Fürstbistnms in Schloß Clemenswerth<lb/> als hannöverscher Amtsrichter im verlorensten und unzugänglichsten Winkel des<lb/> ehemaligen deutschen Reiches, Schloß Clemenswerth, die Schöpfung einer<lb/> Fürstenlaune des achtzehnten Jahrhunderts, liegt auf dem Hümling, in einem<lb/> letzten Ausläufer deutschen Waldes gegen die Haiden und Moore des Grenzlandes<lb/> an der Ems. Schücking schildert das Schloß im mächtigen Waldpark, welches<lb/> die Stätte seiner Jugend gewesen, als „ein Oorxs als lo^is von acht gleich<lb/> großen Seiten, denen vier kleine Flügel wie die Balken eines Kreuzes angefügt<lb/> waren. Und als ob es an dieser einen bizarren Idee nicht genug gewesen wäre,<lb/> so wurde durch den Bau noch eine andre verwirklicht, Um das eigentliche<lb/> Schloßgebäude nämlich wurden acht Pavillons gestellt: so sollte das Ganze noch<lb/> ein Kegelspiel darstellen, mit dem Schloß als König in der Mitte! Ich muß<lb/> gestehen, ich habe diese letztere sinnreiche architektonische Idee nie herausfinden<lb/> können, die Pavillons standen nämlich ganz einfach rund im Kreise umher. Ein<lb/> geräumiger Platz schied sie vom Schlosse; zwischen je zwei und zwei von ihnen<lb/> begann eine breite Lindenallee, welche durch den Park führte. Jeder der Pavillons<lb/> führte seinen besondern Namen, der an eines von den Hochstiftern erinnerte,<lb/> deren Infuln und Fürsteukrvnen sich auf dem Haupte des mächtigen Herzogs<lb/> aus Ober- und Niederbcnern (Clemens August) vereinigt fanden. Der erste<lb/> hieß Münster, der zweite Osnabrück, der dritte Hildesheim, der vierte Paderborn,<lb/> der fünfte Köln, der sechste Mergcntheim, wegen des Hoch- und Deutschmeistertums,<lb/> der siebente Corvey, der achte bildete die Schloßkapelle mit einem Kapuziner-<lb/> kloster dahinter." Einflußreicher noch als diese wunderbare Umgebung mit ihrem<lb/> beneidenswerten Sommer- und ihrem fast unheimlichen Winterleben waren die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0277]
Es ist ein buntes und in mehr als einer Beziehung lehrreiches Leben,
welches der ehemalige Feuillctonredcckteur der „Kölnischen Zeitung" in nicht
allzubreiter Weise, aber auch nicht ohne Behagen an einigen besonders eigen¬
artigen Episoden erzählt. Die einzelnen Kapitel, überschrieben „Die Knabenzeit,"
„Jugendleben," „Am Bodensee." „Am Mondsee," „Am Rhein," „In Augsburg,"
„KarlGntzkow," „Ostende," „Köln." „Paris," „Chr, von Stramberg" und „Rom."
sind nicht alle von gleicher Frische und Sorgfalt der Ausführung, aber alle
enthalten lebendige Bilder eines wechselvollen Daseins und Zeugnisse eines
Sinnes, der sich auch unter erschwerenden und ernüchternden Umstünden die
innere Poesie und die arbeitsfrohe Teilnahme an den Dingen gewahrt hat.
Levin Schücking gehörte durchaus zu den Naturen, welche dem Berufsschrift-
stellertume Ehre und nur Ehre gemacht haben, obschon ihm peinliche Ein¬
wirkungen der Notwendigkeit, schreiben und immer wieder schreiben zu müssen,
keineswegs erspart geblieben sind.
Schon die Bühne, auf der Schückings Lebensschauspiel begann, war eine
durch und durch eigentümliche. Seine Eltern stammten aus Münster, die
Familie war eine alte und angesehene des münsterschen Hochstifts, sein Vater
aber saß nach der Teilung des alten Fürstbistnms in Schloß Clemenswerth
als hannöverscher Amtsrichter im verlorensten und unzugänglichsten Winkel des
ehemaligen deutschen Reiches, Schloß Clemenswerth, die Schöpfung einer
Fürstenlaune des achtzehnten Jahrhunderts, liegt auf dem Hümling, in einem
letzten Ausläufer deutschen Waldes gegen die Haiden und Moore des Grenzlandes
an der Ems. Schücking schildert das Schloß im mächtigen Waldpark, welches
die Stätte seiner Jugend gewesen, als „ein Oorxs als lo^is von acht gleich
großen Seiten, denen vier kleine Flügel wie die Balken eines Kreuzes angefügt
waren. Und als ob es an dieser einen bizarren Idee nicht genug gewesen wäre,
so wurde durch den Bau noch eine andre verwirklicht, Um das eigentliche
Schloßgebäude nämlich wurden acht Pavillons gestellt: so sollte das Ganze noch
ein Kegelspiel darstellen, mit dem Schloß als König in der Mitte! Ich muß
gestehen, ich habe diese letztere sinnreiche architektonische Idee nie herausfinden
können, die Pavillons standen nämlich ganz einfach rund im Kreise umher. Ein
geräumiger Platz schied sie vom Schlosse; zwischen je zwei und zwei von ihnen
begann eine breite Lindenallee, welche durch den Park führte. Jeder der Pavillons
führte seinen besondern Namen, der an eines von den Hochstiftern erinnerte,
deren Infuln und Fürsteukrvnen sich auf dem Haupte des mächtigen Herzogs
aus Ober- und Niederbcnern (Clemens August) vereinigt fanden. Der erste
hieß Münster, der zweite Osnabrück, der dritte Hildesheim, der vierte Paderborn,
der fünfte Köln, der sechste Mergcntheim, wegen des Hoch- und Deutschmeistertums,
der siebente Corvey, der achte bildete die Schloßkapelle mit einem Kapuziner-
kloster dahinter." Einflußreicher noch als diese wunderbare Umgebung mit ihrem
beneidenswerten Sommer- und ihrem fast unheimlichen Winterleben waren die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |